# taz.de -- French Open 2012: Nur noch ein Häufchen Elend | |
> Robin Söderling fehlt wegen einer mysteriösen Krankheit bei den French | |
> Open. Ob der 27-jährige Schwede jemals wieder spielen kann, weiß momentan | |
> keiner. | |
Bild: Da war alles noch in Ordnung: Robin Söderling bei den Swedish Open 2011.… | |
PARIS taz | Wenn die Pariser Grand-Slam-Festspiele in den letzten Jahren | |
auf die Zielgerade einbogen, war Robin Söderling, der kantige, kauzige | |
Schwede, fast schon als Stammgast im Schlussspurt dabei. 2009 sorgte der | |
eigenwillige Skandinavier für den vielleicht größten Favoritensturz seit | |
der Jahrhundertwende in Paris – im Achtelfinale räumte er damals | |
Abonnement-Champion Rafael Nadal aus dem Weg. | |
Das Endspiel in jener Saison verlor er gegen Roger Federer genau wie ein | |
Jahr später gegen Nadal, doch Söderling war eine feste Größe im prickelnden | |
Grand-Slam-Spiel, ein Mann, der sich als Giganten-Killer unter die Top Ten | |
katapultierte und zur Bedrohung selbst für die Fabelhaften Vier an der | |
Weltspitze wurde. | |
Und heute, hier und jetzt bei den French Open 2012? Es ist unglaublich, | |
aber wahr: Söderling, stets ein Kerl von einem Mann, ein nordischer Hüne | |
wie aus dem Bilderbuch, ist nur noch ein Häuflein Elend. Verschwunden von | |
den Tourneebühnen des Wanderzirkus, abgebremst von hundert auf null. | |
Seit er im letzten Jahr sein Heimturnier in Bastad gewann, hat Söderling | |
kein einziges Match mehr bestritten – erst wegen Pfeiffer’schen | |
Drüsenfiebers, dann wegen einer mysteriösen, unerklärlichen Krankheit, die | |
ihm nahezu alle körperliche Energie zu rauben scheint. | |
## Chronisches Erschöpfungssyndrom? | |
„Oft habe ich nicht mal die Kraft, aus dem Bett aufzustehen. Oder einfach | |
nur einen Spaziergang zu machen“, sagt Söderling, der im letzten Jahr erst | |
im French-Open-Viertelfinale vom späteren Champion Nadal gestoppt worden | |
war, „um ehrlich zu sein: Keiner weiß so recht, was mit mir los ist. Ich am | |
wenigsten.“ | |
Selbst die Ärzte tappen bislang völlig im Dunkeln, vermuten lediglich – | |
ohne Gewissheit – ein chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS). Jene | |
Krankheit, die einst die Karriere des Bundesliga-Profis Olaf Bodden | |
beendete und ihm später jeden Lebensmut raubte: „Ich bin hilflos in meinem | |
Körper eingesperrt und merke, wie ich langsam zugrunde gehe“, so Bodden, | |
„stehe ich mal zehn Minuten im Sonnenlicht, habe ich höllische Schmerzen.“ | |
Als Roger Federer dieser Tage auf das Drama um Söderling angesprochen | |
wurde, sagte er, es sei „schockierend zu sehen, wie jemand so von einer | |
Krankheit umgehauen werden kann“. Und der Eidgenosse erklärte: „Ich gebe | |
zu, dass mir das wirklich Angst macht.“ Federer war selbst schon einmal am | |
Pfeiffer’schen Drüsenfieber erkrankt, hatte sich von der Viruserkrankung | |
aber relativ schnell und nachhaltig erholt. | |
Kürzlich hat Söderling für seine globale Fangemeinde auf dem digitalen | |
Planeten auch ausnahmsweise mal eine gute Nachricht parat gehabt. Sie | |
betraf aber nicht seine Krankheit, sondern seine Familie – im September | |
erwartet seine langjährige Freundin Jenny Moström das erste gemeinsame | |
Baby. | |
## Kränkelnder Riese auf Platz 67 | |
Er freue sich „riesig“, meldete Söderling über die sozialen Netzwerke und | |
teilte dann mit, die Aufregung der werdenden Eltern sei „enorm“. Doch wie | |
gespalten seine Gefühlswelt gerade ist, sagte er bei jener Gelegenheit | |
auch: „Meine Ärzte haben keine Ahnung, wann ich wieder Tennis spielen kann. | |
Ob in einem Monat, ob in einem Jahr.“ | |
Er verkniff sich noch, jenen Gedanken auszusprechen, den er sicher schon | |
Hunderte oder Tausende Male gewälzt hat: Ist diese Krankheit, dieser | |
Zustand der dauernden Erschöpfung, das Ende einer Karriere, die gerade erst | |
so richtig Fahrt aufgenommen hatte? | |
Die Weltrangliste der Spielergewerkschaft führt Söderling, noch vor einem | |
Jahr einer der gefeierten Leistungsträger der Branche, ungerührt und so, | |
als sei überhaupt nichts geschehen, auf Platz 67. Doch an eine baldige | |
Rückkehr, an ein grandioses Comeback und Großtaten wie noch 2009 und 2010 | |
in Paris ist für den kränkelnden Riesen gar nicht zu denken. | |
Versucht Robin Söderling einmal etwas mehr zu unternehmen als ein kleines | |
körperliches Ertüchtigungsprogramm und zieht das ohnehin bescheidene | |
Training an, folgen sofort die Rückschläge: „Harte Übungseinheiten sind | |
nicht drin“, sagt der ratlose Schwede, „die würden mich total fertig | |
machen. Das Frustrierende ist, wie langsam sich überhaupt nur die kleinsten | |
Fortschritte einstellen.“ | |
## „Sehr weit weg“ | |
Inzwischen habe er sogar richtige Angst, „sich etwas auf dem Trainingsplatz | |
zu trauen“, so Söderling, „es ist die Angst vor den Konsequenzen, vor | |
Schmerzen, Müdigkeit“. Weit, „sehr weit weg“ von seinem normalen | |
Tennisleben sei er, sagt der Mann, der sich binnen kürzester Zeit in die | |
Champions League seines Sports vorgespielt hatte. | |
Vor zwölf Monaten noch gab Söderling, ein Mann in der Leichtigkeit des | |
selbstbewussten Seins, entspannt zu Protokoll: „Ich bin kein Zufallsprodukt | |
mehr da vorn. Ich gehöre zu den Besten.“ Nun aber könnte seine Karriere | |
schon vorüber sein, genauso wie der letzte, flüchtige Tennisboom in seinem | |
Heimatland. | |
4 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Jörg Allmeroth | |
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