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# taz.de -- taz-Übernahme durch Klima-Aktivist*innen: Anfang oder Ende
> Die Klimabewegung hat viel geschafft, politische Erfolge sind aber
> ausgeblieben. Aktivist*innnen übernehmen die taz und sagen: Es braucht
> mehr Radikalität.
Bild: In der Klimakrise steht alles auf dem Spiel – nicht nur fürs Klima, f�…
Die Klimakrise [1][ist längst zur Realität geworden] und bedroht auch
Menschenleben. Trotzdem ist unsere Gesellschaft immer noch nicht bereit,
den Fakten ins Auge zu blicken. Das wurde wieder einmal besonders deutlich,
als Wirtschaftsminister Peter Altmaier Anfang September seine „Klimacharta“
ankündigte, mit der er Deutschland bis 2050 klimaneutral machen will.
Altmaier wurde dafür viel gelobt, sein Vorschlag „historisch“ und
„Klimakehrtwende“ genannt, manche warnten sogar davor, das Programm sei zu
radikal.
Was in der öffentlichen Debatte dagegen systematisch ausgeblendet wurde,
obwohl es bekannt sein sollte: Die Klimakrise ist inzwischen so dringlich
und fortgeschritten, dass die Ziele dieser „Klimacharta“ immer noch völlig
unzureichend sind.
Denn die Realität hat längst die schlimmsten Befürchtungen übertroffen,
sodass selbst wissenschaftliche Worst-Case-Szenarien nach oben korrigiert
werden müssen. Das gilt vor allem bei den Kipppunkten im Klimasystem, deren
Effekte in den Prognosen des Weltklimarats IPCC lange gar nicht erst
mitgerechnet wurden. Heute weiß man, dass der Permafrostboden bereits
begonnen hat zu tauen – und damit Milliarden von Tonnen CO2 freiwerden, die
wiederum weitere Kipppunkte aktivieren und damit die Erde um mehrere Grad
erwärmen werden. Unter solchen Umständen wäre das Überleben der Menschheit
völlig ausgeschlossen.
Wir sitzen also auf einer tickenden Zeitbombe und müssen so schnell wie
möglich handeln. Angesichts dessen ist das Ziel, bis 2050
Emissionsneutralität zu erreichen, völlig unsinnig. Ist man realistischer,
dann gibt es nur zwei Optionen: sofortige Klimakehrtwende oder Untergang.
Regierungen weltweit beweisen regelmäßig, dass sie darauf keine Antworten
liefern werden, Altmaiers „Klimacharta“ ist dabei nur eine weitere
Bestätigung. Während wir auf eine Wand zufahren, geben diejenigen, die uns
davor schützen sollten, noch extra Gas. Wenn aber Machthabende nicht einmal
das fundamentalste aller Rechte – das Recht auf Leben – garantieren können,
bedeutet das nicht die größte denkbare Legitimationskrise? Macht das
aktiven Widerstand nicht unausweichlich?
Genau diesen Widerstand versucht die Klimabewegung zu organisieren. Sie hat
in den letzten Jahren wichtige Arbeit geleistet, hat aufgeklärt, diskutiert
und gekämpft – und damit die Klimakrise auf die politische Tagesordnung
gerückt. Realpolitische Erfolge aber gab es bis jetzt nicht zu verbuchen.
Wir müssen also [2][Wege finden, wirksamer zu werden], und das schnell.
Denn wir handeln unter massivem Zeitdruck. Was bis jetzt geschehen ist, war
entweder nur der Anfang des Widerstandes oder aber es war der Anfang vom
Ende.
Aus der Bewegungsforschung weiß man, dass gut organisierte 3 bis 5 Prozent
der Bevölkerung ausreichen, um einen gesellschaftlichen Wandel zu
erreichen. Zwar sprechen sich in aktuellen Umfragen 97 Prozent der Menschen
für eine schnellere Energiewende aus, doch was bringt eine solche passive
Zustimmung? Wenn nur ein Bruchteil dieser Mehrheit selber aktiv wird, würde
„Klimagerechtigkeit“ nicht mehr so sehr nach naiver Utopie klingen.
Außerdem müssen wir hinterfragen, ob bisherige Protestformen tatsächlich
den viel zitierten [3][„politischen Druck]“ ausgeübt haben. Wenn selbst das
lächerliche Klimapäckchen und der katastrophale Kohlekompromiss nach den
und trotz der größten Demonstrationen in der deutschen Gesichte
verabschiedet wurden, dann sind die Demos wohl zu leicht zu ignorieren
gewesen. Statt weiterhin die eigene Meinung auf der Straße nur symbolisch
kundzutun, in der Hoffnung, dass dann eine Wählerwanderung stattfindet,
müssen wir andere Hebel finden, die Entscheidungsträger*innen direkter
erreichen.
Nach dem Konzept Schulstreik sind andere Formen der Bestreikung längst
überfällig. Da die Klimakrise keinen Teil der Gesellschaft unberührt lässt,
ist auch ein Generalstreik eine Idee, die wenigstens ernsthaft diskutiert
werden sollte.
Für all das ist es unabdingbar, einen anderen Maßstab für Radikalität zu
entwickeln. Zwar ist dieses Wort immer noch negativ besetzt – ursprünglich
aber bezeichnete es nichts anderes, als ein Problem an der Wurzel zu
packen. Wenn alles auf dem Spiel steht, dann ist radikal einfach nur
vernünftig.
Gerade die Coronakrise hat gezeigt, dass die große Mehrheit bereit ist,
„radikal“ zu sein, um Menschenleben zu schützen – vorausgesetzt, die Gef…
wird ernst genug genommen.
Und damit das auch in Bezug auf die Klimakrise endlich geschieht, dafür
tragen unter anderem die Medien enorme Verantwortung, der sie bis jetzt
leider oft noch nicht gerecht werden. Zu oft werden die entscheidenden
Fakten ignoriert (wie das Beispiel Altmaier zeigt) oder nur am Rande
erwähnt, relativiert oder dekontextualisiert. Zu selten wird [4][die
Klimakrise] auch als Systemkrise dargestellt, werden Möglichkeiten
aufgezeigt, aus dem bestehenden System auszubrechen. Dadurch wird die
kollektive Verdrängung weiter gefördert.
Um das zu ändern, schreiben wir als Klimaaktivist*innen am Donnerstag für
die taz. Wir wollen aufzeigen, wieso, wofür und womit die Bewegung kämpft,
und damit nur einen Anfang liefern, damit künftig jeder Tag [5][Klimatag]
ist.
24 Sep 2020
## LINKS
[1] /Vertreibung-durch-die-Klimakrise/!5711388
[2] /Strategien-gegen-Klimawandel/!5710058
[3] /Klima-Aktivistinnen-treffen-Merkel/!5708797
[4] /Waldbraende-in-Kalifornien/!5709664
[5] /Demokratie-und-Klimastreik/!5711635
## AUTOREN
Hannah Lübbert
## TAGS
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Aktivismus
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