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# taz.de -- Anschlag auf das Oktoberfest: Entschädigung 40 Jahre danach
> Jahrzehnte nach dem Oktoberfestattentat sollen die Opfer doch noch
> entschädigt werden: mit 1,2 Millionen Euro. Ein Opferanwalt hält das für
> zu wenig.
Bild: Oktoberfestattentat München 1980 – Leichen werden in Särgen abtranspo…
Berlin/München taz | Die Bombe detonierte am 26. September 1980 um 22.19
Uhr am Eingang des Münchner Oktoberfestes. Sie tötete 13 Menschen, darunter
den rechtsextremen Attentäter Gundolf Köhler, und verletzte weitere 211. Es
ist der bis heute schwerste rechtsterroristische Anschlag der
Bundesrepublik. Und viele Opfer leiden weiter unter der Tat. Nun werden sie
entschädigt.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht verkündete am Mittwoch, dass die
Betroffenen – 40 Jahre nach dem Anschlag – „Unterstützungsleistungen“ …
Höhe von insgesamt 1,2 Millionen Euro erhalten sollen. Das Attentat bleibe
„ein tiefer Einschnitt in der Nachkriegsgeschichte“, zu dem bis heute
Verletzungen nachwirkten, sagte die SPD-Politikerin. Mit der Entschädigung
wolle man „ein spätes, aber dennoch wichtiges Zeichen der Solidarität mit
den Betroffenenen dieses verheerenden Anschlags setzen“. Der Staat müsse
„stärker für die Betroffenen von Rechtsextremismus, Rassismus und
Menschenhass da sein“.
Den Fonds sollen zu je 500.000 Euro der Bund und der Freistaat Bayern
finanzieren, dazu kommen 200.000 Euro von der Stadt München. Die
Bundesregierung hatte den Posten am Mittwoch in ihrem Entwurf für den
Bundeshaushalt 2021 abgesegnet. Das bayrische Kabinett hatte seinen Teil
schon am Dienstag beschlossen. In München steht noch ein Beschluss des
Stadtrats aus.
Auch Bayerns Sozialministerin Carolina Trautner (CSU) nannte den Fonds ein
„Zeichen gegen Rechtsextremismus“. „Es ist unbeschreiblich, wie viel Leid
der Anschlag auf das Münchner Oktoberfest verursacht hat.“ Für Münchens
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kommt der gemeinsame Fonds zwar „viel
zu spät“, aber er zeige, „dass alle politischen Ebenen willens sind, den
Menschen dieses unfassbar grausamen rechtsterroristischen Anschlags die
Aufmerksamkeit und finanzielle Unterstützung zu geben, die sie längst
verdient haben“.
## Neubewertung des Anschlags
Die Entschädigung kommt zustande, weil die Bundesanwaltschaft im Juli eine
[1][Neubewertung des Anschlags] vornahm. Knapp sechs Jahre lang hatte die
Behörde die Ermittlungen noch einmal neu aufgerollt, nachdem zuvor die
Einzeltäterthese immer wieder angezweifelt wurde und sich neue Hinweise auf
Mittäter ergaben. Die Spurensuche blieb erfolglos – die Bundesanwaltschaft
stufte die Tat nun aber erstmals offiziell als rechtsextrem ein. Dafür
sprächen die Gesinnung des Attentäters und seine einschlägigen Kontakte
etwa zur rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann.
Die Opfer hatten zuvor lange um diese [2][Anerkennung als rechtsextreme
Tat] gekämpft. Schon kurz nach der Neueinstufung im Juli 2020 kündigte
Lambrechts Ministerium eine Entschädigung durch den Bund an. Nun, kurz vor
dem 40. Jahrestag des Attentats, wird dies eingelöst. Der Bund, Bayern und
die Stadt München hatten indes bis zuletzt gerungen, wie der Fonds aussehen
und wie er die Opfer erreichen soll. Reiter zeigte sich am Mittwoch mit der
Lösung zufrieden: Es sei der Anspruch Münchens, den Überlebenden „möglich…
unbürokratisch zu helfen“.
Der Freistaat hatte den Verletzten bereits kurz nach dem Anschlag 500.000
DM als eine Art Schmerzensgeld gezahlt. Die Stadt München brachte ab 1982
für die Opfer eine Million DM als Nothilfe auf, im Folgejahr nocheinmal
200.000 DM, eingesammelt auch mit Spenden. Ab 2018 zahlte die Stadt weitere
100.000 Euro, um etwa Behandlungskosten von Betroffenen zu finanzieren, die
nicht von den Versorgungsämtern beglichen wurden. Als offizielle
Entschädigungen galten diese Zahlungen jedoch nicht.
## Opfer wurden „schäbig behandelt“
Der Münchner Anwalt Werner Dietrich, der 16 Opfer des Anschlags vertritt,
hatte eine Entschädigung auch durch den Bund seit Langem eingefordert. Nach
seiner Auskunft hätten etliche Betroffene das erste Schmerzensgeld von 1980
nie erhalten. Zu dem jetzigen Fonds äußerte sich Dietrich ambivalent. „Es
ist ein Erfolg und großer Fortschritt, dass nun endlich die lange
Leidensgeschichten der Betroffenen anerkannt werden“, sagte er der taz.
Einige der Opfer seien von den Behörden in der Vergangenheit „ziemlich
schäbig behandelt“ worden. Entscheidend sei nun eine „schnelle und
unbürokratische“ Auszahlung.
Gleichzeitig hält Dietrich die Summe von 1,2 Millionen Euro für zu gering.
Der Anwalt geht von noch knapp 100 lebenden Opfern des Anschlags aus, denen
nach seiner Vorstellung je nach Schwere der Verletzung 30.000 bis 100.000
Euro gezahlt werden sollten. Dafür würden die 1,2 Millionen Euro längst
nicht reichen. Sinnvoller wäre daher eine „atmende Obergrenze“ für die
Entschädigung gewesen, so Dietrich.
An die Opfern des Anschlags soll am Samstag in München mit einer
Gedenkfeier erinnert werden. Sprechen sollen dort neben Überlebenden auch
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bayerns Ministerpräsident
Markus Söder (CSU). Gleichzeitig soll ein neuer Dokumentationsort zu dem
Anschlag eröffnet werden.
23 Sep 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Konrad Litschko
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