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# taz.de -- Gedenken in Belarus: Hauch des Sieges
> Gibt es einen Unterschied zwischen den Ereignissen 1937 und 2020? Janka
> Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 30.
Bild: Protestmarsch in Kuropaty. Hier wurden 1937 Vertreter der belarussischen …
Es passierte während eines friedlichen Marsches in Minsk, den
Sicherheitskräfte gerade auflösten. Einer von ihnen richtete seine Waffe
auf einen jungen Mann. Der lief jedoch nicht weg, sondern knöpfte seine
Jacke auf und sagte: „Drück doch ab.“ Dann war ein Schuss in die Luft zu
hören. Was denken Sie, was tat der junge Mann? Er ging auf den
Uniformierten zu, der letztendlich seine Waffe herunter nahm.
Die Konfrontation zwischen Kritikern der [1][Ergebnisse der belarussischen
Präsidentenwahl] und Angehörigen der Sicherheitskräfte hat schon eine
merkwürdige Ebene erreicht, wo sich das Gute und das Böse gegenüberstehen.
Ich habe so ein Gefühl, dass wir Halloween nicht feiern, sondern so leben.
Jeden Tag gibt es Zusammenstöße mit Werwölfen und Zombies in Uniform.
Die Nacht vom 29. auf den 30. Oktober 1937 ist ein schwarzes Datum in der
Geschichte von Belarus. In Kuropaty erschossen sowjetische Spezialeinheiten
mehr als 100 Vertreter der belarussischen Intelligenzija – Literaten,
Wissenschaftler, Staatsbedienstete. Dieses Verbrechen wurde erst in den
1990er Jahren öffentlich gemacht.
Und erst vor kurzen wurden dort archäologische Forschungen durchgeführt.
Dabei kam ein Denkmal zum Vorschein, das der Staatsmacht nicht gefällt. Wie
anders wäre der Wunsch zu erklären, dieses Denkmal möglichst unsichtbar zu
machen, wenn man auf der Autobahn daran vorbeifährt.
Oder wie ist der Bau eines Restaurant-Komplexes zu verstehen, der für
größere Feierlichkeiten mit Feuerwerk ausgelegt ist und der in
unmittelbarer Nähe zu dem Ort liegt, wo sich Gräber befinden?
Der [2][Protestmarsch], von dem am Anfang die Rede war, fand eben in jenem
Kuropaty statt. Und wie immer waren die Teilnehmer mit geschlossenen
U-Bahn-Stationen, militärischer Ausrüstung und brutalen Festnahmen samt
Schlägen konfrontiert. Doch sie gelangten an ihr Ziel. Tausend Menschen,
die auf Fotografien lächeln, die Journalisten verbreiteten. Und das alles,
bevor die Demonstranten geschlagen und festgenommen wurden.
Ein seltsamer Moment: Warum lachten und freuten sie sich? Doch dann wurde
klar: Das war genau richtig so. Endlich ist über den Kreuzen von Kuropaty
nicht länger Verzweiflung und Einsamkeit, sondern der Hauch eines Sieges zu
spüren.
Das passiert dank derer, die sich nach Kuropaty durchgeschlagen haben –
entlang einer gut geplanten Route, durch Absperrungen und zwischen Kugeln
hindurch. Dank derer, die über Felder und nasses Gras dorthin gelangt sind,
um nach Kuropaty echte Hoffnung auf ein ewiges Erinnern zu tragen.
Diejenigen, die unter der Erde liegen, kennen diese siegreiche Hoffnung
sehr gut, sie sehnen sich nach ihr. Sie haben auf den heutigen Tag
gewartet. Physis und Psychologie der Gemeinschaft sind vollkommen anders.
In ihnen wird die Stimme der Straße und des Volkes sichtbar. Die
belarussische Straße heute – das sind die absolute Wahrheit und das
absolute Maß. Und der Glaube daran, dass das Gute obsiegt.
Aus dem Russischen Barbara Oertel
7 Nov 2020
## LINKS
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[2] /ce--/!5714981
## AUTOREN
Janka Belarus
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Protest
Minsk
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Schwerpunkt Krisenherd Belarus
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