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# taz.de -- Katharina Thalbach über die „Blechtrommel“: „Hä? Intimität…
> Zum 40. Oscar-Jubiläum kommt die Verfilmung der „Blechtrommel“
> restauriert in die Kinos. Katharina Thalbach erinnert sich an die
> Dreharbeiten.
Bild: Die berühmte – und 1979 skandalöse – Brausepulverszene: David Benne…
taz: Frau Thalbach, wie wurde Ihnen die Rolle der Maria in der
„Blechtrommel“ angetragen?
Katharina Thalbach: Mit Margarethe von Trotta, die zu dieser Zeit mit
Volker Schlöndorff verheiratet war, hatte ich ihren ersten Kinofilm, „Das
zweite Erwachen der Christa Klages“, gedreht. Auch [1][Günter Grass kannte
ich,] mein Partner war ja damals der [2][Dichter Thomas Brasch.] Ich wusste
also früh von dem kühnen Plan, einen Teil der „Blechtrommel“ zu verfilmen.
Der Roman selbst war mir durch meine Mutter sehr vertraut – die war ein
absoluter Fan, sie hat mir oft daraus vorgelesen und sich immer wahnsinnig
über das Buch amüsiert. Für die Rolle der Maria, die mir dann von
Schlöndorff angetragen wurde, habe ich das alles natürlich noch einmal
genauer gelesen.
Die Rolle hat Ihnen gefallen?
Ja, sofort – ich schätzte mich aber auch sehr glücklich, in einem so großen
Projekt mitwirken zu dürfen. Ich war 22, es war mir einfach eine Ehre. Man
hatte im Gefühl, dass das etwas Großes werden würde.
Sie fanden die Adaption dieses umfangreichen Werkes für die Leinwand
angemessen?
Mir war bekannt, dass Schlöndorff und Grass sehr intensiv
zusammengearbeitet hatten, dass die Adaption also in Grass’ Sinn war. Man
muss natürlich auch bei wirklich großer Literatur, die einem am Herzen
liegt, für einen Film Abstriche machen, das ist immer so – ich weiß noch,
wie enttäuscht ich bei der ersten Sichtung des Films „Der Name der Rose“
war, aber als ich ihn Jahrzehnte später noch mal anschaute, merkte ich, wie
gut er ist.
Man kann dennoch nie alle Aspekte aus einem Buch in den Film bekommen. An
einem Buch von [3][Umberto Eco] liest man schon mal 14 Tage und bekommt
nebenbei noch Philosophie- und Religionsvorträge. Das kann man nicht in
anderthalb Stunden abhandeln.
Und bei der „Blechtrommel“?
Das ist eine ungewöhnlich adäquate Übersetzung von einem großen Werk,
inklusive seiner gesamten Stimmung.
War die bittere Vorkriegs- und Kriegsstimmung des Buches und des Films denn
beim Dreh zu spüren?
Na ja, es war kalt, aber die Stimmung am Set war nicht gedrückt. Man hat ja
zusammen etwas hergestellt, das hatte etwas Spielerisches, zumindest bei
meinen Szenen habe ich das so empfunden. Ich fand das alles großartig.
Gedreht wurde 1978 in einer echten Straße in Berlin-Neukölln, die auf
Danzig umgestaltet wurde, meine Innenaufnahmen fanden in einem Atelier
statt. Dazu hatte ich meine berühmten Badehausszenen in Danzig, das war in
erste Linie aufregend, weil ich als ehemalige DDR-Bürgerin nicht vom
Ostberliner Flughafen Schönefeld aus direkt, sondern über Frankfurt am Main
fliegen musste. Und auf einmal wieder im sogenannten Ostblock zu sein war
spannend.
Haben Sie Dialoge verändert?
Nein, es gab keinen Spielraum, nix mit Improvisation – wir haben uns sehr
genau ans Drehbuch gehalten. Ich fand diese Strenge aber richtig. Um den
Akzent hinzukriegen, hatte ich mich mit einem älteren Ehepaar hingesetzt,
das aus Ostpreußen kam, und bin die Dialoge mit denen durchgegangen.
Im Film sind Anna und Oskar gleich alt und haben eine heimliche Beziehung,
in Wirklichkeit waren Sie zehn Jahre älter und spielten mit einem Kind –
wie war das?
Mit David Bennent ging das prima. Es ist natürlich immer ein Problem, wenn
Kinder oder Jugendliche mitkriegen, dass sie absolut im Mittelpunkt stehen
und die Umwelt auf sie angewiesen ist. David war also damals auch keck, wie
man zu sagen pflegt, da musste man ihn manchmal in seine Schranken weisen,
aber das klappte gut.
