# taz.de -- Religionskonflikt in Indien: Hindu-Hardliner trumpfen auf | |
> In Ayodhya findet die Grundsteinlegung für einen Hindutempel statt. Am | |
> Jahrestag des Autonomieverlusts von Kaschmirs Muslimen. | |
Bild: Ein als Affengott (Hanuman) verkleideter Hindu feiert in Ahmedabad den Te… | |
MUMBAI taz | Indiens Premierminister [1][Narendra Modi] hat am Mittwoch den | |
silbernen Grundstein für den umstrittenen Bau des Tempels für den Hindugott | |
Ram (Rama) in der Stadt Ayodhya gelegt. Wegen der Coronapandemie durften | |
nur 175 Personen teilnehmen, doch wurde das symbolhafte Ereignis von fast | |
allen indischen TV-Sendern live übertragen. | |
„Dieser Tempel wird zu einem Symbol unseres Erbes, unseres | |
unerschütterlichen Glaubens werden“, sagte Modi. Der Kampf um den Tempel | |
sei wie ein Kampf für die Unabhängigkeit gewesen. | |
Gläubige Hindus sind überzeugt, dass auf genau jenem Grund in Ayodhya, auf | |
dem der Mogulherrscher Babur im 16. Jahrhundert im nördlichen Bundesstaat | |
[2][Uttar Pradesch] einen Moschee bauen ließ, einst Ram geboren und deshalb | |
später mit einem Tempel bedacht worden war. | |
Dass sich unter der Moschee ein Tempel befand, haben Archäologen bestätigt, | |
doch welcher genau, ist unklar. Da das Ram-Epos Ramayana erst nach dem Bau | |
der Babri-Moschee mit einer Hindiversion populär wurde, sei es | |
unwahrscheinlich, dass es ein Ram-Tempel war, meint der Filmemacher Anand | |
Patwardhan aus Mumbai. Er hat sich kritisch mit dem Hindufundamentalismus | |
auseinandergesetzt. | |
Modis regierende hindunationalistische Volkspartei (BJP) kämpft seit den | |
1980er Jahren für den Bau des Tempels in Ayodhya und nutzte dies für ihren | |
Aufstieg zur Macht. Das ging soweit, dass die Babri-Moschee 1992 von einem | |
Hindumob zerstört wurde. Bei den damaligen Unruhen starben 2.000 Menschen, | |
meist Muslime. | |
Noch heute läuft ein Gerichtsprozess wegen des Abrisses der historischen | |
Moschee. Für Filmemacher Patwardhan, der die Mobilisierung | |
fundamentalistischer Kräfte für den Ram-Tempel in den 1990er Jahren in | |
seinem Film „In the Name of God“ dokumentierte, war die [3][Genehmigung des | |
Tempelbaus durch das Oberste Gericht im November 2019] ein Schock. Er | |
fürchtet eine „politische Zweckentfremdung von Religion“. | |
Der hinduistisch-muslimische Konflikt sei von der britischen | |
Kolonialherrschaft geschürt worden und hätte längst geklärt werden können, | |
meint Patwardhan. Doch die säkulare Kongresspartei, die nach Indiens | |
Unabhängigkeit Jahrzehnte regierte, habe dies versäumt. Stattdessen | |
strahlte das staatliche Fernsehen in den 90er Jahren eine Serie über Ram | |
aus, die den fundamentalistischen Hindukult gefördert habe. | |
„Heute stellt der Tempel Indiens hinduistische und nicht die säkulare | |
Identität dar“, so Patwardhan. Das wurde auch bei der Grundsteinlegung | |
klar. Zuvor hatte es eine Debatte gegeben, ob es für Modi als Vertreter des | |
säkularen Staates angemessen sei, in solch einer religiösen Funktion | |
aufzutreten. | |
Kritiker sehen eine gezielte Grenzüberschreitung und einen weiteren Schritt | |
hin zu einem hinduistischen Staat, wie ihn die BJP und die hinter ihr | |
stehende Kadertruppe RSS propagieren. | |
Angeblich bestimmten Astrologen den Tag der Grundsteinlegung, doch ist der | |
5. August auch ein politisches Datum: [4][Es ist der erste Jahrestag, an | |
dem der muslimisch geprägte Bundesstaat Jammu & Kaschmir die Teilautonomie | |
entzogen bekam, er aufgeteilt und unter die direkte Hoheit Delhi gestellt | |
wurde.] Damit hat die BJP neben dem Bau des Ram-Tempels, der kurz vor den | |
nächsten Wahlen fertig sein soll, ein weiteres Wahlversprechen erfüllt und | |
[5][Indiens muslimische Minderheit von rund 200 Millionen Menschen erneut | |
gedemütigt.] | |
Die Regierungspartei BJP genießt mit ihrer Mehrheitspolitik Popularität. | |
„Aber sie hat keine Lösungen für Indiens wirkliche Probleme wie Hunger, | |
Arbeitslosigkeit oder die Coronapandemie“, sagt Patwardhan. | |
5 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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