# taz.de -- Lampedusa in Hamburg: Wem gehört das Viertel? | |
> In St. Georg stehen sich zwei Anwohner-Initiativen gegenüber. Der | |
> Zankapfel: Das Lampedusa-Zelt. Noch ist offen, wer sich durchsetzt. | |
Bild: Zelt des Anstoßes: Das Lampedusa-Zelt am Steintorplatz | |
HAMBURG taz | In St. Georg fliegen die Fetzen: Nachdem das Bezirksamt Mitte | |
und die Versammlungsbehörde [1][im März das Lampedusa-Zelt aus | |
Infektionsschutzgründen abbauen ließen], sammelt der Bürgerverein zu St. | |
Georg und die Interessengemeinschaft (IG) Steindamm Unterschriften gegen | |
die Rückkehr des Zelts auf den Steintorplatz. Beiden Vereinen steht der | |
[2][umstrittene ehemalige Bezirksamtsleiter und heutige | |
SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Markus Schreiber] vor. | |
Gegen die Petition regt sich aber Widerstand vom Einwohnerverein St. Georg. | |
Beide Seiten meinen, die Mehrheit der Anwohner*innen hinter sich zu haben. | |
Drastische Worte folgen auf drastische Worte: „Nie wieder“ solle das Zelt | |
zurück nach St. Georg kommen, forderte Schreiber jüngst. Bürger*innen, | |
Unternehmer*innen, Vereine und Verbände, das sei Konsens im Stadtteil, | |
hielten das Zelt für „unerwünscht“. Von Dreck, Lärm und gar Prostitution… | |
Zelt war die Rede. | |
Mit einer Unterschriftensammlung wollen Schreiber und seine | |
Mitstreiter*innen Druck auf die Behörden ausüben, damit sie einer | |
Neuaufstellung nicht zustimmen. Laut der IG Steindamm würden sich ansässige | |
Unternehmen sonst „vehement wehren“. | |
## Wer spricht fürs Viertel? | |
Nun fühlt sich der Einwohnerverein bemüßigt, gegen die Stimmungsmache | |
anzugehen. „Diese markigen Worte sind hochgradig populistisch“, sagt | |
Michael Joho, der Vorsitzende des alternativen Stadtteilvereins. Und | |
weiter: „Wenn es Stimmen gegen das Zelt gibt, dann von Gruppen, deren | |
Vorsitzender, Vorstandsmitglied oder Partner Markus Schreiber sowieso schon | |
ist.“ | |
Joho hält schon den Abbau im März für rechtlich fragwürdig und will mit der | |
Lampedusa-Gruppe für eine Neuaufstellung sorgen. Das Zelt habe, als es noch | |
stand, auch als Mahnung gedient – indem es permanent an die Probleme der | |
Lampedusa-Geflüchteten erinnerte. Seit dem Abbau habe sich wenig geändert. | |
„Auch ohne das Zelt ist der Steintorplatz Treffpunkt für Geflüchtete, die | |
für ein dauerhaftes Bleiberecht kämpfen“, sagt Joho. | |
2013 war das Zelt aufgestellt worden und hatte bis zu diesem Frühjahr das | |
Zentrum einer Dauermahnwache gebildet. Initiiert worden war es von | |
Geflüchteten, die nach dem Libyen-Krieg über Italien nach Hamburg kamen und | |
seither eine Anerkennung als asylberechtigtes Kollektiv fordern. | |
## Dauermahnwache ruht | |
Dass es zum offenen Streit in St. Georg kommt, überrascht angesichts des | |
kulturellen Hintergrunds der beiden Vorsitzenden kaum: Auf der einen Seite | |
Joho, der als Referent für die linke Bürgerschaftsabgeordnete Heike Sudmann | |
arbeitet und auch außerparlamentarisch aktiv ist. | |
Auf der anderen Seite Schreiber, der sich in seiner Zeit als Amtsleiter des | |
Bezirks Mitte den Ruf eines rechten SPD-Hardliners erarbeitete. [3][2011 | |
ließ er unter der Kersten-Miles-Brücke einen Zaun errichten, um Obdachlose | |
zu vertreiben]. Die Empörung war so groß, dass der Zaun wieder abgebaut | |
wurde. Auch an Skater*innen und Bauwagenplatzbewohner*innen arbeitete er | |
sich ab. Nach einem Ausflug in die Immobilienbranche mischt er seit 2015 | |
als Bürgerschaftsabgeordneter wieder in der Politik mit. | |
Noch wurde keine neue Dauermahnwache angemeldet. Sobald es dazu kommt, | |
liegt die Entscheidung beim Bezirksamt. | |
23 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
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