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# taz.de -- Apple schmeißt Epic aus Appstore: Kampf um Netzmacht
> Der Konflikt mit dem „Fortnite“-Entwickler eskaliert, weil der sich nicht
> Apple unterwerfen will. In dem Streit geht es aber nicht nur ums
> Geschäft.
Bild: Epic gegen Apple: ein Angestellter des Spieleherstellers auf dem Fortnite…
Tim Sweeney ist ein Mann mit Prinzipien. Vor allem, [1][wenn es um das
offene Netz und gegen die Monopole der großen Digitalplattformen geht], was
ihn innerhalb weniger Tage zu einer Art Robin Hood gegen die Konzernmacht
von Apple werden ließ. Denn Anfang der Woche ist ein bereits schwelender
Konflikt zwischen den Parteien derart eskaliert, dass Sweeneys Firma Epic
Games [2][der Zugang zum Appstore des iPhones komplett versperrt] werden
soll.
Anders als die bisweilen recht schillernden Chefs der großen
Digitalkonzerne lebt Sweeney weitestgehend zurückgezogen. Wie es das
Klischee der Silicon-Valley-Gründer so will, gründete er seine Spielefirma
Epic Games Anfang der 1990er in der elterlichen Garage. Sein erstes selbst
verdientes Geld gab er nach eigenen Angaben für Sportwagen aus.
[3][Inzwischen kauft er lieber Forstland, um es Naturschutzstiftungen zu
spenden].
Die Entwicklung der Unreal-Engine, die von Programmierer*innen zur
Konstruktion von Spielewelten genutzt werden kann, machte Sweeney zu einem
großen Namen in der Spieleszene. Welterfolge wie „Deus Ex“, „Bioshock“…
„Mass Effect“ wurden auf Unreal programmiert, vor allem aber „Fortnite“,
eine Eigenentwicklung von Epic. Mehrere hundert Millionen Menschen spielen
„Fortnite“, das auch als kostenlose App verfügbar ist.
Einnahmen werden vor allem durch das Angebot von Ausrüstungszukäufen im
Spiel generiert. So wurde der bis dahin bereits gut situierte
Spieleentwickler Sweeney in den vergangenen zwei Jahren zum Milliardär. Die
gewaltigen mit „Fortnite“ eingefahrenen Gewinne legt Epic derweil auf
andere Spieleentwickler um. Die Unreal-Engine kann seit einiger Zeit
kostenlos genutzt werden. Gewinnbeteiligungen werden erst fällig, wenn die
darauf programmierte Software selber Millionenumsätze macht.
## Ein knappes Drittel für Apple
Den Profit aus „Fortnite“ muss Epic jedoch teilen. Die Plattformen, auf
denen Spiele genutzt werden, verlangen von den Anbietern einen Anteil aus
den Verkäufen, im Appstore des iPhones drastische 30 Prozent. Garantiert
wird dieser goldene Schnitt dadurch, dass die gesamte Zahlungsabwicklung
beim Plattformanbieter liegt, in diesem Falle Apple. Epic und Sweeney
hatten davon offensichtlich genug, als sie in der vergangenen Woche in der
iPhone-App von „Fortnite“ einen Bezahlmodus unter Umgehung des Appstores
integrierten und diesen der Kundschaft mit einem 20-Prozent-Rabatt auf alle
Einkäufe schmackhaft machten. Die Begeisterung der Spieler*innen über
dieses Angebot wurde von Apple, wenig überraschend, nicht geteilt.
Erst Ende Juli [4][fand sich Apple-Chef Tim Cook zusammen mit den CEOs von
Facebook, Google und Amazon in einer Videoanhörung des US-Kongresses]
wieder. Dort strengt ein Ausschuss ein Verfahren wegen
Wettbewerbsverzerrung und unlauterer Monopolbildung an. Über mehrere
Stunden hinweg versuchten vier der mächtigsten Unternehmer der Welt, die
Abgeordneten davon zu überzeugen, dass sie in ihren jeweiligen
Geschäftsfeldern keine marktbeherrschende Stellung hätten und kein Stein im
Weg von Wettbewerb und Innovation seien. Cook zum Beispiel wies jeden
Vorwurf unlauteren Geschäftsgebarens im Appstore weit von sich.
