# taz.de -- Ayodhya-Konflikt in Indien: Hindu-Sieg im Tempelstreit | |
> Indiens Oberstes Gericht gibt den Bau des umstrittenen Hindu-Tempels in | |
> Ayodhya frei. Das dürfte nicht zum Frieden beitragen. | |
Bild: Noch blieb es friedlich: Die Polizei in Ayodhya rechnete mit dem Schlimms… | |
MUMBAI taz | Noch bevor das Urteil im jahrzehntealten Tempelstreit in | |
Ayodhya gesprochen wurde, deckten sich die Menschen in der nordindischen | |
Kleinstadt im Bundesstaat Uttar Pradesh mit Lebensmitteln ein. Andere | |
verließen die Stadt lieber vorübergehend. Die Menschen bereiteten sich auf | |
das Schlimmste vor. Denn 1992 hatte der Streit zwischen Hindus und Muslimen | |
um ein Stück heiliges Land zu Ausschreitungen geführt, bei denen 2.000 | |
Menschen starben. | |
Radikale Hindus, darunter Anhänger der hindunationalistischen | |
Regierungspartei BJP, rissen damals die Babri Moschee nieder. Sie beharren | |
bis heute darauf, dass die Moschee aus dem 16. Jahrhundert auf dem | |
Tempelgrundstück des Hindugottes Rama gebaut worden war. | |
Am Samstag verkündete Indiens Oberstes Gericht das langerwartete Urteil. | |
Die fünf Richter entschieden, dass auf dem Gelände ein Hindu-Tempel gebaut | |
werden darf. Zwar wurde eingeräumt, dass die Schändung der Moschee 1949 | |
ebenso illegal war wie ihr Abriss vor 27 Jahren. Dennoch hatten Muslime bei | |
diesem Urteil das Nachsehen. | |
Zum Ausgleich wurde den Muslimen ein Ersatzgrundstück innerhalb der | |
Stadtgrenze versprochen, um ihr Gotteshaus wiederaufzubauen. | |
Gericht: Hindus haben ältere Ansprüche | |
Die Organisation All India Muslim Personal Law Board (AIMPLB), die vor | |
Gerichte gekämpft hatte, zeigte sich enttäuscht: „Das Urteil widerspricht | |
unseren Erwartungen. Wir haben solide Beweise vorgelegt“, sagte der Anwalt | |
Zafaryab Jilani. | |
Doch das [1][Oberste Gericht entschied], Hindus hätten die älteren | |
Ansprüche. Die Ausgleichsfläche bedeute AIMPLB nichts, doch will die | |
Organisation das Urteil anerkennen. „Wir werden uns beraten und dann über | |
das weitere Vorgehen entscheiden“, so Jilani. Er forderte zugleich auf, | |
Frieden zu wahren. | |
Kurz vor der Urteilsverkündung, die eigentlich erst in einer Woche erwartet | |
worden war, war die Polizeipräsenz erhöht worden. In mehreren Städten wurde | |
das Internet abgeschaltet. Nicht nur in Nordindien galt ein | |
Versammlungsverbot. | |
„Es gibt gerade kein Fernsehen und kein Internet bei meinen Eltern“, sagt | |
die 22-jährige Mohini, die ursprünglich aus Ayodhya kommt. Das Urteil sei | |
nicht wichtig für sie, sagt sie, bemerkt aber auch: „Wir wussten immer, | |
dass es einen Tempel geben wird.“ | |
Damit vertritt sie die Meinung vieler Hindus im Land, dass es nur Recht | |
sei, auf dem Grundstück einen Hindu-Tempel zu errichten. Durch das Oberste | |
Gerichts wurden sie darin bestärkt. „Lord (Rama) bekommt sein Land; die | |
Muslime einen zerbrechlichen Frieden“, titelte die Tageszeitung Mumbai | |
Mirror. | |
Mohini betrachtet das Thema nüchtern. Zu den Leuten, die unbedingt einen | |
Tempel wollen, gehöre sie nicht. „Als junge Menschen wollen wir, dass die | |
Wirtschaft wächst, wir wollen keine religiösen Kämpfe.“ | |
Der Konflikt reicht Jahrzehnte zurück und wurde immer wieder | |
instrumentalisiert. Dass Hindus und Muslime einmal gemeinsam in der Babri | |
Moschee gebetet haben, ist heute nicht mehr vorstellbar. | |
„Das jetzige Urteil ist das Beste für alle“, sagt Dr. Abdul Sami Bubere. | |
Zwar sei eine Handvoll Menschen nicht zufrieden, aber das Leben müsse | |
friedlich weitergehen. Bubere hat 1992 die heftigen Tumulte, die auch die | |
Wirtschaftsmetropole Mumbai trafen, miterlebt. Er gab damals eine | |
Urdu-sprachige Zeitung heraus. An dem Folgen litten nicht nur Muslime und | |
Hindus, sondern auch andere Religionsgemeinschaften. | |
Bubere ist vor allem froh, dass es im Vorfeld des muslimischen Feiertages | |
zu Ehren des Propheten Mohammed bisher zu keinen Ausschreitungen kam. | |
„Indien ist ein religiöses Land und nicht alle Entscheidungen sind | |
rational.“ Da sei es manchmal gut, Kompromisse einzugehen, sagt ein junger | |
Muslim, der nicht genannt werden möchte. | |
## Urteil ist Rückenwind für Premierminister Modi | |
Vom Urteil profitiert vor allem Premierminister [2][Narendra Modi] (BJP), | |
der jetzt mit der Freigabe des Baus ein zentrales Wahlversprechen einlösen | |
kann. Er lobte jetzt die Justiz dafür, eine strittige Frage | |
„einvernehmlich“ geklärt zu haben. „Das Urteil sollte nicht als Sieg oder | |
Niederlage für irgendjemanden betrachtet werden“, schrieb er auf Twitter. | |
Seine Partei hatte massiv mit dem Rama-Tempel geworben. Mohan Bhagwat, der | |
Führer der radikal-hinduistischen Kaderorganisation RSS hinter der BJP, | |
begrüßte die einstimmige Entscheidung des Gerichts. Er bezeichnete sie als | |
Ausdruck von „Wahrheit und Gerechtigkeit“. | |
Pakistans Außenminister Shah Mehmood Qureshi kritisierte das Urteil. Die | |
Entscheidung stürze Indiens Muslime in Ungewissheit und setze sie einem | |
„Mangel an Sicherheit und Schutz“ aus. Indiens Außenministerium reagierte | |
scharf auf die Kritik. Pakistans „krankhafter Zwang, unsere | |
innenpolitischen Angelegenheiten mit dem offensichtlichen Zweck, Hass zu | |
säen, zu kommentieren“ sei „verdammenswert“. | |
NaN NaN | |
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[1] https://www.thehindu.com/news/resources/full-text-of-ayodhya-verdict/articl… | |
[2] /!5042611 | |
## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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