# taz.de -- Debatte in Frankreich: Feministischer Burn-out | |
> Sollen Frauen Männer hassen? Darüber diskutiert Frankreich nach einem | |
> Buch. Eine Begegnung mit der Autorin Pauline Harmange. | |
Bild: Nach dem feministischen Burn-out: Das war's dann wohl zwischen Frauen und… | |
„Moi les hommes, je les déteste“ (dt. „Ich hasse Männer“) heißt ein | |
schmales Buch, das in Frankreich derzeit für erhitzte Debatten über Hate | |
Speech, Feminismus und das Recht auf freie Meinungsäußerung sorgt. Im | |
Zentrum: die 25-jährige Autorin Pauline Harmange. Mit ihrer Aufforderung im | |
Titel, Männer zu hassen, ist es ihr durchaus ernst. Erst das völlige | |
Ignorieren von Männern, deren Ansprache auch immer etwas Belehrendes | |
(Stichwort: [1][Mansplaining]) habe, deren Versuche, charmant zu sein, | |
herablassend wirken, könnte die Gesellschaft endlich verändern, sagt | |
Harmange der taz am Telefon. | |
Nur Tage nach der Veröffentlichung Ende August kam es zum Clash mit einem | |
politischen Entscheider: Ralph Zurmély, ein Sonderberater des | |
französischen Ministeriums für die Gleichstellung der Geschlechter, hatte | |
sich beim Micro-Verlag Monstrograph schriftlich über das Buch beklagt. Er | |
drohte, die Autorin und den Verlag wegen Anstiftung zum Hass – wie es im | |
französischen Gesetz steht – zu verklagen, sollte sie ihr Buch nicht | |
zurückziehen. Die Nachricht über den Versuch, das Werk zu canceln, | |
verbreitete sich schnell. Binnen weniger Tage war es vergriffen. Nun will | |
ein großer Verlag einspringen und das Buch in hoher Stückzahl nachdrucken. | |
Momentan versucht die Kommunikationswissenschaftlerin aus Lille, die seit | |
2015 den Blog „Un invincible été“ betreibt, unter dem Radar zu bleiben. | |
Nach der Veröffentlichung des Buchs habe sie Drohungen erhalten, mit | |
negativen Reaktionen hatte sie ohnehin gerechnet. | |
## Unverklemmter als Deutschland | |
Offenbar ist die Schlüsselthese, alles Stereotyp-Männliche aus seinem Leben | |
radikal zu verbannen, selbst für die weitaus egalitärere Gesellschaft in | |
Frankreich eine Provokation. In unserem Nachbarland, einem der | |
geburtenstärksten Länder in Europa, arbeiten schließlich über 95 Prozent | |
der Frauen vier Monate nach der Geburt ihrer Kinder wieder in Vollzeit, | |
weil es die entsprechenden staatlichen Betreuungsmöglichkeiten für Babys | |
gibt. | |
Der Begriff „Rabenmutter“ ist eine ausschließlich deutsche Prägung. Anders | |
als hierzulande, wo die Debatte über das „Werbeverbot“ im Zuge von | |
Schwangerschaftsabbrüchen weiterläuft, besteht in Frankreich bereits seit | |
dem Jahr 1975, das „absolute Recht auf Abtreibung“ – ohne vorherige | |
Beratung und auf Kosten der gesetzlichen Krankenkasse. | |
Wer Pauline Harmange zuhört, bekommt schnell den Eindruck, die | |
französischen feministischen Debatten seien wesentlich radikaler und | |
unverklemmter. | |
So sorgte die Autorin schon Jahre zuvor für einen Aufruhr im Netz, als sie | |
ein Foto von sich in der Badewanne in den sozialen Netzwerken und auf ihrem | |
damaligen Blog veröffentliche. „Jede Frau hat natürlich das Recht, sich | |
nackt zu zeigen, ohne als Schlampe zu gelten. Das war mein Statement zu der | |
Bewegung.“ Wenig später musste sie ihren damaligen Blog wegen | |
Gewaltandrohungen aus dem Netz nehmen. Zum selben Zeitpunkt diskutierte man | |
in Deutschland noch, [2][ob jugendliche Mädchen in Hotpants zur Schule | |
kommen dürfen]. | |
## Feministisches Burnout | |
„Vergangenes Jahr gab es in Frankreich wie überall auf der Welt viele | |
Diskurse um die #MeToo-Bewegung und #balancetonporc (dt. Verpfeif dein | |
Schwein).“ Danach habe sich bei ihr eine Art „feministischer Burn-out“ | |
eingestellt, erzählt Harmange. „Es ist alles gesagt und trotzdem ändert | |
sich kaum etwas, weil Frauen für alles Verständnis haben sollen und | |
Geduld.“ | |
Nur Frauen seien es, die feministische Bücher lesen, die Fragen stellen, | |
sie habe es so satt. Gegen diese weibliche Harmlosigkeit und die ewige | |
Nachsicht gegenüber toxischen Männlichkeitsstrukturen schreibt sie in ihrem | |
Buch an: „Männer zu hassen, ist deshalb nicht nur die logische | |
Schlussfolgerung unserer Wut, sondern als Frauen, die unter den negativen | |
Folgen des Patriarchats leiden, sogar eine Notwendigkeit“, findet die | |
Autorin. | |
Harmange ist radikal und das möchte sie auch sein. Ähnliche radikale | |
Forderungen hört man in Deutschland seltener, wenn überhaupt nur ganz | |
leise. Vor zwei Jahren zirkulierte auf Twitter auch hierzulande mal der | |
Hashtag [3][#menaretrash] – Männer sind Abfall –, den man ähnlich absolut | |
verstehen kann wie Harmanges Forderung, alle Männer zu ignorieren. Der | |
blieb allerdings in sehr kleinen radikalfeministischen Kreisen stecken. | |
Harmanges Buch dürfte also auf fruchtbaren Boden fallen, wenn es hier im | |
Dezember bei Rowohlt erscheint. | |
16 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Caroline Rosales | |
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