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# taz.de -- Motorradtaxis in Uganda: Zittern vor den Boda-Bodas
> Die Motorradtaxifahrer in Ugandas staugeplagter Hauptstadt Kampala sind
> für die Behörden potenzielle Virenträger – und Regierungsgegner.
Bild: Für tausende junge Männer eine Erwerbsquelle, jetzt durch Corona bedroh…
Berlin taz | „Erst durften wir monatelang nicht arbeiten und konnten unsere
Familien nicht ernähren, und jetzt das!“, regt Steven Ssentongo sich auf.
Der 25-jährige Motorradtaxifahrer aus Uganda ist wütend auf die „korrupten
Politiker, die nie an uns Leute ganz unten denken“.
Uganda öffnet sich nach knapp acht Wochen [1][Ausgangssperre] nur langsam.
Die Ausgangssperre wurde im Mai auf wenige Stunden nachts reduziert,
Geschäfte und Restaurants sind wieder geöffnet. Minibusse und Taxis, auch
Motorradtaxis, durften bislang jedoch keine Passagiere mitnehmen. Dies ist
jetzt wieder erlaubt.
Doch Präsident Yoweri Museveni hat neue Regeln eingeführt: Fahrer und
Passagiere sollen neben Helmen auch Masken tragen. Motorradtaxifahrer
werden registriert, die Sitze nach jeder Fahrt desinfiziert, die
Kontaktdaten aller Passagiere aufgezeichnet. Und: Die staugeplagte
Innenstadt bleibt für sie gesperrt.
Dies macht Ssentongo jetzt das Leben schwer: „Alle Kontakte aufzuschreiben
kostet Zeit, und die meisten meiner Fahrten gehen in die Innenstadt“, klagt
er. Immerhin: Er kann schreiben. Aus den ländlichen Regionen wurde
bekannt, dass Motorradfahrer Lehrer anheuern und bezahlen müssen, um ihnen
das Schreiben beizubringen oder die Registerbücher für sie zu führen. Da
die Schulen geschlossen sind, sind die meisten Lehrer arbeitslos und
brauchen das Geld.
## 1.000 Motorräder beschlagnahmt
„Boda-Boda“ werden die Motorradtaxen in Uganda genannt, abgeleitet von dem
englischen Wort „Border“ (Grenze). Früher galten sie als typisches
Transportmittel über die Grenzen nach Kenia und Tansania, weil Autos nicht
durchgelassen wurden. Mittlerweile sind sie in Uganda das beliebteste
Verkehrsmittel. Allein in Kampala, wo auf den engen Straßen zu
Hauptverkehrszeiten kaum ein Durchkommen ist, sind über 200.000 unterwegs.
Sie schlängeln sich im Stau hindurch, zur Not geht’s über den Bürgersteig.
Boda-Bodas sind in Uganda, wo drei Viertel der Bevölkerung unter 30 Jahre
alt sind und viele kein Einkommen haben, der größte Erwerbssektor für junge
Männer. Besonders für diejenigen, die wie Ssentongo nur die Grundschule
besucht haben und kaum lesen und schreiben können. Der Sektor ist damit
nicht nur wirtschaftlich wichtig, sondern auch politisch: Er fängt die
ungebildeten jungen Männer auf, die sonst gern zur Waffe greifen.
Doch jetzt sind Ugandas Boda-Boda-Fahrer die Verlierer der Coronakrise.
Bereits Ende Juli machte Betty Amongi, Ministerin für Kampala, die
Innenstadt boda-boda-frei: „Dort herrscht dichtes Gedränge und eine hohe
Menschenansammlung“. Polizisten wurden stationiert, um Fahrer zu stoppen.
Knapp 1.000 Motorräder wurden allein an einem Wochenende beschlagnahmt.
Musatafa Mayambala, Vorsitzender der Transportbehörde (Utrada), die für
Bodas zuständig ist, wirft der Stadtverwaltung Kampalas vor, die Regeln
nicht mit den Betroffenen abgesprochen zu haben. „Das ist unfair“, sagt
Mayambala. Er fordert Gespräche, sonst drohten Streiks und Proteste, warnt
er.
## Straßenschilder, neue Regeln, höhere Preise
Dies hat die Regierung hellhörig gemacht. Ugandas Boda-Fahrer gelten als
Anhänger der Opposition und waren bereits in der Vergangenheit für
zahlreiche Aufstände in Kampala verantwortlich. Anfang 2021 sind Wahlen
angesetzt, die in Uganda regelmäßig mit gewaltsamen Protesten einhergehen.
Präsident Yoweri Museveni bemüht sich nach dann 35 Jahren an der Macht um
eine weitere Amtszeit.
Um die Gemüter zu beruhigen, mischte sich Transportminister Katumba Wamala
ein und setzte eine Dreimonatsfrist bis November. Bis dahin sollen alle
Boda-Fahrer landesweit registriert werden, neue Nummernschilder erhalten
und sich an die neuen Regeln halten müssen. Und man werde bis dahin
Straßenschilder aufstellen, die die boda-freien Zonen kennzeichnen. Doch
Amongi betonte noch einmal, dass sie keine Nachsicht walten lasse: „Alle
Boda-Boda-Fahrer müssen sich an diese Regeln halten.“
Steven Ssentongo hat also gar keine Wahl. Er hat sich Stifte, ein
Notizbuch und Desinfektionsspray gekauft und sagt: „Ich muss wohl jetzt
meine Preise erhöhen, um nicht nur meine Anschaffungen, sondern auch die
verlorene Zeit wettzumachen.“
13 Aug 2020
## LINKS
[1] /Corona-und-Klimawandel-in-Uganda/!5696960
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
Uganda
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Drogen
Schwerpunkt Fridays For Future
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