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# taz.de -- Die Wahrheit: Zielgenau ins Auge spucken
> Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (103): Die Kobra kann
> ihr Schlangengift nicht nur durch Bisse verbreiten.
Bild: Streckt sich auch ohne flötenden Fakir: Spuckkobra
Die Kobra (Naja naja) war bei den Ägyptern ein heiliges Tier und
Herrschaftssymbol, sie zierte den Stirnschmuck der Pharaonen. Als sich die
letzte Ptolemäerin Kleopatra (die VII.) mit dem römischen Statthalter
Ägyptens, Mark Anton, liierte, warf Oktavian ihm Verrat der römischen
Interessen vor und rückte mit Truppen gegen den Hof in Alexandria vor.
Kleopatra floh und ließ Mark Anton ausrichten, sie habe Selbstmord
begangen, woraufhin er sich in sein Schwert stürzte. Um nicht von Oktavian
gefangen genommen und in Rom hingerichtet zu werden, ließ sie sich von
ihrer Dienerin eine Kobra bringen, an deren Biss sie dann 30. v. Chr.
starb. So weit die Geschichte, wie sie Hollywood 1963 mit Richard Burton
und Elizabeth Taylor verfilmte.
2018 veröffentlichte der Münchner Professor für Alte Geschichten, Martin
Zimmermann, ein Buch über „Die seltsamsten Orte der Antike“. Darin schreibt
er: „Eine agile Kobra hätte sich nicht einfach unter Feigen verbergen und,
wie [Kleopatras Biograf] Plutarch berichtet, problemlos an den römischen
Wachen vorbeischmuggeln lassen. Zudem sei die Reaktion der Giftschlangen
völlig unberechenbar.“ Zimmermann plädiert für eine „einfachere Lösung:
Vermutlich trank die Königin mit ihren Dienerinnen ein aus Pflanzen
zubereitetes Gift.“
Eine ähnlich tragische Konstellation gab es bereits im Mythos von Orpheus
und Eurydike, wie er von Vergil erzählt wird: Der Sohn von Apollon will die
Nymphe Eurydike vergewaltigen, sie flüchtet, wird von einer Schlange
gebissen und stirbt. Ihr Geliebter, der Sänger Orpheus, versucht daraufhin
vergeblich, sie aus dem Hades zurückzuholen. Wenig später wird er selbst
laut Ovid von Mänaden, den berauschten Anhängerinnen des Dionysos,
zerrissen. Man erfährt nicht, ob Eurydike durch einen Kobrabiss starb.
Anders beim Tierpfleger Erwin Kroth im Aquarium des Bremer Überseemuseums:
Ein Grafiker, der in der ägyptologischen Abteilung des Museums arbeitete,
brachte von einer Nilreise zwei Kobras mit. Sie kamen zusammen in ein
Terrarium. Eines Tages hatte eine der Kobras eine weiße Maus gebissen und
begonnen, das tote Tier vom Kopf her zu verschlingen. Die zweite Kobra
stieß ebenfalls auf die Maus und begann sie vom anderen Ende her zu
verschlingen. Woraufhin die erste sie mitverschlang. Ihr Pfleger Erwin sah
das, packte kurzentschlossen beide Tiere und zog die zweite aus dem Maul
der ersten heraus. Diese zweite überlebte seltsamerweise, während die
hungrige erste an ihr erstickt war. Einige Zeit später biss die gerettete
Kobra den Pfleger, als er sie mit einer Maus füttern wollte. Das Aquarium
besaß ein Serum gegen das Kobragift, aber es war überaltert und bewirkte
eher das Gegenteil: der Pfleger Erwin starb.
## KK im KNP
Im südafrikanischen Krüger-Nationalpark lebt ein Wildhüterehepaar – Kobie
und Kobus Krüger – in einem der schönen, wenn auch abgelegenen
Wildhüterhäuser. Sie haben einen großen Garten. Er ist zwar eingezäunt,
aber das hält viele Tiere nicht davon ab, ihn zu ihren Revieren zu zählen.
Genau andersherum als in der übrigen Welt müssen die in den Nationalparks
lebenden Beschäftigten sich in die Reviere der vielen Tiere einpassen, sie
können nicht einfach zum Beispiel einen Elefanten abschießen, der den Zaun
durchbrochen hat und sich daran macht, ihren Garten zu verwüsten. Das
Ehepaar hat nur Tiere als Nachbarn, die manchmal bis ins Haus kommen.
