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# taz.de -- DFB-Auswahl in der Krise: Warum Löw bleiben soll
> Auch sein WM-Titel 2014 schützt den Bundestrainer nicht mehr. Viele Fans
> fordern seine Ablösung. Das 3:3 gegen die Schweiz stärkt sie.
Bild: Kritiker sagen: Löw spricht von oben herab
Die deutsche Nationalmannschaft kann derzeit kaum noch siegen, das hat sich
am Dienstagabend beim 3:3 gegen die Schweiz gezeigt. Laut einer Umfrage der
bei Fußballfans beliebten App FanQ befürworten 76,5 Prozent der dortigen
Antworter derzeit einen Rücktritt des Bundestrainers Jogi Löw.
Ein Rückblick: 2014 wurde die DFB-Elf verdient Weltmeister. Aber ein
Durchmarsch war es nicht, und man konnte aus dem Turnier nicht den Schluss
ziehen, dass Deutschland den Weltfußball über die nächsten Jahre dominieren
würde. In der öffentlichen Rezeption wurde eine solche Kampagne auf das
[1][zauberhafte 7:1] gegen Brasilien reduziert. Doch die Bedeutung des
Triumphes von Rio wurde überschätzt – wie schon 24 Jahre zuvor der
WM-Triumph von Rom, dem eine magere EM 1992 und ein fast schon peinlicher
Auftritt bei der WM 1994 in den USA folgten.
Der Triumph von Rio 2014 erschien als zwangsläufiger Höhepunkt einer
Entwicklung, die 2004 mit der Übernahme der DFB-Elf durch Jürgen Klinsmann
und Jogi Löw begonnen hatte. Bei den WM-Turnieren 2006 und 2010 war man
bereits Dritter geworden, und bei der EM 2008 Zweiter. Der deutsche Fußball
genoss nun weltweit Bewunderung. Im Ausland kam die Rede von der „deutschen
Fußballschule“ auf – fast so, wie 40 Jahre zuvor (und noch lange danach)
von der niederländischen Fußballschule geschwärmt worden war.
Nach dem Gewinn des WM-Titels sollte die Nationalmannschaft auch noch
Europameister werden – so wie es Frankreich 2000 und Spanien 2012 gelungen
war. Doch daraus wurde nichts. Vielmehr begann bei der EM 2016 in
Frankreich der Abstieg vom Fußballgipfel, obwohl bei diesem Turnier die
DFB-Elf taktisch und spielerisch die überzeugendste Elf war.
Aber die Kritik an Löw nahm zu, egal wie flatterhaft sie oft daherkommt.
Nach der WM 2018 etwa hieß es, Löw müsse sich endlich von den „Alten“
trennen, was er im Anschluss tat. Als es dann nicht rund lief, wurde die
Rückkehr der „Alten“ gefordert.
Oder ganz aktuell: Nach den jüngsten Begegnungen gegen die Türkei (3:3) und
die Ukraine (2:1) wurde der Bundestrainer für seine Dreier- bzw.
Fünferkette kritisiert. Dabei bestritt die DFB-Elf mit diesem System ihre
besten Post-WM-2018-Auftritte. Am Dienstag gegen die Schweiz beim 3:3 lief
dann eine den Kritikern gemäße Viererkette auf – mit mäßigem Erfolg. Dass
die Dreier- und Fünferkette, die Löw eingeführt hatte, eher dem modernen
Fußball entspricht, bekommen viele Kritiker nicht mit.
## Zurück zur Viererkette
Überhaupt ist die Entwicklung der letzten 16 Jahre, also seit 2004, an
vielen der alten Geister, die mit solchen Kritiken in die Öffentlichkeit
treten, vorbeigegangen. In vorderster Front der Löw-Kritiker stehen
dieselben, die schon vor der WM 2006 die Ablösung von Jürgen Klinsmann
gefordert hatten. Weil sie dessen Projekt überforderte, weil sie dieses
nicht mochten oder weil sie nicht gefragt wurden, als es um die Besetzung
der Stelle des Bundestrainers und den zukünftigen Kurs des „deutschen
Fußballs“ ging. Es sind Namen wie Matthäus, Thon, Effenberg, Basler,
Scholl, die immer wieder als Kritiker in Erscheinung treten.
Es ist schrecklich anzusehen, wie manchmal ehemalige Profis nicht damit
klarkommen, dass sie als Trainer nicht reüssierten oder sogar komplett
scheiterten, und vor allem, wie sie sich mit dem Boulevard
zusammenschließen, um gemeinsam Sachen rauszuhauen, die häufig nur
großmäulig sind. Geschätzte 90 Prozent der Menschen im Alter 15 bis 40, die
sich ernsthaft mit Fußball beschäftigen, beispielsweise als
Nachwuchstrainer, nehmen diese Leute nicht ernst. Und von den Klopps,
Guardiolas, Wengers, Fergusons & Co. hört man kaum einmal, dass sie über
Kollegen oder ehemalige Kollegen fachlich herfallen. Das haben sie einfach
nicht nötig. Hinzu kommt, dass sie wissen, wie komplex der Job heute ist.
## Toptrainer arbeiten bei Klubs
In der schon zitierten Umfrage von FanQ schälten sich drei Favoriten für
eine eventuelle Löw-Nachfolge heraus: Jürgen Klopp, Hansi Flick und Thomas
Tuchel. Klopp? Ja, aber [2][bestimmt nicht jetzt], vielleicht in einigen
Jahren. Hansi Flick? Ich dachte, Löws Fußball geht den Leuten auf den
Senkel … Thomas Tuchel? Ein exzellenter Trainer, aber auch ein unbequemer.
Tuchel verkörpert alles, was viele Fans der Nationalelf hassen: zu viel
Fachmann (zu viel Guardiola), zu viel Taktikgenie und außerdem „unnahbar“.
Ein Bierchen am „Lagerfeuer der Nation“? Kann man mit Tuchel vergessen.
Interessant ist auch, dass man die Nationalmannschaften, die von einem
Toptrainer trainiert wurden oder werden, also von einem Trainer, den auch
große Klubs begehrten oder begehren, an wenigen Fingern abzählen kann.
Spontan fallen mir Walerij Lobanowski, Rinus Michels und Ottmar Hitzfeld
ein. Lobanowski war eine ganz eigene Story, Michels war eine andere Zeit
und Hitzfeld war am Ende seiner Trainerkarriere, als er den stressigen
Klubfußball nicht mehr wollte.
Toptrainer finden Nationalmannschaften nicht so interessant wie deren
fanatischste Fans. Wer trainiert England, das „Mutterland des Fußballs“?
Gareth Southgate. Guter Mann, aber bei Übernahme der „Three Lions“ mit
wenig Erfahrung ausgestattet. Bevor er beim Verband anheuerte, war er mit
seiner ersten Trainerstation Middlesborough aus der Premier League
abgestiegen. Wer war für die DFB-Elf beim Sommermärchen verantwortlich?
Jürgen Klinsmann, es war seine erste Trainerstation.
14 Oct 2020
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=jW5jobEpkk4
[2] https://www.goal.com/de/meldungen/fc-liverpool-juergen-klopp-nationaltraine…
## AUTOREN
Dietrich Schulze-Marmeling
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