# taz.de -- Berichtspflicht in Berliner Gefängnissen: Gewappnet sein | |
> Demokratiefeindliche Tendenzen von Strafvollzugsmitarbeitern müssen | |
> fortan gemeldet werden. Justizsenator weist Kritik an der Maßnahme zurück | |
Bild: Justizsenator Dirk Behrendt, hier bei einer Plenarsitzung im August 2020 … | |
Als erstes Bundesland hat Berlin eine Berichtspflicht für | |
demokratiefeindliche Tendenzen von Bediensteten des Strafvollzugs | |
eingeführt. Im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses verteidigte | |
Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) die Anordnung am Mittwoch. Mitnichten | |
werde damit ein Spitzelsystem installiert und ein Denunziantentum wie in | |
der DDR gefördert, betonte Behrendt. Er reagierte damit auf Vorwürfe, die | |
in den letzten Tagen in Medien unter Berufung auf nicht namentlich genannte | |
Anstaltsmitarbeiter und den Berliner Landesverband des Bundes der | |
Strafvollzugsbediensteten Deutschland erhoben worden waren. | |
Die Anordnung ist seit dem 1. September in Kraft. Behrendt zufolge handelt | |
es sich um eine „erweiterte Berichtspflicht“, die unabhängig vom | |
Schweregrad der verfassungsfeindlichen Aktion ist. Das heißt, auch | |
Vorfälle, die nicht die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zur Folge | |
haben, müssen von den Justizbediensteten fortan gemeldet werden. Das gilt | |
auch für Vorfälle, die keiner konkreten Person zugeordnet werden können. | |
Also auch wenn verfassungsfeindliche Symbole an Wänden oder Spinden im | |
Knast entdeckt werden, ist das zu melden. | |
Im Rechtsausschuss berichtete der Justizsenator von einem Vorfall, der sich | |
im Juli 2019 in der Jugendstrafanstalt ereignet hatte: Ein Mitarbeiter habe | |
auf seinem Schreibtisch ein Foto gefunden. Ein Tierpfleger mit einem Affen | |
auf dem Arm sei darauf abgebildet gewesen. „Der Mitarbeiter ist Schwarz“, | |
sagte Behrendt. „Der Kollege war schwer erschüttert“. | |
Bundesweit werde über eine [1][Unterwanderung der Sicherheitsbehörden] | |
durch Rechtsextremisten diskutiert, sagte Behrendt. Dagegen gelte es sich | |
zu wappnen – auch was den Justizbereich betreffe. Er wolle niemanden unter | |
Generalverdacht stellen. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es | |
unter den Justizbediensteten Anhänger von rechtsextremistischen Gruppen wie | |
den Reichsbürgern gebe. Bisher sei der Strafvollzug von so einer | |
Entwicklung verschont geblieben, glaubt der Justizsenator. „Aber was die | |
Zukunft bringt, wissen wir nicht.“ | |
## Verfassungsfeindliche Symbole auf dem Unterarm | |
Ein 45-jähriger Justizbediensteter, der im März 2020 vor Gericht stand, | |
gehört Behrendt zufolge zu den wenigen bisher bekannt gewordenen | |
Einzelfällen. Im Juni 2019 war der Mann Medienberichten zufolge auf | |
frischer Tat ertappt worden, als er zwei Plastiktüten mit Handys, Bargeld, | |
Cannabis und verschreibungspflichtigen Betäubungsmittel in die | |
Jugendstrafanstalt schleppte. Weil er schon länger im Verdacht stand, war | |
er observiert worden. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung waren zwei | |
halbautomatische Pistolen und Munition gefunden worden. Der Mann – er wurde | |
sofort suspendiert – habe auf seinem Unterarm verfassungsfeindliche Symbole | |
wie einen Totenkopf und SS-Runen eintätowiert gehabt, berichtete Behrendt. | |
Wenn er im Dienst ein kurzärmeliges Hemd getragen habe, habe er diese offen | |
zur Schau gestellt. | |
Die Berichtspflicht beziehe sich auf sämtliche Vorfälle mit | |
demokratiefeindlicher Tendenz, erklärte der Justizsenator auf Nachfrage von | |
Abgeordneten. Also auch auf Islamismus oder Linksextremismus, allerdings | |
sei unter dem Bediensteten in den vergangenen Jahren nichts von Letzterem | |
bekannt geworden. „Bei den Gefangenen mag das anders sein“. Innensenator | |
Andreas Geisel (SPD) hatte bereits vor einigen Wochen angekündigt, für | |
Polizei und Feuerwehr [2][einen sogenannten Extremisten-Check einzuführen.] | |
3 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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Berlin. |