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# taz.de -- Konzert in Berlin: Ziemlich geschmeidig
> Flamenco trifft Noise und eingängige Hooks auf Klangforschung. Eine
> Doppel-Release-Show von La Tourette und Golden Diskó Ship.
Bild: Wer La Tourette live hören will, muss sich ein Ticket im Vorverkauf sich…
Die Welt des Klangs ist bekanntlich weit, aber gibt es darin tatsächlich so
etwas wie eine Schnittmenge von Flamenco und improvisiertem Noise? Ja, bei
La Tourette, der Berliner Band, bei der sowieso auf ziemlich geschmeidige
Weise zusammen geht, was man sich sonst nicht unbedingt zusammen denkt,
schon.
[1][Die Pianistin und Sängerin Tonia Reeh] und der Schlagzeuger [2][Rudi
Fischerlehner], haben natürlich auch ein paar gemeinsame musikalische
Nenner – experimentellen Neunziger-Indierock a la Shellac beispielsweise –
aber eben auch viele Vorlieben, bei denen sie divergieren, in denen nur
einer von beiden zu Hause ist.
Bei Fischerlehner ist das die eher abstraktere Instrumentalmusik, der er in
anderen Projekten nachgeht, freie Improvisation oder eben Noise, bei Reeh
dagegen zum Beispiel der Flamenco: „Naja, ich kann eigentlich gar keinen
Flamenco“, schiebt sie hinterher. „Aber mir gefällt die Rhythmik. Und was
an der Musik wirklich gut zu mir passt, ist der emotionale Gesang.“
Letzterer zieht sich durch ihre verschiedenen Projekten, angefangen bei den
noisig-flächigem Soundwelten Monotekktoni, bis zu ihren beiden Soloalben
„Boykiller“ (2011) und „Fight of The Stupid“ (2013), bei denen sie sich…
Klavier und Gesang fokussierte.
## Expressiver Ausdruck
Auch auf den neuen La Tourette-Album [3][„Future Kids“] sorgt ihre
wandelbare Stimme, der Reeh unter anderem Vergleiche zu Amanda Palmer oder
auch PJ Harvey einbrachte, für Wiedererkennungswert. Neben ihrem oft
perkussiven Klavierspiel ist der expressiver Ausdruck, der mal
schmerzerfüllt, dann wieder albern-verspielt daherkommt, zu ihrem
Markenzeichen geworden.
„Meine Eltern waren beide Opernsänger, was mich sicher geprägt hat; auch
wenn ich Oper früher doof und establishmentmäßig fand.“ Doch inzwischen
mache es ihr Spaß, so zu singen, den Kopf mal nicht einzuschalten und die
Stimme dafür „im ganzen Körper zu spüren“.
Erfreulicherweise kann das gerade erschienene Album mit einer [4][Record
Release Party] nun sogar live gefeiert werden – keine
Selbstverständlichkeit dieser Tage. Zwar ist das Gros der Songs vor Corona
entstanden. Doch erst während das Lockdowns kamen die beiden dazu, das
Album zu mischen – und ihm eine ziemliche eigene Klangfarbe zu verpassen
„Wir hatten es zusammen im Studio mit E-Piano und Schlagzeug aufgenommen;
zuhause habe ich dann mit meinem richtigen Klavier nochmal drüber gespielt.
Dadurch klingt das so leierig, was wie ein gewollter Effekt wirkt, aber nur
durch diese Dopplung der Klaviere zustande kam.“ Zwei Songs – das schön
abgehangene „Rest In Jail“, mit seinem zur Selbst-Isolierung passenden
Titel, und das flirrende „No Harm“ – sind in während der Lockdowns dann
noch dazugekommen.
## Rules to follow
Beim Hören staunt man allerdings eher, wie passend vor allem der Text des
leicht elegischen „Rain“ wirkt. „Oh we did not learn/ disease is what we
earn/(…) every thing has been contaminated/ first it was a friendly bet,
now its the rules to follow here“. heißt es da an einer Stelle. Darüber
staunte auch Reeh selbst, die Songschreiberin des Duos. „Krass, wie dieser
Text und noch ein paar andere plötzlich total gut in die jetzige Zeit
passen.“
„Future Kids“ erweist sich als wildes Konglomerat von Einflüssen, fast noch
eklektizistischer als der Vorgänger, das ebenfalls recht überbordenden
Debüt „The Great Mickey Mouse Swindle“ (2017). Das liegt nicht zuletzt
daran, dass sich Reeh und Fischerlehner beim Abmischen des Album bewusst
Klangziele gesetzt hatten.
„`Rest in Jail´ etwa sollte nach Motown klingen“, erzählt der Schlagzeuge…
„Dann haben wir uns gegenseitig Videos zugeschickt und ein bisschen
recherchiert“. „No Harm“ sei dagegen klanglich eher so ein „Diskoding“
geworden.
## Release nach dem Lockdown
Kennengelernt haben sich die beiden im Umfeld des Schokoladens in Mitte,
der ja – passend zu den vielen Einflüssen, die La Tourette in ihren Sound
einsickern lassen – ein ziemlich ambitioniertes, buntes Liveprogramm fährt.
Wenn die beiden zusammen spielen, so erzählen sie, entsteht eben eine
andere Dynamik als bei Reehs Soloschaffen. „Solo bestimme ich ganze allein,
was passiert. Wenn wir zu zweit sind, pushen wir uns gegenseitig, es wird
automatisch lauter. Mit Rudi spiele ich Klavier, als würde ich auf einer
E-Gitarre rumdreschen.“
Gespannt darf man auch auf die Live-Präsentation des experimentell-
elegischen Releases [5][„Araceae“] von Theresa Stoetges alias Projekts
[6][Golden Diskó Ship]. Das geplante Konzert zur Veröffentlichung im Mai
fiel dem Lockdown zum Opfer.
Jetzt aber ist es soweit und man darf sich endlich zu dieser eigenwilligen
Fusion aus eingängigen Hooks und Klangforschung im Abendlicht wiegen,
nachdem La Tourette sich verausgabt haben. Und welches besseres Setting
könnte es dafür geben als einen Sonnenuntergang im lauschigen Humboldthain?
19 Aug 2020
## LINKS
[1] /Tonia-Reeh-und-Marla-Hansen-im-HKW/!5701851
[2] http://www.rudifischerlehner.net/
[3] https://latourette.bandcamp.com/album/future-kids
[4] https://www.facebook.com/events/3148274271892327/
[5] https://karaokekalk.de/releases/golden-disko-ship-araceae-karaoke-kalk-118/
[6] /Neues-Album-von-Golden-Disko-Ship/!5684910
## AUTOREN
Stephanie Grimm
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