| # taz.de -- Energiewende auf Kosten Afrikas: „Genug für die Stahlindustrie“ | |
| > Günter Nooke, Afrika-Beauftragter der deutschen Bundeskanzlerin, möchte | |
| > Strom mit Hilfe des Kongo-Flusses produzieren. Was soll das? | |
| Bild: Das bereits existierende Wasserkraftwerk Inga in der Republik Kongo | |
| taz: Herr Nooke, Ihre Idee ist es, Wasserstoff für Deutschland in Zukunft | |
| in der Demokratischen Republik Kongo zu produzieren. Warum ausgerechnet | |
| dort? | |
| Günter Nooke: Ich bin mir völlig bewusst, dass solche Großprojekte in | |
| Afrika schwierig sind und in der Demokratischen Republik Kongo erst recht. | |
| Andererseits spricht Minister Müller gern vom Chancenkontinent und dass die | |
| deutsche Wirtschaft nach Afrika gehen soll. Da stellt sich die Frage, was | |
| das konkret bedeutet. | |
| Im Kongo und bei der Afrikanischen Union gibt es Bestrebungen, dass das | |
| Wasserkraftwerk Inga III gebaut werden soll, seit den 1990er Jahren. Aber | |
| es wird nicht gebaut, weil es nicht finanzierbar ist. Wichtig ist: Ich | |
| spreche von Inga III und der kostengünstigen Ausbaustufe von etwa 11 | |
| Gigawatt und davon ginge noch der Strom für die Industrie und Bevölkerung | |
| in der Demokratischen Republik Kongo ab; nicht von Grand Inga, das manche | |
| mit 44 GW Leistung angeben. | |
| Wie kamen Sie nun dazu, sich für dieses Projekt starkzumachen? | |
| Mein Aufhänger war, dass Anfang des Jahres im Konsortium zum Bau von Inga | |
| III neue Unsicherheiten auftraten. Die Rolle der Spanier und damit Europäer | |
| war unklar; die Chinesen haben angeboten, den Staudamm fast allein zu | |
| bauen. Kongos Präsident Tshisekedi war in den USA und General Electric hat | |
| nun auch Interesse. | |
| In diesem Zusammenhang habe ich gesagt, dass ich es nicht gut finde, dass | |
| Afrika zum Schlachtfeld der Interessenauseinandersetzungen zwischen den USA | |
| und China wird und die Europäer dabei nur zusehen. Wir in Deutschland und | |
| Europa haben ja eine Wasserstoffstrategie beschlossen, nur fehlen Ideen, | |
| wie das gehen soll. Da kommt man auf den Gedanken, wenn Inga III nicht auf | |
| kongolesische Schulden und später vielleicht sogar auf Kosten der deutschen | |
| Steuerzahler gebaut werden soll, dieses Projekt am Markt finanzierbar zu | |
| machen, indem man die Stromabnahme garantiert. | |
| Wir könnten das garantieren, indem wir den Strom vor Ort in einer | |
| Wasserstoffproduktionsanlage im Kongo zur Produktion von Grünem Wasserstoff | |
| nutzen. Das sollte man aus meiner Sicht prüfen. Alles, was ich gelesen | |
| habe, besagt, dass aus dem Wasserkraftwerk im Kongo weltweit mit der | |
| billigste grüne Strom käme. Nur wird so viel vor Ort derzeit nicht | |
| gebraucht. | |
| Wie kann man denn den Wasserstoff bis nach Deutschland transportieren? | |
| Natürlich sind das zusätzliche Kosten. Die Frage geht an uns: Ist es ein | |
| profitables Projekt, weil der Wasserstoff zu einem kalkulierbaren | |
| Mindestpreis in Deutschland abgenommen wird? Für unsere nationale | |
| Wasserstoffstrategie gibt es von der Regierung 9 Milliarden Euro, davon | |
| sind 2 Milliarden für internationale Projektentwicklungen angesetzt. Davon | |
| kann man auch eine Machbarkeitsstudie finanzieren für den Kongo und nicht | |
| in nur Saudi-Arabien oder Chile. | |
| Das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat schon eine | |
| Ausschreibung vorbereitet für ein Power2X-Projekt in Marokko, aber da geht | |
| es nur um gut 100 Megawatt. Das ist um den Faktor 100 kleiner. | |
| Wie weit ist diese Idee ausgereift? | |
| Es gibt ein seit langem bestehendes Interesse der Turbinenbauer. Und es | |
| gibt deutsche Firmen, die dieses Projekt äußerst interessant finden, wenn | |
| die Rahmenbedingungen stimmen. Es braucht kein öffentliches Geld für die | |
| Investition, aber Sicherheitsgarantien. Die frühere Idee, eine Stromleitung | |
| bis nach Südafrika zu ziehen, war nicht sehr intelligent und ist heute auf | |
| Grund des Wirtschaftseinbruchs in Südafrikas und wegen enormer | |
| Leitungskosten völlig irrelevant hinsichtlich der Finanzierungssicherheit. | |
| Warum nehmen sich nicht Europäer und Afrikaner gegenseitig in die Pflicht | |
| und verbünden sich in der globalen Energiewirtschaft des 21. Jahrhunderts? | |
| Der Strom von Inga III – also diese 11 Gigawatt – reicht gerade für den | |
| Wasserstoff aus, den nur die deutsche Stahlindustrie braucht. | |
| Wird dann Afrika nicht einfach wieder nur zum Rohstofflieferanten | |
| degradiert? | |
| Der kongolesische Staat profitiert doch davon, sei es durch Einnahmen durch | |
| den Stromverkauf oder durch günstigen Strom für die heimische Bevölkerung | |
| und Bergbauindustrie. Man hätte nicht das Problem, dass das Projekt mit | |
| Schulden finanziert werden muss, sondern man hätte endlich mal eine | |
| Win-win-Situation. Wasserstoff für Europa in Afrika zu produzieren ist | |
| beste Afrikapolitik und moderne Industrialisierung des Kontinents. Für | |
| solch einen Weg zur CO2-Freiheit demonstrieren doch sogar die jungen Leute | |
| um Greta Thunberg freitags auf den Straßen. | |
| 12 Oct 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schlindwein | |
| ## TAGS | |
| Günter Nooke | |
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| Deutscher Kolonialismus | |
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