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# taz.de -- Politisierung des US-Sports: Rauschhaft und revolutionär
> Der Streik der US-Athleten gegen Rassismus rührt auch an den Grundfesten
> des Sports. Die Grenzen des Politischen müssen neu gezogen werden.
Bild: Menschenrechte sind wichtiger als Sport: Evander Kane von den San Jose Sh…
Dieser historische Moment hat etwas Rauschhaftes. Sonnenklar ist es
plötzlich auch der Organisation der weltbesten Eishockeyliga, die sich
lange Zeit selbst mit Statements gegen Rassismus zurückgehalten hat, dass
es anders nicht mehr geht. „Aus Protest gegen systematischen Rassismus und
Polizeibrutalität“ habe man beschlossen, am Donnerstag und Freitag nicht
mehr zu spielen, heißt es in einer Stellungnahme der NHL. Und einer der
Initiatoren dieser Entscheidung, der schwarze Eishockeyprofi Evander Kane,
sagte, die Botschaft sei wichtig, dass Menschenrechte Vorrang vor dem Sport
haben.
[1][Ein Zäsur haben die Basketballer der NBA am Mittwoch] mit ihrer
Verweigerung gesetzt, in diesem von rassistischer Gewalt erschütterten Land
den Unterhaltungsbetrieb am Laufen zu halten. Generalstreik gab es bislang
in der Sportgeschichte für bessere Löhne, aber nicht für Menschenrechte.
Dem möglicherweise zukunftsweisenden Beispiel der NBA sind am selben Tag
die Basketballerinnen, Fußballer und Baseballer gefolgt. Einige der noch in
der Vorbereitung stehenden Football-Teams reagierten mit Trainingstreiks.
Es ist die [2][einigende Kraft des Protests], dem sich eben auch von Weißen
dominierte Sportligen (Eishockey, Baseball) anschlossen, die so
unwiderstehlich wirkt – zumal in einem so tief gespaltenen Land wie den
USA. Sie rüttelt nicht nur an den dortigen Verhältnissen, sondern auch an
den Grundfesten des organisierten Sports.
Deren oberster Priester Thomas Bach müsste sich eigentlich von der
Emanzipationsbewegung der Sportler:innen in den USA mitreißen lassen.
Verteidigen sie doch universale Werte, die in der Olympischen Charta
verankert sind. Der Sportsoziologe Gunter Gebauer hat einmal auf die Frage,
welche Art von politischem Engagement den Aktiven bei den Olympischen
Spielen erlaubt sein soll, gesagt: „Das Universale gehört zu den Spielen,
das Partikulare sollte draußen bleiben.“
## Orden für Diktatoren
Das klingt bestechend einfach. Das Problem ist nur, dass sich die
Sportfunktionäre die Deutungshoheit darüber, wo das politische Engagement
des Sport zu beginnen und aufzuhören hat, wo es um das Universale und
Partikulare geht, nicht aus der Hand nehmen lassen möchten. Diese Sicht
wird wiederum durch die eigene politische Agenda bestimmt.
Einerseits schmückt man sich gern mit vermeintlich
friedensnobelpreisverdächtigen Initiativen, um die koreanische Einheit
voranzutreiben, andererseits ehrt man Diktatoren und
Menschenrechtsverächter wie den belarussichen Präsidenten Alexander
Lukaschenko mit olympischen Orden. Dass Lukaschenko gerade protestierende
Leistungssportler:innen durch seinen Staatsapparat verprügeln lässt, wollte
Thomas Bach diese Woche nicht kommentieren. [3][Das IOC hieß es, könne und
wolle sich nicht in politische Angelegenheiten von Belarus einmischen.]
Die Sphäre des Politischen betritt das IOC lieber bei gediegenen
Kaffeekränzchen. Auf dem Gesprächsforum „Olympism in Action“ trafen sich
vor zwei Jahren in Buenos Aires Vertreter der Olympischen Bewegung mit
zivilgesellschaftlichen Gruppen, um zu diskutieren, wie der Sport positive
Veränderungen in der Welt schaffen kann.
Jetzt wird man beim IOC darüber diskutieren müssen, wie man sich zu den
US-Sportler:innen „in Action“ und ihrem politischen Protest verhält. Es ist
absehbar, dass die nächsten Olympischen Spiele vom Bekenntnis- und
Handlungsdrang der Aktiven, nicht unberührt bleibt. Die Grenzen des
Politischen müssen neu gezogen werden, ohne dass die Bühne des Sports zum
Jahrmarkt für x-beliebige populistische Botschaften wird.
Der Druck von den Aktiven scheint groß genug zu sein, um den Funktionäre
immense Probleme zu bereiten, diese Grenzen weiterhin nach Gutdünken und
eigener Interessenlage zu markieren. Allein das ist schon geradezu
revolutionär.
28 Aug 2020
## LINKS
[1] /US-Sport-im-Ausnahmezustand/!5704596
[2] /Boykott-der-NBA-Basketballer/!5704590
[3] https://www.deutschlandfunk.de/proteste-in-belarus-der-sport-mischt-mit.134…
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
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Colin Kaepernick
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