Insofern hätte man vielleicht erwarten können, dass man bei Apple den
Vorstoß von Epic zwar zähneknirschend zur Kenntnis nehmen, aber angesichts
des Monopolverfahrens in einer gütlichen Einigung beizulegen versuchen
würde. Die Reaktion am vergangenen Donnerstag war jedoch weitaus
ungnädiger, „Fortnite“ wurde [5][umgehend aus dem Appstore entfernt].
Nun scheint es Tim Sweeney aber auch gar nicht um einen günstigeren Deal
mit Apple zu gehen, sondern um das Geschäftsprinzip des Konzerns. Denn nur
wenige Stunden später [6][reichte Epic eine offensichtlich schon länger
vorbereitete Klage gegen Apple ein]. Die Vorwürfe darin zielen genau auf
die gerade öffentlich diskutierten Kartell- und Monopolbildungsfragen ab.
Epic hatte Apple eine Falle gestellt – und der Weltkonzern war sehenden
Auges hineingestolpert. Die Falle ist potenziell derart gefährlich für
Digitalmonopolisten, dass Netzaktivist und Schriftsteller Cory Doctorow,
einer der wichtigsten Evangelisten des freien Netzes und der Souveränität
der Nutzer*innen, [7][den Konflikt bereits als „gerechten Krieg“
apostrophiert].
Und tatsächlich betont [8][Tim Sweeney in einer sorgsam choreografierten
PR-Offensive], inklusive [9][Trailer-Video], dass es ihm lediglich darum
gehe, dass Nutzer*innen frei entscheiden können, wie sie die von ihnen
gekauften Geräte nutzen wollen. Von dem Milliardenprofit, der Epic mit
einem Erfolg vor Gericht winken würde einmal abgesehen, stellt sich
tatsächlich die dringliche Frage, ob es einen legalen Hebel gibt, die
uneingeschränkte Macht der Digitalplattformen zu brechen. Deren Aufstieg
ist schließlich geprägt durch ein überraschend ambivalentes Verhältnis zum
Internet selbst. Dessen ursprüngliche anarchische Durchlässigkeit war
einerseits zwingende Vorbedingung für die Verbreitung der Technologien, mit
denen Facebook, Amazon, Google und Apple operieren.
Über die Jahre jedoch tendierten die Konzerne dazu, das Netz zu
fragmentieren, seine Durchlässigkeit in ihren jeweiligen Geschäftsfeldern
zu beschränken. Von quasi monopolistischen Anbietern [10][wurden sie so zu
Trägern des Marktes selber], die sowohl die Angebots- als auch die
Nachfrageseite zu ihren Gunsten manipulieren können.
## Kollateralnutzen in Aussicht
Für die Nutzer*innen kann das durchaus von Vorteil sein. Schließlich sind
die angebotenen Dienste für uns alle kostenlos, wenn auch im Tausch gegen
unsere Daten zur Verwertung für die Werbewirtschaft. Zu Verteidigung des
besonders hart eingegrenzten Apple-Universums wird außerdem gerne
vorgebracht, dass es besonders sicher und vertrauenswürdig sei. Und genau
[11][diese Sicherheit und dieses Vertrauen werde als Vermittlungsleistung
zwischen Entwickler*innen und Nutzer*innen im Appstore zum allseitigem
Vorteil eingesetzt]. 30 Prozent seien nicht unbedingt zu viel dafür
verlangt, dass auch völlig neue Programme ihren Weg zum Publikum finden
können, ohne einen eigenen Vertriebskanal aufbauen zu müssen. Eine
Argumentation, die natürlich nicht greift für einen Spielentwickler mit
Milliardenumsatz und einem geschäftlichen Interesse an direktem Zugriff auf
die Nutzer*innen und deren Daten.
