Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- French Open im Tennis: Schreiende Schönheit
> Rafael Nadal ist wieder einmal der Favorit auf den Titel bei den Paris.
> In diesem merkwürdigen Tennisjahr könnte er zum Größten aller Zeiten
> werden.
Bild: Fokussiert: Rafael Nadal vor den French Open in Paris
Auch bei den French Open, die dieses Jahr vom 27. September bis zum 11.
Oktober stattfinden, wird einiges anders sein als sonst. Anders als bei den
kuriosen US Open, die erst vor zwei Wochen zu Ende gegangen sind, dürfen
allerdings immerhin ein paar Zuschauer die Tennisanlagen von Roland Garros
betreten. Allerdings weit weniger als ursprünglich geplant. Pro Tag sollen
nun nur noch mickrige 1.000 zugelassen sein. Die Stimmung auf den Rängen
nach spektakulären Ballwechseln dürfte also recht gedämpft ausfallen.
Ungewöhnlich ist auch das Datum, an dem das Turnier ausgetragen wird. Wegen
Corona wurde es vom sonst üblichen Frühsommer auf den Herbst verlegt.
Spekuliert wird nun eifrig, was all dies für den Verlauf des Turniers
bedeuten könnte. Und vor allem: ob es Faktoren gibt, die die Chancen für
[1][Rafael Nadal, den König von Roland Garros,] mindern könnten, hier
erneut den Titel zu holen. Beispielsweise wird es kälter sein als sonst bei
dem Turnier, darauf weisen die Experten hin. Dies bedinge, dass die Bälle
nicht ganz so hoch abspringen werden wie sonst. Und das Spiel von Nadal
lebt nun mal davon, dass seine extrem gespielten Topspinbälle auf der Seite
des Gegners aufschlagen wie Flummis.
Auch sonst wird mal wieder fleißig zusammengetragen, was gegen den großen
Spanier, den zweifellos besten Sandplatzspieler aller Zeiten, sprechen
könnte. Allein schon, um ein wenig die Spannung hochzuhalten. Anders als
seine beiden chancenreichsten Herausforderer, Dominic Thiem und Novak
Djoković, hat Nadal beispielsweise in den letzten Coronamonaten so gut wie
gar keine Matchpraxis gesammelt. Auf eine Teilnahme bei den US Open hat er
aufgrund der dortigen strengen Maßnahmen gegen das Virus auch verzichtet.
Und bei seinem einzigen Vorbereitungsturnier eben in Rom hat er prompt
bereits im Viertelfinale gegen den Argentiner Diego Schwartzman verloren,
den er bislang noch jedes Mal besiegt hatte. Außerdem: Nadal ist jetzt auch
schon 34. Da müsse er doch endlich mal etwas langsamer auf den Beinen
werden, ein Quäntchen weniger Power im linken Schlagarm haben. Es könne
doch einfach nicht bis in alle Ewigkeit so weitergehen mit dieser
unfassbaren Siegesserie bei den French Open.
## Das Mentalitätsmonster
Und trotzdem: Bei den Buchmachern ist Nadal wieder haushoher Favorit. Und
das liegt daran, dass Nadal auch bei diesen French Open immer noch Nadal
ist. Ein Mentalitätsmonster, das bis zum Schluss kämpft und keinen Ball,
auch nicht den aussichtslosesten verloren gibt. Und dass die French Open
auch in diesem Jahr immer noch die French Open sind und damit ein
Fünfsatzturnier auf Sand. Einen Satz kann ein Spitzenkontrahent auf diesem
Untergrund gegen Nadal an einem guten Tag schon mal gewinnen, an einem
außergewöhnlich guten aus Versehen auch mal zwei.
Doch drei Sätze haben seit Nadals erstem French-Open-Sieg 2005 erst zwei
Spieler überhaupt gegen den Spanier gewonnen. 2009 sensationell der Schwede
[2][Robin Söderling] und 2015 der derzeitige Weltanglistenerste [3][Novak
Djoković]. Jedes andere verdammte Match in den letzten 14 Jahren in Paris
hat Nadal für sich entschieden. Nicht weniger als 12 Titel hat er hier
geholt.
## Vorteil Nadal
Das ist natürlich längst ein gigantischer Rekord, wahrscheinlich für die
Ewigkeit, eine historische Marke. Nadal kann diesen nun ausbauen. Aber
nicht nur das. Er kann aufschließen zu Roger Federer, seinem ewigen
Kontrahenten und längst auch Freund. Der Schweizer hat es in seiner langen
Karriere bislang auf 20 Major-Titel gebracht, Nadal auf nur einen weniger.
