# taz.de -- Novak Djokovic bei den French Open: Die Houdini-Nummer | |
> Bei den French Open zeigt der Tennis-Weltranglisten-Erste Novak Djokovic | |
> wieder einmal seine mentale Stärke. Nun wartet im Halbfinale Roger | |
> Federer auf ihn. | |
Bild: Macht sich extralang: der Djoker. | |
PARIS taz | Als Novak Djokovic am späten Dienstagabend im Pressesaal des | |
Stade Roland Garros saß und in die Runde der Berichterstatter schaute, da | |
hatte er die Augen noch immer weit aufgerissen. So wie vorher auf dem | |
Centre Court, in den Szenen eines mitreißenden French-Open-Dramas gegen den | |
Franzosen Jo-Wilfried Tsonga. | |
Es war ein magischer Blick, ein Blick, der zwischen Schock und Staunen | |
schwankte. Der Blick eines Mannes, der an diesem Abend in einer schon | |
großen Karriere einen seiner großartigsten, unwahrscheinlichsten Siege | |
gefeiert hatte – auch ohne besiegelten Pokaltriumph. | |
Triumphiert hatte auf der größten French-Open-Bühne der Eiserne Djoker, der | |
Entfesselungskünstler, den selbst vier Matchbälle seines feurigen Rivalen | |
Tsonga vorerst nicht von seiner historischen Mission abbringen konnten – | |
dem erstmaligen Gewinn von vier Grand-Slam-Turnieren hintereinander in der | |
modernen Geschichte dieses Sports. | |
Wie er sich im Viertelfinale wieder und wieder als Einzelkämpfer | |
behauptete, der schmächtige, sehnige Weltranglistenerste, wie er trotzige | |
Widerstandskraft entwickelte, als er geschlagen schien, und wie er die | |
steinharten Punchs von Jo-Wilfried Tsonga im verblassenden Licht dieses | |
Tages wegsteckte – das hatte große Klasse, das hatte Stil. Und zeigte an, | |
welche Substanz und welches Format im Frontmann des Wanderzirkus steckt. | |
## „Keine rationale Erklärung“ | |
„Es gibt keine vernünftige, rationale Erklärung für solche Siege“, sagte | |
Djokovic nach seinem magischen 6:1, 5:7, 5:7, 7:6 (8:6), 6:2-Erfolg, mit | |
dem er nun im 25. Grand-Slam-Spiel hintereinander ungeschlagen blieb, „du | |
musst einfach nur versuchen, immer stark im Kopf zu bleiben. Und nicht | |
zurückzucken, wenn es hart und brenzlig wird.“ | |
Nun wartete am Freitag im Gigantenduell Roger Federer auf Djokovic, also | |
jener Mann, der den Serben vor genau einem Jahr als letzter Rivale bei | |
einem der vier kostbaren Major-Wettbewerbe in die Knie gezwungen hatte – es | |
war damals Djokovic’ erste Niederlage überhaupt in der bärenstarken Saison | |
2011 gewesen. | |
Verläuft der Showdown nach dem Drehbuch der letzten Federer- und | |
Djokovic-Matches in Paris, dann dürfen sich 15.000 Fans in der | |
Chatrier-Arena auf ein Spektakel freuen. Djokovic hatte bereits vor der | |
Houdini-Nummer gegen Tsonga das Achtelfinal-Match gegen den kantigen | |
Südtiroler Andreas Seppi nach 0:2-Satzrückstand umgebogen, Federer musste | |
sich im Achtelfinale des couragierten belgischen Milchbubis David Goffin | |
erwehren, ehe er auch den argentinischen Hünen Juan Martin del Potro nach | |
0:2-Satzdefizit aus dem Turnier katapultierte. | |
## Ekstatische Schreie | |
„Ich bin sicher: Es wird dramatisch – und hochspannend“, sagte Djokovic, | |
der bei den Rutschpartien im regnerischen Paris bisher der ungekrönte | |
Dramenkönig war. Welche Nervenanspannung von ihm abfiel nach dem | |
250-minütigen Tsonga-Thriller, zeigte die Szene, als er seinen Körper wie | |
ein Weltklasseturner weit nach hinten krümmte, die Fäuste auf die Brust | |
trommelte und dann ekstatische Schreie in den Himmel ausstieß: „Es war | |
einer meiner besten Siege. Verrückt – und fast nicht zu glauben“, sagte er | |
hinterher, „das war filmreif.“ | |
In Topmatches holt Djokovic den Hammer raus. Bei den Australian Open | |
rackerte er in den beiden letzten Matches seiner Titelkampagne – gegen Andy | |
Murray und Rafael Nadal – sage und schreibe elf Stunden lang auf dem Centre | |
Court. Nie zuvor hatte ein Tennis-Matador ähnliche Anstrengungen | |
unternehmen und, wie Djokovic, auch noch diverse Rückstände aufholen | |
müssen. Gegen Nadal, den ultimativen Wettkämpfer, siegte er nach | |
2:4-Defizit im letzten Satz noch 7:5, im längsten Grand-Slam-Finale aller | |
Zeiten über knapp sechs Stunden. | |
Siege wie gegen Tsonga wachsen auf dem Boden dieser Siege, im Wissen, auch | |
in schier aussichtsloser Situation noch Lösungen für ein Happy-End zu | |
finden. Tsonga staunte: „Wie konnte ich dieses Spiel nur verlieren? Das war | |
verrückt, was Djokovic da gemacht hat.“ | |
8 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Jörg Allmeroth | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Federer holt siebten Wimbledon-Titel: Die Rückkehr ins gelobte Land | |
Roger Federer zeigt bei seinem Sieg in Wimbledon, dass er noch | |
Grand-Slam-Titel holen kann. Andy Murray eroberte neues Terrain – trotz | |
Niederlage. | |
Ivanisevic über Wimbeldon: „Heute traut sich keiner mehr ans Netz“ | |
Goran Ivanisevic, Wimbledon-Sieger von 2001, über frühere Macken, das Spiel | |
von heute und das prestigeträchtigste Tennisturnier der Welt. | |
Tommy Haas gewinnt Tennisturnier in Halle: Der zwölfte Frühling mit 34 | |
Tennisprofi Tommy Haas holt beim Rasenturnier in Halle/Westfalen seinen | |
ersten Titel seit 2009. Im Finale schlägt er den Favoriten Roger Federer | |
und beendet eine schwarze deutsche Serie. | |
French Open 2012: Nur noch ein Häufchen Elend | |
Robin Söderling fehlt wegen einer mysteriösen Krankheit bei den French | |
Open. Ob der 27-jährige Schwede jemals wieder spielen kann, weiß momentan | |
keiner. | |
Tennisturnier French Open: Kontrolliert und ziemlich stolz | |
Angelique Kerber zieht ins Viertelfinal-Einzug bei den French Open. Sie | |
freut sich, dass sie den gestiegenen Erwartungen standhält. Egal, bei | |
welchem Wetter. | |
Neuer US-Open-Champion: Vom Kasper zum König | |
Der runderneuerte Novak Djokovic krönt mit dem US-Open-Sieg eine einmalige | |
Saison. Einst belächelt, jetzt bewundert, scheint ihn nichts aufhalten zu | |
können. | |
Novak Djokovic gewinnt die Australian Open: Wunschlos glücklich | |
Novak Djokovic gewinnt das Finale klar in drei Sätzen gegen Andy Murray. | |
Mit den zwei besten Tennisspielern der Welt will er sich aber noch nicht | |
vergleichen. |