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# taz.de -- Quarantäneregeln für Kinder: Bei Verstoß Einweisung angedroht
> Kinder in Quarantäne sollen isoliert werden, sonst würden sie in ein Heim
> eingewiesen werden, schreibt die Region Hannover. Nun rudert sie zurück.
Bild: Isolation im Kinderzimmer – die Forderungen der Gesundheitsämter ersch…
Hannover taz | Das Schreiben vom Gesundheitsamt in der Region Hannover hat
es in sich: Weil das achtjährige Kind einer Familie nachweislich Kontakt zu
einem Corona-Infizierten hatte, soll es in häuslicher Quarantäne isoliert
werden.
Dazu gehört auch, dass der Kontakt zu anderen Familienmitgliedern minimiert
werden soll. Der Rest der Familie wird aufgefordert sich in anderen Räumen
aufzuhalten, keine gemeinsamen Tätigkeiten mit dem Kind auszuführen und
insbesondere die Mahlzeiten nacheinander und räumlich getrennt voneinander
einzunehmen.
Für den Fall, dass die Eltern sich nicht daran halten, werden harte
Maßnahmen angedroht: „Sollten Sie den die Absonderung betreffenden
Anordnungen nicht nachkommen oder lässt das Verhalten darauf schließen,
dass meinen Anordnungen nicht ausreichend Folge geleistet wird, werde ich
beim zuständigen Amtsgericht nach §30 Abs. 2 IfSG beantragen, Ihr Kind
zwangsweise in einer geeigneten abgeschlossenen Einrichtung abzusondern.“
Die verstörten Eltern wandten sich an den Deutschen Kinderschutzbund, der
Ende Juli auch öffentlich gegen dieses Vorgehen protestierte. [1][Dabei ist
dies sicher nicht der erste und auch nicht der einzige Fall,] aus
verschiedenen Bundesländern und Regionen gibt es ähnliche Berichte.
„Aus heutiger Sicht würde man das wohl so nicht mehr formulieren“, räumt
Christoph Borschel, Pressesprecher bei der Region Hannover, ein. Die
Vorlage sei nun einmal in der Hochphase der Epidemie entstanden,
mittlerweile sei man dabei, sie zu überarbeiten.
Bis sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass die Drohung mit einer
Heimeinweisung zu scharf sein könnte, scheint es eine Weile gedauert zu
haben. Anfangs rechtfertigte die Behörde sich noch damit, dass die
häusliche Absonderung ja immerhin das mildeste und verträglichste Mittel
sei, dass dieses formale Schreiben ja vor allem dazu diene, rechtlich auf
der sicheren Seite zu sein, und man im persönlichen Gespräch mit der
Familie die Maßnahmen natürlich individuell anpassen würde.
Die betroffene Familie aus Hannover allerdings scheint auch mit dieser
persönlichen Beratung nicht sehr viel glücklicher gewesen zu sein,
berichtet der Kinderschutzbund: Entsetzt waren die Eltern demnach schon
nach einem Telefonat mit der Behörde; sie selbst hatten anschließend um
eine schriftliche Bestätigung gebeten – und erst dann das besagte
offizielle Schreiben bekommen.
Die hannoversche Familie steht nicht alleine da: [2][Die Schweriner
Volkszeitung berichtet von einem Fall aus Parchim], die Neue Westfälische
von [3][Fällen aus den Landkreisen Offenbach und Karlsruhe.]
[4][Kinderschutzbundpräsident Heinz Hilgers erklärte dazu]: „Die Situation
der Quarantäne ist für Familien, insbesondere für Kinder, ohnehin sehr
belastend. Kinder in dieser Phase von ihren Eltern und Geschwistern zu
isolieren, ist eine Form psychischer Gewalt. Der Kinderschutzbund empfindet
diese Maßnahmen als unverhältnismäßig und nicht hinnehmbar.“
Zu einem ähnlichen Schluss kommt ein Kurzgutachten, das die
Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter in Auftrag gegeben hat.
Auch hierin werden die angedrohten Maßnahmen als unverhältnismäßig
eingestuft. Eben diese Jugendämter wären ja immerhin diejenigen, die für
eine Herausnahme aus Familien zuständig wären. Offensichtlich hat diese
Experten aber niemand gefragt.
Die ähnlich lautenden Schreiben der verschiedenen Gesundheitsämter stützen
sich allein auf das Infektionsschutzgesetz, das vom Worst-case-Szenario
ausgeht. Eine Abwägung, ob dem nicht vielleicht andere Gesetze und
Verordnungen entgegenstehen, scheint nicht wirklich stattgefunden zu haben.
Das Schreiben richtet nicht nur bei den verstörten Familien großen Schaden
an. Es ist auch Wasser auf die Mühlen derer, die ohnehin befürchten, der
Staat nutze Corona um ganz andere Ziele durchzusetzen.
## Klarstellung durch den Deutsche Kinderschutzbund
So twitterte beispielsweise der – unter Coronaleugnern und
Verschwörungstheoretikern beliebte – Wirtschaftsprofessor Stefan Homburg
angesichts der Briefe: „Die Politik überschlägt sich mit immer krasseren
Verschärfungen ihres verfehlten Kurses, statt ihn zu mäßigen“. Und
angesichts einer Stellenanzeige für eine pädagogische Fachkraft bei der
Diakonie schrieb er: „So entstehen neue Stellen (die Sie mit Ihren
Steuergeldern bezahlen). Die isolierten Kinder erhalten Medienzugang.
Vermutlich mit ‚Mai-Lab‘ und ‚bento‘-Agitprop in Dauerschleife.“
[5][Die Diakonie in Michaelshofen sah sich daraufhin genötigt],
klarzustellen, dass die Fachkraft natürlich gesucht wurde, um Kinder und
Jugendliche zu betreuen, die aus anderen Gründen aus der Familie genommen
werden mussten, nun aber innerhalb der Einrichtung gesondert betreut werden
müssen, weil sie Kontakt zu Coronafällen hatten.
Auch der Deutsche Kinderschutzbund sah sich nach einer ersten
Pressemitteilung zum Thema häusliche Quarantäne noch einmal zu einer
Klarstellung veranlasst: „Wir verwahren uns übrigens gegen jede
Vereinnahmung dieses Statements durch Strömungen, die die
freiheitlich-demokratische Grundordnung infrage stellen oder
Verschwörungsglauben anhängen. Ihr könnt Euch wieder hinlegen, während wir
in der echten Welt für #Kinderrechte kämpfen.“
20 Aug 2020
## LINKS
[1] /Kinderheime-in-der-Coronakrise/!5706104/
[2] https://www.ostsee-zeitung.de/Nachrichten/MV-aktuell/Landkreis-Ludwigslust-…
[3] https://www.nw.de/gesundheit/22837442_Gesundheitsaemter-Kinder-sollen-getre…
[4] https://www.dksb.de/de/artikel/detail/pm-angeordnete-isolierung-von-kindern…
[5] /Kinderheime-in-der-Coronakrise/!5706104/
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Verschwörungsmythen und Corona
Quarantäne
Kinderrechte
Niedersachsen
Schulbehörde Hamburg
Sandra Scheeres
Schwerpunkt Coronavirus
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