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# taz.de -- Rassistischer Anschlag vom 19. Februar: Stadt Hanau verbietet Geden…
> Wegen steigender Corona-Infektionen muss die Kundgebung der Angehörigen
> des Anschlags ausfallen. Das stößt nicht nur auf Verständnis.
Bild: Kurz vor der geplanten Demo hatte die Stadt Hanau noch ein neues Banner a…
Hanau taz | Praktisch bis zur letzten Minute hatten die
AngehörigenvertreterInnen mit Hanaus Bürgermeister Claus Kaminsky (SPD) in
Kontakt gestanden, mit der Stadtverwaltung die letzten Details besprochen.
Von einer möglichen Absage der seit Wochen geplanten Kundgebung für die
Opfer des Anschlags vom 19. Februar war nie die Rede.
Am Freitagabend um 20:16 Uhr kam dann die [1][Nachricht]: „Wegen der akut
steigenden Zahl an Corona-Neuinfektionen“ verbietet Kaminsky die für
Samstag geplante Gedenk-Demonstration. Der Bürgmeister gehörte zu den
Erstunterzeichnern des Aufrufs für die Demo und sollte selbst dort
sprechen. Vor wenigen Tagen hatte Kaminsky im taz-[2][Interview] gesagt,
„Wir werden das Gedenken nicht einstellen und auch nicht verdrängen. Das
wäre völlig unangemessen“.
Das Corona-Eskalationskonzept des Landes Hessen schreibt vor, dass ab 50
Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb der vergangenen sieben Tage
ein „konsequentes Beschränkungskonzept“ gilt. „Diese Schwelle ist nun
leider im Grunde erreicht“, heißt es in einer Erklärung der Stadt. „Im
Grunde“ bedeutet: Donnerstag lag die Zahl bei 36, Freitag bei 49, am
Samstag dürften es über 50 sein.
Zur von Angehörigen und UnterstützerInnen geplanten Kundgebung waren bis zu
10.000 Menschen erwartet worden. Zum Zeitpunkt der Absage waren bereits
Busse aus mehreren Städten nach Hanau unterwegs. Sprechen sollten neben
Angehörigen und Überlebenden des Anschlags unter anderem Naomi
Henkel-Gümbel, angehende Rabbinerin und Überlebende des Anschlags auf die
Synagoge in Halle, und Peter Fischer, der Präsident von Eintracht
Frankfurt.
Die [3][Initiative 19. Februar] hatte im Frühjahr ein Ladenlokal in der
Krämerstraße in Hanaus Innenstadt, ganz in der Nähe eines der Tatorte des
Anschlags angemietet. Im Laufe des Freitags hatten sich dort bereits
angereiste UnterstützerInnen versammelt, die die Demonstration
vorbereiteten. Als die Nachricht der Absage kam, waren sie geschockt. „Wir
müssen jetzt erstmal damit umgehen, dass wir einen richtigen Tiefschlag
abbekommen haben“, sagte eine Aktivistin.
## „Wir sind keine Corona-Rebellen“
Kurz nachdem die Stadt ihre Entscheidung verkündet hatte, veröffentlichte
die Gruppe ein [4][Statement]. „Wir bedauern diese Entscheidung, weil wir
wochenlang ein Hygiene-Konzept gemeinsam mit Stadt und Ordnungsamt
entwickelt haben und den erwarteten Teilnehmer*innen ein
verantwortungsvolles Verhalten zugetraut hätten“, heißt es darin. Die
Absage vom Freitagabend lasse keine rechtlichen Möglichkeiten, die
Entscheidung prüfen zu lassen. „Dennoch sind wir keine Corona-Rebellen und
folgen der Entscheidung. Wir werden morgen nicht gegen eine
Corona-Verfügung mobilisieren. Die Mobilisierung nach Hanau ist abgesagt.“
Die Kundgebung der Angehörigen sollte sich vor allem gegen die Arbeit der
hessischen Behörden [5][richten]. Diese „unterstehen einem
Ministerpräsidenten Bouffier, der als früherer Innenminister maßgeblich die
Aufklärung des NSU-Mordes in Kassel 2006 und damit des gesamten
NSU-Komplexes hintertrieben hat“, schrieb der Aktivist Hagen Kopp. „Und der
heutige Innenminister Beuth demonstriert aktuell sein reichlich
eingeschränktes Interesse, die offensichtlichen Verbindungen oder sogar
Beteiligungen der hessischen Polizei am NSU 2.0 aufzudecken.“
In Hanau selbst war das Verhältnis zu Bürgermeister Kaminsky derweil gut.
