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# taz.de -- Indiens historischer Fußballerfolg: Pokalsieg gegen den Imperialis…
> 1911 gewann der Mohun Bagan AC gegen eine britische Kololnialistenelf den
> Landespokal. Es ist bis heute der größte Erfolg des indischen Fußballs.
Bild: Kultklub mit Geschichte: 2015 feierten die Fans von Mohun Bagan die indis…
So schön ist Fußball: „Es erfüllt jeden Inder mit Freude und Stolz, dass
reisfressende, von Malaria geplagte, barfüßige Bengalen den
rindfleischfressenden, herkulischen John Bull in seinem sonderbaren
englischen Sport geschlagen haben.“ Der so von einer indischen Tageszeitung
1911 bejubelte 2:1-Sieg des Mohun Bagan AC aus Kalkutta über das East
Yorkshire Regiment im Finale um das IFA Shield ist bis zum heutigen Tage
die Sensation [1][des indischen Fußballs].
IFA ist die Abkürzung für Indian Football Association, doch es waren
Engländer, die die IFA aufbauten und kontrollierten. Bis in die 1920er
Jahre durften keine Inder dabei sein. Weil Mohun Bagan in kleineren
Turnieren ein paar britische Teams geschlagen hatte, wurde es 1909
eingeladen, am IFA Shield teilzunehmen.
Gastteams sind dort bis heute keine Seltenheit. 2005 konnte Bayern München
II das Finale gewinnen, trainiert von Gerd Müller. Der Hintergrund war,
dass der FC Bayern, der auch [2][ein Abschiedsspiel für Oliver Kahn in
Kalkutta] absolvierte, sich damals anschickte, den indischen Markt zu
erobern – mit Fernsehrechten, Merchandise und Werbewirkung. Dass das
sportlich kein Problem sei, davon war man in München überzeugt.
Auch 1911 glaubte die britische Kolonialbehörde fest an die Überlegenheit
des englischen Fußballs. Mit einer gewissen Überheblichkeit wurde
registriert, dass die Inder barfuß spielten. Als im Finale fünf Minuten vor
Schluss vor 100.000 Zuschauern das Siegtor zum 2:1 fiel, war die britische
Blamage ziemlich nachhaltig. Der britische Imperialismus war geschlagen
worden.
## Die „Unsterblichen Elf“
„Mohun Bagan ist keine Fußballmannschaft. Es ist ein unterdrücktes Land,
das im Staub liegt und gerade seinen Kopf zu heben beginnt“, so hat es
später der bengalische Schriftsteller Achintya Kumar Sengupta formuliert.
Im Jahr 2011, hundert Jahre später, wurde ein Spielfilm über die
„Unsterblichen Elf“ gedreht, die diesen Sieg über die Kolonialmacht
erreicht hatten.
Die britische Armee hatte den Fußball wie auch Cricket nach Indien
gebracht, um die dortige Gesellschaft kulturell zu dominieren und in ihrem
Sinne zu prägen, doch am 29. Juli 1911 schlug die Dialektik des Fußballs
zu: Er wurde zum Medium des Widerstands.
Aber dieser Sport ist nicht nur schön, sondern auch kompliziert. Die
Sportwissenschaftler James Mills und Paul Dimeo haben darauf hingewiesen,
dass zwar der Sieg im Finale eindeutig war, die symbolische Bedeutung aber
keineswegs. Schließlich kamen Sport und Regeln, ja, der ganze Wettbewerb
von der Kolonialmacht. Indem der bengalische Verein am IFA Shield teilnahm,
akzeptierten die Kicker die „Legitimität der Diskurse über Stärke und
Selbstdisziplin, die der vom britischen Raj eingeführten Körperpolitik
zugrunde liegen“, schrieben Mills und Dimeo 2003.
Anders gesagt: Hätten sie verloren, so wäre nach derselben Logik, nach der
der Sieg als Triumph über Rassismus und Kolonialismus gefeiert wurde, eine
Lesart erlaubt gewesen, wonach die Engländer halt die Besseren seien. Das
Dilemma ist nicht neu und keinesfalls nur im Fußball bekannt. Jeder, der
vor Gericht zieht, weiß (oder sollte wissen), dass es auch schiefgehen
kann.
Mohun Bagan hat 1911 viel riskiert. Der Sieg war ein wichtiger Meilenstein
auf dem Weg [3][Indiens in die Unabhängigkeit]. Aber es war nicht der
Beginn einer besonderen Präsenz Indiens im Weltfußball. Dafür hat sich das
gesamte von Europa geprägte Gebilde Fußball als zu mächtig erwiesen. Doch
ein bisschen schöne Dialektik hat der Fußball immer noch zu bieten, nach
dem 5:1-Sieg von Bayern München II über den bengalischen Eveready AC folgte
ja auch keine deutsche Dominanz in indischen Stadien.
12 Aug 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Martin Krauss
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