# taz.de -- Obdachlosencamp Rummelsburger Bucht: Keine Probleme, sondern Mensch… | |
> Es müsste einen runden Tisch mit allen Beteiligten geben – auch mit | |
> Vertretern der Selbstverwaltung des Camps. Ein Wochenkommentar. | |
Bild: Neben Camps sind immer wieder auch vereinzelte Zelte von Obdachlosen in d… | |
Während der Streit um das umstrittene Aquarium „Coral World“ noch andauert, | |
hat das Obdachlosencamp an der Rummelsburger Bucht wieder beachtliche | |
Dimensionen erreicht. Geschätzt über 100 Menschen leben versteckt hinter | |
Büschen, Bäumen und Bauzäunen am Rande einer Brache am S-Bahnhof Ostkreuz. | |
Die Bewohner*innen haben sich häuslich eingerichtet: Verschläge aus | |
Bauresten, Zelte und alte Wohnwägen dienen als Behausung. Einige haben sich | |
sogar Vorgärten eingerichtet, umzäunt mit Holzpaletten. Von Anwohnenden | |
wird das Camp oft als „Favela“ oder „Slum“ bezeichnet. | |
Bisherige Versuche seitens des Senats und des zuständigen Bezirks | |
Lichtenberg einen zufriedenstellenden Umgang mit dem Camp zu finden, | |
scheiterten. Eine Ausweichunterkunft in Karlshorst, die vergangen Winter | |
den Bewohner*innen angeboten wurde, entpuppte sich als ungeeignet für | |
dauerhaftes Bewohnen. Bemühungen von Sozialarbeiter*innen, die | |
Bewohner*innen in feste Unterkünfte zu vermitteln, schlugen ebenso fehl: Es | |
kamen deutlich mehr Menschen neu in das Camp, als in Unterkünfte vermittelt | |
werden konnte. | |
Der Bezirk duldet das Camp stillschweigend. Nach eigener Aussage, weil | |
durch Räumungen keine Probleme gelöst werden: Die Obdachlosen würden an | |
anderer Stelle wieder ihre Zelte aufschlagen. Andererseits zögert die | |
Stadt, die besonders in Pandemiezeiten, dringend benötigte Infrastruktur in | |
Form von Toiletten und Trinkwasser bereitzustellen. Offenbar fürchtet man, | |
eine solche Maßnahmen würde weitere Obdachlose anlocken. | |
## Als Problem wahrgenommen | |
Obwohl das Verhalten des Bezirks im Vergleich zum Umgang mit anderen Camps | |
in Berlin sehr tolerant ist, offenbart es eine zynische Logik: Obdachlose | |
Menschen werden in erster Linie als Problem wahrgenommen. Ein Grund dafür | |
dürften auch die vielen Beschwerden von Anwohnenden sein, die sich durch | |
Lärm und Müll belästigt fühlen und die Camp-Bewohner*innen als bedrohlich | |
wahrnehmen. | |
In diesem Spannungsverhältnis zwischen Camp-Bewohner*innen und Anwohnenden | |
liegt aber auch eine Lösungsmöglichkeit: Gelingt es, die Konflikte zwischen | |
Obdachlosen und Anwohner*innen zu vermindern, würde das Camp weniger als | |
Problem wahrgenommen werden. Der Grundgedanke dabei ist, dass alle Menschen | |
das Recht haben sollten, öffentlichen Raum zu nutzen. | |
So könnte man durch die Bereitstellung von Sanitäranlagen und einer | |
funktionierenden Müllentsorgung zunächst einmal das Sauberkeitsproblem in | |
den Griff kriegen. Wichtiger noch: Es müsste ein runder Tisch mit allen | |
Beteiligten gebildet werden – inklusive Vertretern der Selbstverwaltung des | |
Camps – an dem Probleme besprochen werden können. | |
Auch wenn diese Maßnahmen teuer und sicher nicht reibungslos umzusetzen | |
sind, wäre das ein realistischer Weg, den Menschen im Camp ein würdevolles | |
Leben zu ermöglichen und den Anwohnenden ein Gefühl von Sicherheit zu | |
geben. | |
25 Jul 2020 | |
## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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