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# taz.de -- Die Wahrheit: „Tuck-Tuck“ ist krank
> Ein sogenanntes Verschleißteil nervt unsere frischgebackene Kapitänin.
> Sie sehnt das Reparaturende der eigenen Zehn-PS-Nussschale herbei.
Seit das aktuelle „Annus horribilis“ – wie die Queen einst ihr persönlic…
Schreckensjahr 1992 bezeichnete – die Welt im Griff hat, haben die
Menschen, sofern sie nicht mit Existenzrettung oder Brutpflege ausgelastet
sind, sich sinnvollen Tätigkeiten verschrieben. Coronaromanmanuskripte
liegen bereit, die Verlage zu überschwemmen, Wohnungen sind entrümpelt,
Kinder gezeugt und entlegene Landstriche Deutschlands erkundet worden, in
die sich vorher niemand verirrte und es vermutlich auch danach nicht mehr
tun wird. Und was tat unsereins? Das Romanmanuskript döst halbfertig
Post-Corona-Zeiten entgegen, denn seine Urheberin widmete sich der Nautik.
Im schmorenden Herbst des Annus calidus 2019 beschloss ich mit seherischem
Blick auf den nächsten Hitzesommer die Flucht aufs Wasser und erwarb eine
tapfere Zehn-PS-Nussschale, von den Vorgängern onomatopoetisch passend
„Tuck-Tuck“ getauft. Nach kraftraubendem Frühjahrsputz bedurfte es noch
technischer Verfeinerungen beim Bootschrauber wie zum Beispiel der
Entfernung ins Nichts führender Kabel und einer Bordheizung, die mangels
Kajüte lediglich das Abschmelzen der Polkappen beschleunigt hätte.
Während „Tuck-Tucks“ Abwesenheit belegte ich zum Schutz der Allgemeinheit
einen Sportboot-Führerscheinkurs. Beim vorbildlich genderneutralen „Mensch
über Bord“-Manöver überlebte der als Menschersatz eingesetzte Rettungsring
knapp, und beim Anlegen stand die Kaimauer irgendwie im Weg, doch ich
überzeugte den erschöpften Prüfer mit dem unschlagbaren Argument „Aber
meine Knoten waren super!“
Zwar wurde „Tuck-Tuck“ nach seiner Entlassung aus der Werft auf seinem Weg
durch die Havel in der Spandauer Schleuse fast von einer Yacht, die jedem
russischen Oligarchen gut zu Gesicht gestanden hätte, zermalmt, doch dann
genossen wir endlich die Freuden des Wassersports. Immerhin so lange, bis
ein sogenanntes Verschleißteil seinem Namen Ehre machte, das, wäre mein
Boot ein Mensch, einen Oberschenkelhalsbruch herbeiführte. Erniedrigt
paddelten wir unter wehklagenden Alarmtönen zwischen Segelschülern und
Stehpaddlern an den rettenden Steg. „Tuck-Tuck“ kam ins Krankenhaus und
wartet seitdem auf eine neue Hüfte.
Ich nutzte die Zeit mit dem Verfassen eines Testaments und vermachte
„Tuck-Tuck“ heimtückisch einem Freund, der mich einst im Kauf bestärkte u…
erheblichen Anteil an meiner neuen Bootsbesitzerexistenz hat. Bei der
Unterzeichnung interpretierte eine Notariatsangestellte den von ihrem Chef
handschriftlich eingefügten Bootsnamen in der getippten Fassung derart,
dass der Freund, sollte ich vor ihm sterben, ein Boot namens „Fuck-Fuck“
erbt.
Auf Nachfragen auf der Intensivstation erhielt ich soeben eine SMS vom
Schrauber: „Das Brötchen liegt in der Halle.“ Ich hoffe, dass es bis zu
seiner Genesung rechtzeitig zu den kühlen Tagen am Ende der Saison schön
knusprig bleibt.
27 Aug 2020
## AUTOREN
Pia Frankenberg
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Wassersport
Reparatur
Kolumne Die Wahrheit
Museen
Kolumne Die Wahrheit
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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