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# taz.de -- Waffenruhe in Libyen: Krieg ums Öl vorerst abgesagt
> Deutsche Truppen könnten gebeten werden, Libyens neue Waffenruhe zu
> überwachen. Das haben zivile Institutionen in Libyen verkündet.
Bild: Am Strand von Sirte bleibt es vorerst ruhig
Tunis taz | Nach über 16 Monaten Krieg haben Libyens Konfliktparteien eine
Waffenruhe angekündigt. Fayez Serraj, Premierminister der Einheitsregierung
in der Hauptstadt Tripolis im Westen des Landes, schlug am Freitag neben
dem Ende der Kämpfe gegen die Truppen seines Rivalen Khalifa Haftar im
Osten zudem Neuwahlen für März 2021 vor.
Feldmarschall Haftar überließ dem Sprecher des nach Ostlibyen geflohenen
Parlaments, Aguila Saleh, die Verkündung der bisher nur mündlichen
Einigung. Saleh und Haftar repräsentieren die ostlibysche Provinz
Cyreneika, in der die Mehrheit der libyschen Ölquellen und Förderanlagen
liegen.
Von Cyreneikas Hauptstadt Bengasi aus war Haftars Libysche Nationalrmee
(LNA) im Frühjahr 2019 nach Tripolis vorgerückt und hatte die
Zweimillionenmetropole monatelang beschossen und belagert, ohne sie jedoch
erobern zu können. Massive [1][Militärhilfe aus der Türkei] drängte die LNA
dieses Jahr [2][aus Westlibyen zurück].
[3][Seit zwei Monaten] stehen sich nun ost- und westlibysche Einheiten bei
Muammar Gaddafis ehemaliger Heimatstadt Sirte gegenüber. Eine Schlacht um
Sirte und die Ölfelder würde Libyens einzige Einnahmequelle, [4][die Öl-
und Gasindustrie], schwer beschädigen.
Das wäre nicht im Interesse der ausländischen Partner: Katar und die Türkei
auf Regierungsseite, Russland, die Emirate, Ägypten und Frankreich auf der
Seite Haftars hoffen auf lukrative Verträge in Nachkriegslibyen.
## Türkisch-russische Vernunftsentscheidung
Politische Beobachter sehen in dem Waffenstillstand eine
[5][türkisch-russische] Vernunftsentscheidung. Haftars Allianz aus
libyschen Soldaten, sudanesischen Söldnern und Spezialisten der russischen
Sicherheitsfirma Wagner hält mit Sirte und dem Militärflughafen Jufra zwei
strategisch wichtige Orte für die Kontrolle des sogenannten Ölhalbmondes.
Ein Dutzend russische Mig-29-Kampfjets sind in Jufra stationiert.
Die türkische Luftwaffe hat ihrerseits im Juli den westlich von Tripolis
gelegenen Flughafen [6][Watia] übernommen. Der türkische Präsident Recep
Tayyib Erdoğan drohte zuletzt mit einem massiven Angriff der türkischen
Luftwaffe auf Haftars Befehlszentrale.
Parlamentspräsident Aguila Saleh verkaufte die in Bengasi und Tripolis
separat verkündigten Waffenstillstandserklärungen als das Ende der
ausländischen Einmischung in Libyen. „Die Gefahr einer größeren
Intervention ist nun gebannt“, sagte der 78-Jährige vor libyschen
Journalisten und meinte damit eine türkische Intervention in der Cyreneika.
Die Verbündeten der Regierung in Tripolis – Katar und die Türkei – hielten
sich mit offiziellen Verlautbarungen am Wochenende auffällig zurück.
Der Hauptgrund für die [7][Konflikte seit der libyschen Revolution 2011]
bleibt ungelöst. In der Cyreneika und der südlichen Provinz Fezzan sind
viele gesellschaftliche Gruppen mit der Verteilung des Öleinkommens nicht
einverstanden, das die in Tripolis sitzenden Institutionen unter sich
aufteilen. Milizen aus der Cyreneika blockieren seit Monaten Ölpipelines
und Förderanlagen.
## Demilitarisierte Zone bei Sirte?
Das Ausbleiben des Kriegs um Sirte führt nun zu ersten Rissen in den beiden
ost- und westlibyschen Bündnissen. Bürger der Stadt Zauwia nahe Tripolis
protestierten mit brennenden Straßenblockaden gegen die manchmal tagelangen
Wasser- und Stromausfälle in Westlibyen; der Kommandeur der
Serraj-Einheiten für Zentrallibyen forderte den Abzug der Armee Haftars aus
Sirte.
In Bengasi schwelt ein Machtkampf zwischen dem [8][2012 gewählten
Parlament] und Haftars Militärführung – Haftar hatte im Juni versucht, die
Abgeordneten zu entmachten, nachdem Parlamentspräsident Saleh einen Dialog
mit der Regierung in Tripolis vorgeschlagen hatte.
Der Waffenstillstand wird deshalb wohl nur mit internationaler
Unterstützung halten. „Ohne internationale Überwachung wird dies nicht
funktionieren“, sagt Wael Alushaibi, ein Analyst des Parlaments in Tobruk.
„Ein Wettlauf mit den Kriegstreibern um den Frieden in Libyen hat begonnen,
der Ausgang ist offen.“
Auf [9][Deutschland] könnten nun entsprechende Anfragen zukommen. Es waren
Bundesaußenminister Heiko Maas und der deutsche Botschafter Oliver Owcza,
die vergangene Woche bei ihrem Besuch in Tripolis Serraj davon überzeugten,
auf einen Angriff auf Sirte zu verzichten, sagen Regierungsmitarbeiter in
Tripolis der taz.
In Genf soll es nun bei den „5 plus 5“-Gesprächen zwischen Militärs beider
Seiten unter UN-Ägide um die Schaffung einer demilitarisierten Zone östlich
von Sirte gehen.
23 Aug 2020
## LINKS
[1] /Militaermacht-Tuerkei/!5697129/
[2] /Krieg-um-Libyens-Hauptstadt-beendet/!5687739/
[3] /Krieg-in-Libyen/!5693952/
[4] /Libyen-Konferenz-in-Berlin/!5655674/
[5] /Krieg-in-Libyen/!5691556/
[6] /Wende-im-Libyenkrieg/!5683965/
[7] /Libyen-Konferenz-in-Berlin/!5654427/
[8] /!5087388/
[9] /Libyen-Konferenz-in-Berlin/!5657700/
## AUTOREN
Mirco Keilberth
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