Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Warst du schon mal am Südpol?
> Die Erde ist keine Scheibe, sondern eine Kugel mit gekrümmten
> Längengraden. Und Breitengraden. Zeit für ein neues Magazin.
Fragte ich sie. Nein, war ihre Antwort, und dass sie das auch noch niemand
gefragt habe. Und was denn mit mir sei? War ich schon mal am Südpol? Nein,
ich auch nicht.
Aber in der Nacht zuvor war ich auf einer Art Schiff oder einfach einem
flachen, bungalowartigen Hafengebäude mit breiten Plexiglasfenstern mit
Blick auf das Meer und überlegte, wie viele Erdkrümmungen entfernt denn
Hawaii liegen könnte, schließlich ist die Erde rund, und dank der
Erdkrümmung läge doch alles ganz nahe, also Hawaii supernah an
Mittelamerika, nur so ein oder zwei Erdkrümmungen entfernt, und vom Südpol
aus wäre man auch flugs in Chile oder in Neuseeland, weshalb Chile und
Neuseeland gar nicht so weit voneinander entfernt liegen würden. Und in der
nächsten Nacht gründete ich dann mit Freunden und Aufklebern eine neue
Zeitschrift, etwas leichtsinnig dieser Tage, aber nun ja: das
Längenmagazin. Und worum sollte es da wohl gehen, wenn nicht um Längegrade
und sehr breite Texte?
In der Realität, die ich am folgenden Morgen wieder betrat, erschienen mir
andere Dinge. Junge Menschen aus Problemvierteln trugen ironische T-Shirts,
die sich an HipHop-Merch orientierten. „Straight outta my bed“, sagten sie
auf Englisch, und tatsächlich schien die Struwwelfrisur des T-Shirtträgers
seine Botschaft zu bestätigen. Andere trugen Sandalen und pink lackierte
Zehennägel, wieder andere den Kopf eines Außerirdischen. Eine Frau
schließlich setzte sich erleichtert irgendwohin, um den Flugtanz der Wespen
um ein leeres Kaffeeglas besser sehen zu können und sich Eier aus
Abwehrhaltung zu bestellen.
In einer Frischluftglocke überlegte ich, dass es gar nicht so leicht wäre,
mit dem Schiff zum Südpol zu gelangen. Kein Wunder, dass die Spanier noch
nie da waren! Oder die alten Griechen. Früher, als das Wort Luftbuchung
noch irgendetwas mit Aeroplanen zu tun hatte, war mir aufgegangen, dass im
Norden, an der nördlichen Grenze des Landes, in dem ich mich seit Geburt
befand, wenn auch nicht ununterbrochen, das sei einmal gesagt, die Welt
noch nicht zu Ende war. Im Gegenteil, jenseits der Grenze ging die Welt
einfach so weiter. Noch mehr Landschaften und Wälder und grüne Wiesen,
einige topfitte, einige gähnende Schluchten und Städte, in denen andere
Sprachen gesprochen werden und die Verkehrsschilder etwas anders aussehen
und unter besonderem Identitätsschutz stehen, und am Ende lauert wieder das
Meer um die Ecke. Meer, das mehr ist als nur Brauchwasser.
## Jenseits der Bezahlschranken
Vielleicht wäre also dies das Thema für die erste Ausgabe des
Längenmagazins, Texte von jenseits der Grenzen, Texte von jenseits der
Bezahlschranken. Texte, die das Nähe-Distanz-Problem lösen. Texte in
geschmeidigem Deutsch. In denen das Meer chinesisch aussieht.
Es schien weit und breit die Sonne und alles möglich an diesem Tag. Ich war
bereit, sehr weit zu gehen. Zur Not bis zum Südpol, da war ich schließlich
noch nicht.
8 Sep 2020
## AUTOREN
René Hamann
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Chile
Erde
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Schwerpunkt Coronavirus
Haus und Hof
Kolumbus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Bringt mir den Kopf von...
... Fernando Bollo. Doch wer ist das? Und wie kommt das Pferd nicht auf den
Flur, aber doch in die traumhafte Wahrheit?
Die Wahrheit: Volle Regression voraus
In jedem entlegenen Landstrich gibt es einen Radiosender, der die
schlechtesten Hits aller Zeiten spielt und so Sicherheit verströmt. Auch in
Berlin.
Die Wahrheit: Hamburg, meine Perle vor den Säuen
Hamburg ist eine Reise wert. Aber ist die Stadt an Elbe und Alster wirklich
schöner als beispielsweise Berlin? Vor Ort kommen Zweifel auf.
Die Wahrheit: Sterbliche Überreste auf Tour
Urlaub scheint derzeit unmöglich. Aber wie war eigentlich der letzte?
Schön, angenehm und zwiespältig wie ganz Polen.
Die Wahrheit: Es ist Zeit für ein Haus
Seit Jahren ist die Instandsetzung im Gange und nicht der Rede wert. Das
Haus steht da wie ein verwundeter offener Körper.
Die Wahrheit: Schiffe versenken für Ideologen
Kolumbus’ Santa Maria wurde von Roland Kaiser besungen. Wahrscheinlich
liegt sie deshalb schon lange nicht mehr im Hafen von Barcelona.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.