| # taz.de -- Prozess zum Mord an Walter Lübcke: Die Geständnisse des Stefan Er… | |
| > Im Prozess um den Mord am Politiker Walter Lübcke betont der Angeklagte, | |
| > er habe ihn getötet. Seine Verteidiger hätten ihm Falschaussagen | |
| > empfohlen. | |
| Bild: Was ist dran, an Ernsts Vorwürfen gegen ihn? Der Anwalt Frank Hannig | |
| Frankfurt a. M. taz | Erstmals erklingt im Gerichtssaal am Montag die | |
| Stimme des Mannes, dessen Ermordung hier seit Wochen verhandelt wird. Über | |
| die Leinwand hinter dem Richtertisch flimmert die Videosequenz, die den | |
| damaligen Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke im Oktober 2015 zum | |
| Zielobjekt rechtsextremistischer Hetze machte. Auf einer Bürgerversammlung | |
| verteidigt er die Politik der Bundeskanzlerin und dankt den vielen | |
| Freiwilligen für die Aufnahme der Flüchtlinge. | |
| „Ich bin stolz darauf“, bekennt er sich zu den Werten einer offenen | |
| Gesellschaft. „Wer diese Werte nicht vertritt, der kann das Land | |
| verlassen.“ Diese Worte Lübckes gehen damals in Buhrufen aus dem Publikum | |
| unter. Einer der Empörten tut sich besonders hervor: „Ich glaub’s nicht“, | |
| brüllt er, und: „Verschwinde!“ | |
| „Waren Sie das?“, fragt der Vorsitzende Richter den Angeklagten Stephan | |
| Ernst am Montag. „Ja“, antwortet der Mann, der den Mord an Lübcke | |
| inzwischen mehrfach gestanden hat. | |
| Vom Tag des Lübcke-Autritts an waren Ernst und sein Mitangeklagter Markus | |
| H. offenbar auf Rache aus. Im Juni 2019 dann wird Lübcke erschossen auf der | |
| Terrasse seines Gartens aufgefunden. Man habe erst überlegt, bei Lübcke | |
| eine Scheibe einzuwerfen oder sein Haus zu besprühen, sagt Ernst Dann | |
| hätten sie erwogen, sein Auto zu präparieren. Schließlich hätten sie einen | |
| „Besuch“ geplant, um ihn zu „schlagen“. Viermal sei Ernst in der Folgez… | |
| nach Istha gefahren, um Lübckes Wohnort auszukundschaften. Auch H. sei | |
| zweimal dabei gewesen. Die Planungen der beiden radikalisierten sich. „Der | |
| endgültige Entschluss war im April 2019 gefallen“, antwortet Ernst auf die | |
| Frage nach der Entscheidung, Lübcke zu töten. | |
| ## Ein Geständnis pro Verteidiger | |
| Seit drei Verhandlungstagen bleibt Ernst konsequent bei dieser dritten | |
| Version seines Geständnisses, mit der er sich selbst und seinen | |
| Mitangeklagten schwer belastet. Gemeinsam hätten sie die Tat geplant und | |
| ausgeführt. Nicht H., sondern er selbst habe geschossen, gezielt, auf den | |
| Kopf, in Tötungsabsicht. | |
| Drei Verhandlungstage lang hat Ernst viele detaillierte Fragen beantwortet. | |
| Die jetzige Darstellung widerspricht früheren Aussagen deutlich. Ernsts | |
| Erklärung dafür: Seine Verteidiger hätten ihm jeweils dazu geraten. Sein | |
| erster Verteidiger habe ihm gar finanzielle Unterstützung zugesichert, | |
| sollte er aussagen und dabei H. „außen vor“ lassen. Sein zweiter Anwalt | |
| Frank Hannig, von dem Ernst sich inzwischen getrennt hat, habe ihm dann | |
| geraten, H. zu belasten: Der habe die Waffe gehalten, als der Schuss sich | |
| versehentlich gelöst habe. | |
| Es fällt tatsächlich nicht leicht, die diversen Wendungen nachzuvollziehen, | |
| in denen Ernst die entscheidenden Stunden dieses Falles geschildert hat. | |
| Auch die Geschichten über seine Verteidiger klingen ungeheuerlich; völlig | |
| ausgeschlossen scheint aber nicht, dass der mutmaßliche Mörder – psychisch | |
| instabil und von seiner Tat und der Verhaftung erschüttert – auf falsche | |
| Ratgeber gehört hat. | |
| Die Verteidigung des wegen Beihilfe angeklagten H. hat vorsichtshalber | |
| beantragt, Ernsts Glaubwürdigkeit begutachten zu lassen. Schließlich könnte | |
| H. auch als Mörder verurteilt werden, sollte das Gericht Ernsts zweiter | |
| Einlassung folgen. In einem Antrag zitiert H.s Verteidigung aus den | |
| Gerichtsakten. Danach seien bei Ernst bereits 1994 schizoide Züge | |
| diagnostiziert worden, später habe es Hinweise auf ein Borderline-Syndrom | |
| gegeben. | |
| Über H.s Motive erfährt das Gericht nur durch den Hauptangeklagten. „Das | |
| geht in die Richtung Reichsbürger“, sagt Ernst. Bei der Durchsuchung von | |
| H.s Wohnung fand die Polizei die Kappe einer Zyklon-B-Gasflasche, offenbar | |
| genutzt als Stifthalter. „NS-Devotionalien waren halt sein Ding“, sagt | |
| Ernst. In den Bücherregalen standen Heldengeschichten über die Waffen-SS. | |
| Vor den Büchern paradierten Zinnsoldaten in SS- oder Wehrmachtsuniform im | |
| Stechschritt und mit Hitlergruß. | |
| 10 Aug 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Christoph Schmidt-Lunau | |
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