# taz.de -- Rechte Gewalt bekämpfen: Tödliche Symbolpolitik | |
> Rechte Ressentiments und Rassismus sitzen tief und werden durch Politiker | |
> noch befeuert. Berliner Inis wehren sich. | |
Bild: Wehrte sich mit ihren Texten gegen Rassismus und analysierte ihn: May Ayim | |
„im november 1938 / zerklirrten zuerst / fensterscheiben“, heißt es in | |
einem Gedicht der afrodeutschen Dichterin, Wissenschaftlerin und Aktivistin | |
May Ayim, das 1992 entsteht. | |
Zwei Jahre zuvor prügeln Nazis in Eberswalde Amadeu Antonio zu Tode. Im | |
August 1992 dann machen sich in [1][Rostock-Lichtenhagen] Hunderte Deutsche | |
zu einem rassistischen Progrom gegen Asylsuchende und Menschen auf, die als | |
Vertragsarbeiter*innen aus Vietnam in die DDR gekommen waren. Tausende | |
Zuschauer*innen applaudieren dazu. | |
Auch CDU, CSU und Bild hatten seit 1986 mit ihrer Anti-Asyl-Kampagne den | |
Boden dafür bereitet. Schwindler und Betrüger seien die Asylsuchenden, die | |
von den Sozialleistungen in der Bundesrepublik angelockt würden, heißt es. | |
Doch längst nicht nur Asylsuchende fallen den rassistischen Ressentiments | |
zum Opfer. | |
Dragomir Christinel, Nguyen Van Tu, Sadri Brisha, Ireneusz Szyderski, und | |
und... | |
Im Dezember 1992 hatte die Regierung dann die SPD soweit, gemeinsam die | |
Verfassung anzutasten und den „Asylkompromiss“ zu schließen. Der Rassismus | |
aber sitzt noch tiefer. | |
Bahide Arslan, Yeliz Arslan,Ayşe Yılmaz, Gürsün İnce, Hatice Genç, Gülü… | |
Öztürk, Hülya Genç, Saime Genç und, und ... | |
Selbst wenn die Polizei nur einen Querschnitt durch die Gesellschaft | |
darstellen sollte, schlimm genug. | |
Oury Jalloh und und... | |
Von Migration als „Mutter aller Probleme“ spricht 2018 noch der | |
Innenminister, von „Asyltourismus“ spricht einer, der als zukünftiger | |
Kanzler gehandelt wird. | |
Gökhan Gültekin, Ferhat Ünver, Hamza Kurtović, Mercedes Kierpacz, Sedat | |
Gürbüz, Kalojan Welkow, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Said Nessar El | |
Hashemi, Gabriele Rathjen und und... | |
„im november 1938 / zerklirrten zuerst / fensterscheiben / dann / wieder | |
und wieder / menschenknochen / von juden und schwarzen und / kranken und | |
schwachen von / sinti und roma / und / polen von lesben und / schwulen von | |
und von / und von und von / und und“, heißt es bei May Ayim. „deutschland | |
im herbst“ heißt das Gedicht. | |
Von mindestens 208 Todesopfern rechter Gewalt in den 30 Jahren seit der | |
Vereinigung geht die Amadeu Antonio Stiftung aus. | |
Mit seiner Blockade der Landesaufnahmeanordnungen Thüringens und Berlins | |
macht der Innenminister weiterhin rassistische Symbolpolitik auf Kosten | |
schutzsuchender Menschen. Dabei gibt es über 150 „Sichere Häfen“ in | |
Deutschland – Kommunen, Städte und Bundesländer, die bereit sind, | |
flüchtende Menschen aufzunehmen. | |
„Beendet die rassistische und tödliche Abschottungspolitik Deutschlands und | |
Europas!“, heißt es im Aufruf zu einer [2][Sterndemo am Samstag]. „Es muss | |
alles daran gesetzt werden, die Kriminalisierung und Blockaden der zivilen | |
Seenotrettung – wie jüngst die der Sea-Watch 3 – zu beenden, geltendes | |
Recht einzuhalten, sowie zu einer europäischen Rettungsmission | |
zurückzukehren.“ Es wird zu Abstand und Mund-Nasenschutz aufgerufen. | |
(Samstag, 25. Juli, 14 Uhr, Alt-Moabit 140 oder Unter den Linden 78) | |
„Der Kampf für ein abschiebefreies Berlin geht weiter!“, heißt es hingegen | |
am Oranienplatz. Im Bilgisaray wird es von 16.00 bis 21.30 Uhr veganes | |
Essen und Getränke geben. Die erbetenen Spenden werden Menschen zugute | |
kommen, die gegen ihre eigene Abschiebung kämpfen. Aufgrund der | |
Inefktionsgefahr wird draußen gegessen, zum Beispiel am Oranienplatz, der | |
nach der durch seine Besetzung 2012 bis 2014 ein Symbol wurde für den Kampf | |
gegen Grenzen, Abschiebungen und Rassismus (Samstag, 25. Juli, 16.00 Uhr, | |
Oranienstraße 45) | |
„Eine warme, liebevolle, sexuelle, perverse, radikale und kämpferische Demo | |
gegen jede Herrschaft und gegen jeden Krieg“, will der [3][Anarchistische | |
Christopher Street Day sein] (Samstag, 25. Juli, 18.00 Uhr Kottbusser Tor). | |
„im neuvereinten deuschland / das sich so gerne / viel zu gerne / | |
wiedervereinigt nennt / dort haben in diesem und jenem ort / zuerst häuser | |
/ dann menschen / gebrannt“, schreibt Ayim, die vor 60 Jahren geboren wurde | |
und nur den Herbst erlebte. Die Hoffnung bleibt, dass der Winter irgendwann | |
zu Ende geht. | |
23 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Kommentar-25-Jahre-Lichtenhagen/!5435504 | |
[2] https://seebruecke.org/events/menschen-ueber-grenzen-solidarische-sterndemo/ | |
[3] https://iwspace.de/event/anarchist-queer-pride-2020-berlin/ | |
## AUTOREN | |
Stefan Hunglinger | |
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