Aber auch für die Nutzer*innen selber sollte das Konzept des „walled
garden“, also des schön ordentlichen und gepflegten, aber strikt
eingemauerten digitalen Gartens, Grund für Misstrauen sein. Geben sie doch
bereits mit dem Erwerb von Geräten und Software die Kontrolle über diese
gleich komplett wieder ab. Es ist ein bisschen so, als würde man einen
Hammer kaufen, den qua Nutzungsbedingungen aber ausschließlich mit der
rechten Hand benutzen und am besten nach Verwendung nicht weiter verkaufen
dürfen.
Egal ob Tim Sweeney nun die Rolle als prinzipientreuer Robin Hood wirklich
ausfüllen kann: In der Situation unermesslicher Marktmacht einiger
Superkonzerne kann seine Attacke tatsächlich einigen Kollateralnutzen
haben. Zunächst würde eine erzwungene Öffnung der Plattformen die
Interoperabilität erhöhen. Dass heißt, dass die Versuche, die Verwendung
bestimmter Software auf jeweils eine Plattform zu beschränken, beendet
werden müssten.
Das wäre nicht nur für die Anbieter von Cloudanwendungen, deren dezentrale,
plattformübergreifende Nutzung ja gerade ihr besonderes Plus sind, eine
gute Nachricht, sondern auch für deren Nutzer*innen. Noch nicht etablierte
Entwickler*innen von Apps müssten nicht von Anfang an 30 Prozent ihrer
potenziellen Einnahmen abschreiben und könnten gegebenenfalls einen Teil
der Ersparnis an die Kundschaft weitergeben. Epic machte das mit dem Rabatt
in seiner „Fortnite“-Provokation exemplarisch und propagandistisch
geschickt vor.
Außerdem wären bei leichtem Zugang zu Alternativen arrivierte Konzerne wie
Apple gezwungen, ihre eigenen Angebote kundenfreundlicher
weiterzuentwickeln, um neue Anreize für deren Nutzung zu schaffen. Und
nicht zuletzt hätten die User*innen tatsächlich ein Stückchen Souveränität
im Umgang mit ihren eigenen Geräten gewonnen.
Wie das Verfahren zwischen Apple und Epic ausgeht, ist völlig offen. Beide
Seiten zeigen sich absolut unversöhnlich. Die komplette Sperrung des
Appstore-Zugangs für Epic zum 28. August treibt den Preis der
Auseinandersetzung noch einmal in die Höhe. Kartellverfahren und Prozeduren
des US-Kongresse brauchen ihre Zeit. Immerhin gibt es jetzt aber einen
klagefähigen Geschädigten. Und der erweckt gerade den Eindruck, das bis zum
bitteren Ende durchfechten zu wollen. Hunderte Millionen Spieler*innen und
Milliarden Nutzer*innen digitaler Plattformen dürfen auf den Ausgang
gespannt sein.
18 Aug 2020
## LINKS
[1] https://venturebeat.com/2017/05/15/epic-games-tim-sweeney-fears-the-metaver…
[2] https://twitter.com/EpicNewsroom/status/1295430127455596544?ref_src=twsrc%5…
[3] https://www.bizjournals.com/triad/news/2017/03/07/epic-games-ceo-buys-193-a…
[4] /Tech-Unternehmen-im-US-Kongress/!5704893
[5] https://www.theverge.com/2020/8/13/21366438/apple-fortnite-ios-app-store-vi…
[6] https://www.ign.com/articles/apple-removes-fortnite-from-ios-app-store
[7] https://slate.com/technology/2020/08/epic-fortnite-apple-app-store-lawsuit-…
[8] https://twitter.com/TimSweeneyEpic/status/1294704882121932800
[9] https://www.youtube.com/watch?v=euiSHuaw6Q4
[10] /Buch-ueber-digitalen-Kapitalismus/!5682942
[11] https://stratechery.com/2020/apple-epic-and-the-app-store/
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
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