Böse Absicht unterstellte ihm am Freitag deshalb keiner – eher Angst vor
kritischen Reaktionen. „Er hat ja schließlich die Verantwortung für die
ganze Stadt, nicht nur für uns“, sagte eine Angehörige. Andere fanden,
Kaminsky hätte seinen Ermessensspielraum zugunsten der Demonstration nutzen
müssen. „Das Infektionsrisiko ist bei Veranstaltungen unter offenen Himmel
nicht so groß, das weiß man mittlerweile“, meinte einer der Aktivisten.
Schließlich habe man sich intensiv mit der Stadt über die nötigen
Infektionsschutzmaßnahmen ausgetauscht.
In den Sozialen Medien fielen die Reaktionen deutlich empörter aus. „Das
Datum war lange bekannt. Wenn es die Stadt Hanau nicht schafft, ein
würdiges und verantwortungsbewusstes Gedenken unter Coronabedingungen zu
organisieren, ist das ein Offenbarungseid und sagt etwas über die
Prioritäten in unserer Gesellschaft“, kritisiert etwa der ARD-Journalist
Arnd Henze. „Hier in Frankfurt durften sich am Freitag noch Tausende auf
engem Raum in Freibäder drängen, aber eine Demonstration mit 5.000
Teilnehmern soll nicht möglich sein? In Hanau, wo die Innenstadt von einem
Platz dominiert wird, der so groß ist wie mehrere Fußballfelder“, meint der
Hessenschau-Redakteur Danijel Majić.
## Ersatz: Kundgebung im Internet
Stundenlang arbeitete die Initiative an einem Konzept für eine
Ersatzveranstaltung. In der Nacht veröffentlichte sie dann ein Video und
kündigte an, die Kundgebung mit der maximal zulässigen Personenzahl von 249
durchzuführen. „Unsere Aufgabe ist jetzt, in allen Städten die Stimmen der
Angehörigen allen zukommen zu lassen,“ sagt Newroz Duman von der
Initiative. Die Reden sollen nun wie geplant ab 15 Uhr auf einer Bühne am
Hanauer Friedensplatz gehalten und im Internet von der Gruppe „United we
stream“ übertragen werden. Der Stream kann auf der [6][taz-Facebook-Seite]
gesehen werden.
Gruppen aus mehreren Städten kündigten an, dezentrale Veranstaltungen
durchzuführen und den Stream vor Ort zu zeigen.
## Auch AfD-Veranstalung in Hanau abgesagt
Die Stadt Hanau unterband am Freitag noch eine weitere Veranstaltung: Die
AfD wollte ganz in der Nähe eines der beiden Tatorte, in der
Reinhardskirche, einen Themenabend unter dem Titel „Deutschland 2020:
Demokratischer Rechtsstaat oder DDR 2.0?“ abhalten. Die Stadt entzog der
Partei aber kurzfristig das Nutzungsrecht und bot ein Ersatzquartier im
Nachbarschaftshaus Tümpelgarten an, das weit entfernt liegt von den
Anschlagsorten des 19. Februar. Die AfD sagte die Veranstaltung daraufhin
ab.
22 Aug 2020
## LINKS
[1] http://www.presse-service.de/data.aspx/static/1051527.html
[2] /Buergermeister-ueber-Hanauer-Anschlag/!5702770/
[3] https://19feb-hanau.org/
[4] https://19feb-hanau.org/2020/08/21/pm-zur-absage/
[5] https://19feb-hanau.org/2020/08/21/pm-zur-demo/
[6] https://www.facebook.com/taz.kommune/
## AUTOREN
Christian Jakob
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