David hatte mit seinem Vater Heinz Bennent einen der größten Schauspieler
an seiner Seite, die haben vorher intensiv gearbeitet, auch mit
Schlöndorff. David kam also exzellent vorbereitet an den Drehort.
Schlöndorff sagte, bevor er David gefunden hatte, sei er unsicher gewesen,
ob der Film überhaupt zustande käme …
Absolut. Jemanden zu finden, der Deutsch spricht, der spielen kann, der auf
der Leinwand präsent ist und auch noch tatsächlich Wachstumsverzögerungen
hatte – das war wohl eine Fügung! Ich habe jedenfalls irrsinnig gern mit
ihm gespielt, auch und mit meinem Filmgatten Mario Adorf, die haben es mir
sehr leicht gemacht.
Was war die komplexeste Szene und warum?
Das waren natürlich die Nacktszenen mit David und mir, da habe ich schon
lange gekämpft, um eine Lösung zu finden. Welche, das bleibt unser süßes
Geheimnis.
Heutzutage gibt es Intimitätskoordinatoren, hätten Sie so etwas damals auch
gebraucht?
Hä? Intimitätskoordinatoren?! Nee nee, das regele ich lieber selber, dazu
brauche ich keinen Koordinator, das klingt auch sehr sperrig. Ich habe mich
nie überrennen lassen.
Sie waren damals seit drei Jahren im Westen, haben auch dort sofort Theater
und Filmrollen gespielt. Wie unterschied sich das Arbeiten im Westen von
dem im Osten?
Ich war ja den Defa-Betrieb gewöhnt, und der war wahnsinnig groß,
Riesenstudios, vielleicht wie in Hollywood, enorm viel Personal in jedem
Gewerk, Beleuchter, Baubühne, Kamera. Der künstlerische war vom technischen
Bereich stark getrennt.
Im Westen war das anders, die kleineren Teams brachten eine viel intimere
Art, zu arbeiten, mit sich. Die „Blechtrommel“ hatte allerdings auch für
westdeutsche Verhältnisse eine ungewöhnlich große Crew, weil es eine
internationale Produktion war.
Gab es auch Unterschiede im Spiel, vielleicht aufgrund unterschiedlicher
Ausbildungen?
Beim Film hab ich das nicht gemerkt, später beim Theater schon eher, aber
nur mit den jungen Schauspielern. Mit den älteren hatte ich das Gefühl,
dass wir alle aus dem gleichen Suppentopf kommen. Nicht ganz ohne Grund
haben viele Ostschauspieler nach der Wende weiter Karriere gemacht, die
Ausbildung war eben sehr gut.
Kann man Filme auch mit Menschen drehen, mit denen man sich nicht versteht?
Gar nicht verstehen wäre sehr ungünstig für einen Dreh, zudem ärgerlich: Es
ist ja auch Lebenszeit. Aber das Ergebnis könnte leider trotzdem gut sein.
Ich finde das nicht erstrebenswert, ich arbeite lieber mit Menschen, die
ich mag. Und Schlöndorff betrachte ich als meinen guten Freund. Wir haben
später noch mal einen Film in Danzig gedreht, über eine der Gründerinnen
der Solidarność: „Strajk – Die Heldin von Danzig“, ein wunderbarer Film.
Wir haben uns nie aus den Augen verloren.
Wie wird ein junges Publikum auf den Film reagieren, das ihn vielleicht zum
ersten Mal sieht, einen ganz anderen Hintergrund hat?
„Die Blechtrommel“ ist sehr gut gealtert, nicht nur von der Bildqualität
und Bildsprache her. Natürlich haben sich die Sehgewohnheiten und auch die
Schnittfrequenzen geändert. „Die Blechtrommel“ zeigt noch eine ganz andere
Erzählweise, andererseits erzählen auch moderne Regisseure wie zum Beispiel
Tarantino nicht unbedingt auf Tempo.
Aber ob man ein solch geschichtliches Thema heute vermitteln kann? Das
hoffe ich. Man kann schließlich jedes noch so schwierige Thema erzählen,
wenn der Film gut gemacht ist. „Die Blechtrommel“ braucht auf jeden Fall
die große Leinwand.
Wie oft haben Sie den Film seit 1979 gesehen?
In Ausschnitten sehr oft, aber in voller Länge gar nicht. Ich schaue mir
selten Filme an, bei denen ich mitgespielt habe. Ich bin den ganzen Tag mit
mir zusammen, da muss ich mich nicht auch noch auf der Leinwand sehen.
Manchmal habe ich vielleicht auch Angst, jedenfalls muss ich nicht mein
eigenes Publikum sein.
Die restaurierte Fassung im Kino zu sehen wird interessant. Obwohl ich
keine Ahnung habe, was 4K eigentlich ist.
29 Aug 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Jenni Zylka
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