Wegen einer Knieoperation tritt Federer erst gar nicht in Paris an. Ein
Sieg mehr für Nadal im Endspiel von Paris, und die beiden würden
gleichziehen. Dann gäbe es zwei Spieler, die sich GOAT nennen lassen
dürften, Greatest of All Time, also den besten Spieler aller Zeiten.
Die gesammelten Titel bei Major-Turnieren sind im Allgemeinen grundlegend
bei dieser nicht offiziellen Kür. Und was das angeht, war in der
Tennishistorie niemand erfolgreicher als die zwei. Auf dem dritten Platz
folgt dann auch schon Noval Djoković mit bislang 17 Major-Titeln. Im
direkten Vergleich zwischen Federer und Nadal freilich liegt der Spanier
vor dem 39-jährigen Tennis-Methusalem aus der Schweiz. Er hat in seiner
Karriere bislang öfters gegen diesen gewonnen als verloren. Nach dieser
Rechnung könnte Nadal in zwei Wochen die alleinige Nummer eins der
Tennisgeschichte sein.
Nadal hätte diese Art Ruhm nicht minder verdient als Federer. Der Schweizer
wird ja nicht nur aufgrund seiner Erfolge, sondern auch wegen seiner
Spielweise so geliebt. Der amerikanische Schrifsteller David Foster Wallace
sprach von „Federer-Momenten“, wenn der Mann aus Basel mal wieder einen
Ball in unnachahmlicher Eleganz aus der Bedrängnis heraus über das Netz
zaubert und der unholbar für den Gegner in irgendeiner Ecke auf seiner
Seite einschlägt.
Alles wirkt bei Federer immer so locker und schwerelos, während Nadals
Spiel wie härteste Arbeit aussieht. Das Stöhnen nach jedem Schlag, die
Grimassen, der ganze Schweiß. Doch Schönheit muss im Tennis nicht nur
bedeuten, einen unfassbaren Volley zu schlagen, als wäre das das Einfachste
auf der Welt, so wie Federer das beherrscht. Sie kann auch entstehen, wenn
jemand wie Nadal mal wieder einen Passierschlag rausholt, unerreichbar für
den Gegner am Netz und der passgenau auf der Linie landet.
Dabei kann Nadal längst auch mehr als nur passabel vollieren. Seine
Netzangriffe sehen nicht so spektakulär aus wie die von Federer, sind aber
meist erfolgreich. Auch er ist inzwischen ein ziemlich kompletter Spieler.
Und er wäre ein würdiger GOAT.
27 Sep 2020
## LINKS
[1] /Tennisprofi-Rafael-Nadal/!5624615
[2] /French-Open-2012/!5092393
[3] /Ausschluss-von-Tennisspieler-Djokovic/!5708219
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Tennis
Rafael Nadal
French Open
Tennis
Tennis
Tennis
Kolumne Press-Schlag
Tennis
Schwerpunkt Sport trotz Corona
Rafael Nadal
## ARTIKEL ZUM THEMA
Finale der French Open: Zauber des Spritzentennis
Rafael Nadal leidet unter einer schweren Fußverletzung. Seinen 14. Triumph
bei den French Open hat er auch Schmerzmitteln zu verdanken.
Viertelfinale der Australian Open: Frustrierende Pausen
Altmeister Rafael Nadal steht im Halbfinale von Melbourne. Einmal mehr
zeigt der Spanier, dass er nicht verlernt hat, wie ein Champion zu spielen.
Viertelfinale French Open im Tennis: Na, geht doch
Laura Siegemund zieht bei den French Open zum ersten Mal in ihrer Karriere
in das Viertelfinale eines Grand-Slam-Turniers ein. Mit 32 eine
Überraschung.
French Open in Paris: Das große Fremdfrieren
Beim Grand Slam in Paris ist es so kalt, dass manch Tennis-Star Angst hat
zu erfrieren. Auch den Fans wird beim Corona-Sport nicht warm ums Herz.
Ausschluss von Tennisspieler Djokovic: Schlag gegen sich selbst
Der Erste der Weltrangliste Novak Djokovic kegelt sich mit einem
Frustschlag bei den US Open selbst aus dem Turnier. Danach zeigt er große
Reue.
Tennis nach Corona: Folgenschwere Tour
Nach der Covid-19-Diagnose bei Novak Djokovic steigen Bedenken gegen eine
Austragung der US Open. Seine Turnierserie endete im Desaster.
Tennisprofi Rafael Nadal: Ozeanweite Einsamkeit
Über Roger Federer schreibt man blumige Essays, über Rafael Nadal hingegen
Symptomsammlungen. Er ist ein Mann der Rituale.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.