# taz.de -- Neuer Lockdown in Israel: Alles dicht über die Feiertage | |
> Als erstes Land weltweit verhängt Israel zum zweiten Mal einen strikten | |
> Corona-Lockdown. Im Land stößt das auf Kritik – auch innerhalb der | |
> Regierung. | |
Bild: Hat den Lockdown verhängt und das Land verlassen: Ministerpräsident Net… | |
TEL AVIV taz | Als Benjamin Netanjahu sich am Sonntagabend auf den Weg nach | |
Washington macht, um [1][Normalisierungsabkommen mit den Vereinigten | |
Arabischen Emiraten] und Bahrain zu unterzeichnen, warten am Eingang zum | |
Ben-Gurion-Flughafen bereits Demonstrant*innen auf den israelischen | |
Ministerpräsidenten: „Anstatt im Land zu bleiben und die Krise zu | |
bewältigen, fliegt Netanjahu lieber, um unnötige Schlagzeilen zu machen“, | |
hieß es im [2][Aufruf] zu der Protestaktion. | |
Nachdem die Zahl der täglichen Neuinfektionen mit dem [3][Coronavirus] in | |
der vergangenen Woche gleich mehrfach die 4.000er-Marke geknackt hatte, hat | |
die israelische Regierung am Sonntag wenige Minuten vor Netanjahus Abreise | |
entschieden, erneut einen strengen Lockdown über das Land zu verhängen. Er | |
beginnt am kommenden Freitag um 14 Uhr – wenige Stunden vor Beginn des | |
jüdischen Neujahrsfestes Rosh HaShana – und endet voraussichtlich mit Ende | |
des Festes Simchat Tora drei Wochen später. | |
Israelis dürfen sich in dieser Zeit nur noch in einem 500-Meter-Radius rund | |
ums Haus frei bewegen, dürfen aber weiterhin zur Arbeit fahren. | |
Versammlungen in Innenräumen sind auf zehn Personen beschränkt; an der | |
freien Luft dürfen zwanzig Personen zusammenkommen. Die Schulen schließen | |
erneut und allein Unternehmen, die keinerlei Kund*innenverkehr haben, | |
dürfen geöffnet bleiben. Auch der Eintritt zu Synagogen und anderen | |
Gotteshäusern soll stark eingeschränkt oder ganz untersagt werden. | |
Die Maßnahmen sind höchst umstritten, wird doch Netanjahus Coronapolitik | |
von vielen als Grund für den Anstieg der Neuinfektionen gesehen. | |
Dementsprechend hagelt es aus der Opposition nun Kritik: Oppositionsführer | |
Yair Lapid von der Partei Yesh Atid sagte: „Netanjahu kann einfach nicht | |
zugeben, dass er versagt hat, und sich bei der israelischen Öffentlichkeit | |
entschuldigen.“ | |
Der Vorsitzende der ultraorthodoxen Partei Vereinigtes Tora-Judentum, | |
Yaakov Litzman, war bereits am Sonntagmittag aus Protest gegen den | |
geplanten Lockdown von seinem Posten als Wohnungsbauminister | |
zurückgetreten. | |
## Ultraorthodoxe fühlen sich diskriminiert | |
Viele der ultraorthodoxen Juden und Jüdinnen in Israel fühlen sich in der | |
Coronakrise diskriminiert. Ultraorthodox geprägte Städte und Stadtteile | |
gehören nach wie vor zu den Hotspots des Virus. Dennoch haben viele | |
Strenggläubige das Gefühl, dass für Synagogen härtere Auflagen gelten als | |
beispielsweise für die Protestbewegung gegen Netanjahu. Seit Monaten gehen | |
Demonstrierende gegen die Coronapolitik der Regierung sowie gegen den wegen | |
Korruption angeklagten Ministerpräsidenten auf die Straße und fordern | |
Netanjahus Rücktritt. | |
Vertreter*innen der Protestbewegung kündigten am Sonntag an, dass sie ihre | |
regelmäßigen Demonstrationen vor Netanjahus Amtssitz in Jerusalem nicht | |
einstellen werden – auch nicht, wenn die Demonstrationen während des | |
Lockdowns verboten werden sollten. Bei den Protesten hat es laut der | |
Vorsitzenden des parlamentarischen Corona-Ausschusses, Yifat Shasha Biton, | |
bislang allerdings keine einzige Ansteckung gegeben. | |
Widerstand gegen den neuen Lockdown kommt auch von Restaurantbesitzer*innen | |
und Geschäftsinhaber*innen. Vergangene Woche hatten einige von ihnen | |
angekündigt, ihre Geschäfte und Restaurants trotz Lockdowns zu öffnen, | |
sollte ihnen nicht im Voraus eine Entschädigung garantiert werden. „Die | |
Regierung wird auf starken Widerstand und Ungehorsam von Gastronomen und | |
Selbständigen stoßen, die um ihr Leben kämpfen“, sagte Tomer Mor, der | |
Vorsitzende der Initiative „Restaurantbetreiber sind stark zusammen“. | |
Der israelische Fernsehsender Channel 12 berichtete unter Berufung auf das | |
Finanzministerium, der durch den dreiwöchigen Lockdown verursachte | |
ökonomische Schaden werde sich auf umgerechnet mindestens 4 Milliarden Euro | |
belaufen. Israel ist bereits durch die strikten Maßnahmen während der | |
ersten Welle ökonomisch schwer angeschlagen. | |
## Corona in den palästinensischen Gebieten | |
Auch [4][im Gazastreifen] und im Westjordanland steigen derweil die | |
täglichen Neuinfektionen. Am Donnerstag wurde im Westjordanland erstmals | |
die 1.000er-Marke überstiegen. Ein Vorstoß der palästinensischen | |
Gesundheitsministerin Mai al-Kaila, einen erneuten Lockdown zu verhängen, | |
war zuvor von der Autonomiebehörde aus Angst vor Protesten abgewiesen | |
worden. | |
„Kein Mensch hält sich hier noch an die Regeln“, erzählt die Lehrerin Sam… | |
Hattab* am Telefon, die in Ramallah lebt und ihren Namen aus beruflichen | |
Gründen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Und es gibt so gut wie keine | |
Informationen darüber, was passiert. Nur die Zahlen werden veröffentlicht.“ | |
Im Gazastreifen wurden im September bislang durchschnittlich 112 | |
Neuinfektionen pro Tag gemeldet. Eine nächtliche Ausgangssperre, die Ende | |
August verhängt worden war, wurde am Samstag für einige Bezirke noch | |
ausgeweitet. | |
* Name geändert | |
14 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Israel-und-die-Emirate-naehern-sich-an/!5707271 | |
[2] https://m.facebook.com/events/s/%D7%A8%D7%90%D7%A9%D7%95%D7%9F-1400-%D7%90%… | |
[3] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746/ | |
[4] /Konflikt-zwischen-Israel-und-Hamas/!5708405 | |
## AUTOREN | |
Judith Poppe | |
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