# taz.de -- Novak Djokovic gewinnt die Australian Open: Wunschlos glücklich | |
> Novak Djokovic gewinnt das Finale klar in drei Sätzen gegen Andy Murray. | |
> Mit den zwei besten Tennisspielern der Welt will er sich aber noch nicht | |
> vergleichen. | |
Bild: Spiel. Satz. Sieg. Novak Djokovic jubelt. | |
MELBOURNE taz | Mit dem schweren Pokal in der Hand stand er auf der | |
Plattform des Fernsehsenders Channel 7 und sah mit leuchtenden Augen, wie | |
hunderte serbische Fans seinen Sieg feierten. Er winkte ihnen zu und sah so | |
aus, als sei er wunschlos glücklich in dieser seidenweichen Sommernacht. | |
Bewegt vom klaren Sieg im Finale der Australian Open gegen Andy Murray | |
(6:4, 6:2, 6:3), schwelgte Novak Djokovic im großen Gefühl, vielleicht noch | |
mehr als beim ersten Mal vor drei Jahren an gleicher Stelle. | |
Nach dem eindrucksvollen Auftritt beim Sieg gegen Roger Federer hatten sich | |
die Experten nahezu unisono auf die Einschätzung festgelegt, Djokovic sei | |
der Favorit auf den Gewinn des Titels. "Ich kann mir nur schwer vorstellen, | |
dass er es nicht schafft", meinte der Lieblingsspieler aller Australier, | |
Pat Rafter, als einer von vielen. | |
Dass es tatsächlich so kam, lag zum einen an der herausragenden | |
Spielqualität beim Favoriten, aber auch an Murrays unverständlicher | |
Zurückhaltung. So wie zu Beginn der Partie gegen David Ferrer im Halbfinale | |
stand der Schotte meist einen Meter hinter der Grundlinie, und erst als das | |
Spiel schon fast verloren war, wagte er öfter einen Schritt nach vorn. Den | |
Beobachtern von der Insel schwante spätestens nach dem Ende des zweiten | |
Satzes, dass es noch ein Weilchen weitergehen wird mit der inzwischen 75 | |
Jahre währenden Wartezeit auf einen britischen Titel bei einem | |
Grand-Slam-Turnier. | |
"Ich bin sicher, dass ich mit allem besser klarkommen werde als in der | |
Vergangenheit", hatte er vor dem Spiel gesagt – aber es war im dritten | |
Versuch nicht besser als in den ersten beiden, und zum dritten Mal gewann | |
er nicht einen Satz. Aber vielleicht sollte Murray sich die Namen | |
derjenigen, die die ersten drei großen Endspiele ihrer Karriere verloren | |
hatten, auf einen Zettel schreiben: Andre Agassi, Ivan Lendl und Goran | |
Ivanisevic; aus allen wurde bekanntlich später noch was. | |
Dem zweiten Grand-Slam-Finale in mehr als fünf Jahren ohne Rafael Nadal | |
oder Roger Federer fehlte es an Glanz und ganz großen Momenten. Begleitet | |
vom Geschrei der zwei Dutzend Möwen, die sich auf dem Gestänge des Daches | |
versammelten, gab es genügend Gelegenheiten, sich mit ein wenig Sehnsucht | |
an die emotionalen Spiele der beiden zu erinnern. | |
Djokovic konnte freilich nichts dafür. Am heißesten Tag des Turniers mit | |
einem Höchstwert von fast 38 Grad, gemessen anderthalb Stunden vor dem | |
Beginn des Spiels, zeigte er, dass er die Lektionen aus den drei Jahren | |
seit seinem ersten Sieg in Melbourne gelernt hat. | |
Es ist nicht ganz auszuschließen, dass er damals nach seinem Sieg im | |
Halbfinale gegen Federer und dem Gewinn des Titels gegen Jo-Wilfried Tsonga | |
dachte, er sei so weit, Nadal und Federer auf Dauer herauszufordern. Bis er | |
wieder ein Endspiel eines Grand-Slam-Turniers erreichte, vergingen | |
zweieinhalb Jahre, in denen er erfuhr, wie kompliziert es ist, eine | |
Position zu verteidigen. Außerdem, so sagte er der Melbourner Tageszeitung | |
The Age vor Beginn des Turniers, habe er in seinem Privatleben ein paar | |
Gefühle nicht so im Griff gehabt wie in den Jahren zuvor. "Aber jetzt bin | |
ich wieder ich selbst. Ich liebe es, auf dem Platz das Beste zu zeigen, | |
aber ich will auch alles andere genießen, was das Leben mit sich bringt." | |
Es spricht einiges dafür, dass die beiden abgewehrten Matchbälle im | |
Halbfinale der US Open gegen Roger Federer vor knapp einem halben Jahr die | |
fehlende Verbindung schufen. Den größten Schwung nahm Djokovic allerdings | |
aus dem Davis-Cup-Finale Anfang Dezember in Belgrad mit. Der Sieg mit | |
seinem Team vor 15.000 enthusiastischen Serben wirkte wie ein Raketenstart | |
zu Wolke sieben; die rauschende Feier da oben dauerte zwei Tage und zwei | |
Nächte. | |
Danach fehlte ihm zwar Zeit zur Vorbereitung auf die neue Saison, aber die | |
Emotion war so stark, dass sie ihn zum zweiten Titel in Melbourne trug. | |
Aber trotz der Höhenluft sieht es so aus, als sei er bereit, mit den Füßen | |
am Boden zu bleiben. Ob er sich nach den Siegen gegen Federer in New York | |
und Melbourne nun als erster Herausforderer für Nadal fühle, wurde er eine | |
halbe Stunde nach dem Spiel gefragt. Seine Antwort: "Ich werde jetzt nicht | |
zu den Sternen fliegen und sagen, dass ich der Beste bin. Mit den Erfolgen | |
von Rafa und Roger kann ich meine noch lange nicht vergleichen." Die | |
Reihenfolge bleibt bis auf weiteres bestehen, aber wenn nicht alles | |
täuscht, dann hat der Club der Besten Zuwachs bekommen. | |
30 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Doris Henkel | |
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