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# taz.de -- Doku „Ich weiß nicht mal, wie er starb“: Das Trauma im Pflegeh…
> Eine ARD-Doku wirft einen einfühlsamen Blick auf das Wolfsburger
> Pflegeheim, in dem sich fast alle Bewohner*innen mit Corona ansteckten.
Bild: Besorgte Heimbewohnerin Elfriede Reduhn (l.) wird von ihrer Pflegerin ber…
Es gibt Orte, die von der Gesellschaft gerne gemieden werden:
Beerdigungsinstitute gehören dazu – und sicherlich auch Alters- und
Pflegeheime.
Insofern ist es bedrückend, die ARD-Dokumentation „Ich weiß nicht mal, wie
er starb – wie ein Pflegeheim zur Corona-Falle wurde“ anzuschauen. Sie
schaut schmerzhaft genau auf das [1][zu trauriger Berühmtheit gekommene]
„Hanns-Lilje-Heim“ in Wolfsburg, in dem sich zu Beginn der Coronapandemie
innerhalb weniger Tage 112 der 160 Bewohner*innen des Hauses mit dem
tödlichen Virus infizierten. 47 von ihnen starben.
Die Filmemacher Arnd Henze und Sonja Kättner-Neumann haben das Altersheim,
das in der Boulevardpresse zeitweise als „Horrorheim“ firmierte, wieder
besucht – und mit den, man kann es nicht anders sagen, Überlebenden
gesprochen. Es geht ihnen dabei nicht um eine detektivische Suche, wie es
zu der hohen Zahl an Toten in dem Haus gekommen ist, wer „schuld“ ist, was
bei einer Pandemie sowieso eine absurde Frage wäre.
Sie wollen vielmehr verstehen, wie so etwas wie Alltag in diesem Heim
voller versehrter Seelen einziehen kann. Sie versuchen zu ergründen, was
diese schreckliche Erfahrung mit allen Beteiligten gemacht hat: mit den
Alten und Kranken, mit ihren Angehörigen und mit den Pfleger*innen. Vor
[2][allem das Pflegepersonal] kommt dabei ungeheuer warm und menschlich
rüber – und man versteht, dass es wahrscheinlich nicht an ihnen lag, dass
das Coronavirus in diesem Haus so viele Menschen das Leben kostete.
Wie zärtlich, freundlich und geduldig etwa die Pflegefachkräfte Viktorija
Hmeljina und Mirel Osmanovic mit den dementen Menschen des Hauses umgehen,
muss einen rühren. Erschütternd ist eine Szene zu Beginn der Dokumentation,
in der deutlich wird, dass die demente alte Dame Elfriede noch schwer
traumatisiert ist von den Tagen der erzwungenen Isolation innerhalb des
Heims.
## Hygieneregeln verhinderten Händehalten beim Sterben
Beim assistierten Zähneputzen schaut Elfriede verängstigt und verwirrt,
fängt sogar an zu wimmern, weil sie den ihr so vertrauten Pfleger Osmanovic
wegen des Mundschutzes erst einmal nicht erkennt. Erst als er den
Mundschutz kurz abnimmt, beruhigt sie sich wieder.
Die Dokumentation zeigt einige Momente dieser unverwüstlichen
Menschlichkeit, ohne dass sie den Horror der Coronazeit verschweigt. Die
Seuche ist noch lange nicht vorbei, sie kann auch in diesem Heim
wiederkommen.
„Ein Krieg ist irgendwann vorbei – Corona hört nicht auf“, sagt die
Pflegerin Hmeljina, die als Kind vor dem Krieg in ihrer Heimat Kroatien
nach Deutschland geflüchtet ist. Natürlich fragen die Angehörigen der
Verstorbenen in der Dokumentation: Hat man genug getan für unsere Liebsten,
von denen einige alleine sterben mussten, [3][weil die Hygieneregeln] ein
letztes Händehalten beim Sterben verhinderten – auch wenn man heute, nach
einem halben Jahr der Erfahrung mit der Pandemie, oft besser weiß, was
trotz aller Schutzmaßnahmen dennoch möglich gewesen wäre.
Zweifel bleiben auch beim einzigen Allgemeinmediziner, der sich in der
Hochphase der Pandemie im Frühjahr 2020 in das Heim traute: Waren seine nur
angedeuteten Entscheidungen richtig, offenbar bei manchen Patientinnen und
Patienten auf intensivmedizinische Hilfe zu verzichten, wenn er glaubte,
sie lägen sowieso im Sterben?
Die Doku will das nicht zu einem Skandal aufbauschen, was wahrscheinlich
auch ungerechtfertigt wäre. Es geht vor allem darum, die große Leistung
derer zu zeigen, die Dementen und Kranken so viel Wärme und Würde geben wie
möglich. Sie sind die wahren Heldinnen und Helden der Coronaseuche.
12 Oct 2020
## LINKS
[1] /Corona-Tote-im-Pflegeheim/!5676116
[2] /Krankenhausmanager-ueber-Reform/!5711697
[3] /Bund-Laender-Gipfel-wegen-Corona/!5717888
## AUTOREN
Philipp Gessler
## TAGS
TV-Dokumentation
Pflegekräftemangel
Schwerpunkt Coronavirus
Alten- und Pflegeheime
Demenz
Schwerpunkt Coronavirus
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