Kobie Krüger, die die meiste Zeit allein zu Hause ist und Mozart hört, weil
ihr Mann im riesigen Park unterwegs ist und ihre drei Kinder im weit
entfernten Internat des Nationalparks, zieht immer mal wieder verwaiste
oder verletzte Tiere groß, unter anderem einen Löwen. Außerdem kümmert sie
sich um die permanent in ihrem Garten lebenden Tiere, dazu gehört auch eine
Kobra, die im Blumenbeet neben dem Haus lebt, wo auch ihr Löwe sich am
liebsten auf die Lauer legt, um ihre Hunde, mit denen er groß geworden ist,
hinterrücks zu überfallen. „Gäste, die das Haus ansteuerten, wurden
entweder von einem Löwen angefallen oder von einer Kobra bespuckt.“
Es ist eine Speikobra, die ihr Gift einem vermeintlichen Feind auch
zielgenau ins Auge spucken kann. Die südafrikanische Farmerstochter Kobie
Krüger schreibt in ihrem Buch „Ich trage Afrika im Herzen“ (2003): „In d…
ersten Zeit kam es mir überhaupt nicht in den Sinn, dass Schlangen ein
Recht haben könnten, sich in unserem Garten aufzuhalten, und ich erklärte
ihnen den Krieg. Ich hegte ein so tiefes Misstrauen gegen sie, besonders
gegen Mambas und Kobras, dass ich nicht einmal mit ihnen verhandeln
wollte.“ Nach einem Jahr war sie jedoch so entnervt, dass sie den Krieg
nicht länger fortsetzen konnte und wollte. „Besser war es, allen Schlangen
aus dem Weg zu gehen.“
## Achtung beim Klogang
Die Speikobra hatte sie zuerst in ihrem Badezimmer entdeckt. Beim nächsten
Mal lag sie in der Kloschüssel. Als Kobie und ihre Tochter sich noch
wunderten, wie sie dahin gekommen war, verschwand sie im Fallrohr, dass
unterirdisch zum nahen Fluss verlief. Oft lag die Schlange vor der Haustür
und sonnte sich. Mehrmals war die Autorin unaufmerksam und kam der Kobra zu
nahe, die sie daraufhin anspie und im Blumenbeet verschwand. Zum Glück
immer nur an die Beine, wo Kobie das Gift bloß abzuwaschen brauchte. Sie
bemerkte jedoch, dass auch die Schlange sich langsam an die Bewohner des
Hauses gewöhnte.
Als die Autorin eines Morgens die Schlafmatten der Hunde aufhob, um sie
aufzuschütteln, „fiel unsere Hauskobra heraus und landete auf meinem Fuß.
Sie verschwand jedoch sofort in ihrem Blumenbeet neben der Küche.“
Die Schlange war zwar riesig, aber nicht sonderlich nervös oder reizbar,
„anscheinend hatte sie sich damit abgefunden, dass sie immer menschliche
Nachbarn haben würde. Ihre Einstellung deckte sich mehr oder weniger mit
der unseren.“ Als die Autorin einmal am Beet von ihrem Löwen angesprungen
wurde und genau vor die Schlange fiel, spuckte sie ihr doch noch mal ans
Bein. Kobie wollte daraufhin ein Schild „Vorsicht Löwe und Giftschlange“
neben dem Gartenweg aufstellen, aber das klang ihr dann zu „dramatisch“.
## Überleben
Anders in einem namibischen Nationalpark, dort erschießt einer der
Wildhüter jede Speikobra, die er sieht, wie der Volontär Sebastian Hilpert
in seinem Buch „Überleben“ (2019) schreibt.
In Indien gibt es oder gab es ganze Dörfer, die vom Kobrafang lebten. Die
Schlangen verkauften sie an traditionelle Schlangenbeschwörer und moderne
Schlangenfarmen, die mit dem Gift der Tiere, das sie ihnen abmelkten, Serum
herstellten. Die Inder gehen zwar nicht so locker wie Kobie Krüger mit
Kobras um, aber die Beförderungsordnung der Eisenbahngesellschaft erlaubt
ihnen immerhin drei Transportmöglichkeiten für Giftschlangen in
Personenzügen.
In Indien gibt es etwa 1.000 Tieraltersheime, sie sind vor allem für die
Heiligen Kühe da, nehmen aber auch Krähen, Skorpione und Kobras auf, die
nicht mehr richtig in der Lage sind, sich selbst zu ernähren.
17 Aug 2020
## AUTOREN
Helmut Höge
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