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# taz.de -- Deutsche im Irak entführt: Die Kulturvermittlerin
> Für viele in Iraks Kulturszene war Hella Mewis ein Haltepunkt, seit sie
> 2013 ins Land kam. Jetzt wurde die deutsche Theatermanagerin entführt.
Bild: Am Bait-Tarkib-Kunstzentrum in Bagdad wurde Hella Mewis von bewaffneten M…
Berlin taz | Nachdem die irakische Stadt Mossul vom IS befreit wurde,
wollte Mohammed Amir* (Name geändert) eigentlich das Land verlassen. „Ich
war durch“, sagt Amir, der während der Terrorherrschaft in Mossul lebte und
als Musiker täglich um sein Leben fürchten musste. Doch als er Hella Mewis
in Bagdad kennenlernte, änderte er seine Pläne. „Hella war einer der
wichtigsten Gründe, warum ich mich entschied, im Irak zu bleiben.“
Seit 2013 lebt die Ostberlinerin und ausgebildete Theatermanagerin in der
irakischen Hauptstadt. Hier hat sie 2015 das Künstlerkollektiv Tarkib
gegründet und zwei Jahre später mit Bait Tarkib das erste Zentrum für
zeitgenössische Kunst eröffnet. „Ich bin aus dem Flugzeug ausgestiegen,
habe meinen Fuß auf Bagdads Boden gesetzt und wusste: Ich bin zu Hause“,
sagte Mewis 2018 [1][gegenüber der Frankfurter Rundschau]. Das Kollektiv
organisiert Ausstellungen und Festivals. Für viele junge Künstlerinnen und
Künstler war Tarkib die erste Anlaufstelle.
„Wir wollten langfristig etwas aufbauen“, sagt Amir. „Wir wollten nicht
aufhören, egal, wie schwierig es wird.“
Am Montagabend wurde Hella Mewis in Bagdad entführt. Sie war offenbar mit
dem Fahrrad auf dem Rückweg vom zentralen Tahrir-Platz zum Tarkib, als zwei
Fahrzeuge sich ihr näherten und sie aus dem Wageninneren heraus
aufgegriffen wurde. Das irakische Innenministerium hat die Entführung
bestätigt.
## Mit dem Fahrrad durch Bagdad
Ihre Entführung war für Amir wie für viele irakische AktivistInnen ein
Schock. „Nach Mossul habe ich mir geschworen, diesen Horror nicht mehr
leben zu wollen“, sagt er – diese permanente Angst um sich selbst und um
andere. „Doch jetzt bin ich wieder an diesem Punkt.“
Hella Mewis ist weithin bekannt in der Bagdader Kulturszene. Seit sie im
Rahmen eines Theaterprojekts das erste Mal nach Bagdad reiste, ließ die
Stadt sie nicht mehr los. „Manche Leute nennen sie ‚Hella, die Deutsche‘�…
sagt der Aktivist Ali Amer Almikdam. „Doch das hat sie immer wütend
gemacht. ‚Ich bin Karraderin‘, hat sie dann jeweils geantwortet.“
Karrada ist das Stadtviertel im Zentrum Bagdads, in dem das Kulturzentrum
Tarkib unweit des Flusses Tigris in einer ruhigen Seitenstraße liegt. Das
Grundstück ist eine Oase in der chaotischen Stadt; auf der Terrasse oder im
Garten trifft man fast immer junge IrakerInnen an, die hier an ihren
Projekten arbeiten.
Anders als die meisten anderen AusländerInnen, die in Bagdad in hoch
gesicherten Häusern oder in der von der irakischen Gesellschaft komplett
abgeschotteten Grünen Zone lebten, war Mewis ein Teil der lokalen
Kulturszene. Sie fuhr nicht mit Personenschutz zur Arbeit, sondern mit dem
Fahrrad.
Auch wenn manche IrakerInnen Mühe hatten zu verstehen, wieso Mewis als
Deutsche dieses Risiko freiwillig auf sich nehme, so war es auch vor allem
ihre Nahbarkeit, die sie für viele junge KünstlerInnen zu einem wichtigen
Anker machte. „Sie war eine wirkliche Friedensstifterin“, sagt Amir.
Mewis unterstützte die [2][Massenproteste], die im Oktober vergangenen
Jahres ausbrachen und Hunderttausende vor allem junge Menschen gegen das
korrupte System und die Regierung auf die Straße trieben. Dabei wurden
Hunderte Protestierende erschossen, AktivistInnen wurden von Unbekannten
bedroht und entführt. Immer mehr denken daran, Bagdad zu verlassen.
Bereits vor zwei Wochen wurde Hisham al-Hashemi, einer der bekanntesten
irakischen Analysten, vor seinem Haus in Bagdad erschossen. Viele sehen
die Entführung Mewis’ vor diesem Hintergrund.
21 Jul 2020
## LINKS
[1] https://www.fr.de/fr7/schaffen-11040512.htm
[2] /Protestbewegung-im-Irak/!5656703
## AUTOREN
Meret Michel
## TAGS
Irak
Bagdad
Irak-Krieg
Hella Mewis
Politische Kunst
Irak
zeitgenössische Kunst
Kolumne Orient Express
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Schwerpunkt Coronavirus
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