# taz.de -- Neue Proteste in Bulgarien: Borissow will Verfassung ändern | |
> Die bulgarische Regierung hat einen Verfassungsentwurf vorgelegt. Den | |
> Demonstrierenden geht er nicht weit genug – sie planen neue Aktionen. | |
Bild: Seit 40 Tagen im Protestmodus: Bulgariens Hauptstadt Sofia im Juli | |
SOFIA dpa | Nach rund 40 Tagen [1][regierungskritischer Proteste in | |
Bulgarien] hat Regierungschef Boiko Borissow überraschend einen | |
Verfassungsentwurf vorgelegt. Darin sind auch Änderungen bei der als | |
ineffektiv geltenden Justiz vorgesehen. Die von Demonstranten kritisierte | |
Kontrolle des Chefanklägers über die Staatsanwälte soll aber erhalten | |
bleiben. Die Vorlage wurde am Montag von Borissows GERB-Partei ins | |
Parlament eingebracht. Darüber will sie ein „breites Einvernehmen“ mit den | |
anderen Fraktionen über die Wahl für ein großes, verfassunggebendes | |
Parlament erzielen. | |
„Das Volk will eine maximale Repräsentanz haben. (...) Der einzige Weg ist | |
mit einer neuen Verfassung“, erklärte Borissow. Er hatte erst am Freitag | |
angekündigt, [2][an dem Tag zurücktreten zu wollen], an dem das Parlament | |
eine Wahl für eine verfassunggebende Volksversammlung beschließt. | |
Demonstranten widersetzten sich den Plänen der Regierung, obwohl sie zu | |
Beginn ihrer Aktionen am 9. Juli neben den Rücktritten der Regierung und | |
des Chefanklägers auch die Einberufung eines verfassunggebenden Parlaments | |
gefordert hatten. „Wir wollen nicht, dass die Mafia die neue Verfassung | |
schreibt“, sagte ein Aktivist am Montag im Staatsradio bei einer | |
Protestblockade des Justizministeriums in Sofia. | |
Der russlandfreundliche Präsident Rumen Radew und die oppositionellen | |
Sozialisten (Ex-KP) werfen ebenso wie die Protestierenden der | |
bürgerlich-nationalistischen Regierung [3][Korruption, mafiöses Handeln und | |
Abhängigkeit von Oligarchen] vor. | |
## Weiterhin Ausnahmezustand in Sofia | |
„Eine Krise wie die gegenwärtige wird nicht mit Verschlägen für | |
Verfassungsänderungen, sondern mit einem sofortigen Rücktritt geheilt“, | |
sagte Staatschef Radew bei einem Protest gegen die Regierung am Montagabend | |
in Warna am Schwarzen Meer. | |
„Hört auf, die anderen Menschen zu drangsalieren“, rief Borissow die | |
Protestierenden auf. Nicht angemeldete Zeltlager blockieren seit Tagen drei | |
große Kreuzungen der Hauptstadt Sofia. Es kommt zu Konflikten mit | |
Autofahrern und Passanten. Viele Linien des Nahverkehrs wurden umgeleitet. | |
Aktivisten kündigten nun eine neue Taktik mit Blockaden auch von | |
Institutionen an. Krankenschwestern richteten ein Zeltlager vor dem | |
Gesundheitsministerium ein. | |
Die nächste reguläre Parlamentswahl wäre im März 2021. Die von der | |
Regierung jetzt angeregte Wahl für ein verfassunggebendes Parlament könnte | |
frühestens im November 2020 stattfinden. | |
18 Aug 2020 | |
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