# taz.de -- Umstrittene Tempeleinweihung in Indien: Religion wird zum Staatsakt | |
> Ein Tempelbau reicht zwar nicht, um Indien in einen hinduistischen Staat | |
> umzuwandeln. Doch die Agenda der Regierung ist kein Geheimnis. | |
Bild: Hinduistische Priester nach der zeremoniellen Grundsteinlegung für den u… | |
Mit der [1][Grundsteinlegung für den umstrittenen Tempel] im nordindischen | |
Ayodhya verspricht Premierminister Narendra Modi eine Wende. Genau | |
rechtzeitig vor den nächsten Parlamentswahlen (2024) soll der dreistöckige | |
Tempel zu Ehren des Hindu-Gottes Ram auf dem Grundstück entstehen, auf dem | |
bis 1992 die historische Babri-Moschee stand. Auf diesen Tag haben viele | |
hochrangige Funktionäre gewartet. Im Mittelpunkt steht dann allerdings nur | |
eine Person: der indische Premier Modi, der in seiner zweiten Amtszeit zu | |
den Taten schreitet, die bereits im Manifest seiner Partei BJP schlummern. | |
Pandemie hin oder her. | |
So hatte der Tag mehr von einem Staatsakt als von einer Tempeleinweihung. | |
Im akribischen Planen und der großen Inszenierung ist Modi Meister. Wie | |
groß mag da erst die Eröffnung des Tempels in Corona-freien Zeiten | |
ausfallen? Der Gedanke daran soll der Bevölkerung Hoffnung auf bessere | |
Zeiten machen. | |
Die 50.000-Einwohner-Stadt Ayodhya an der Grenze zu Nepal bekam in der | |
Vergangenheit Aufmerksamkeit vor allem wegen des jahrzehntelangen [2][teils | |
blutigen Konflikts zwischen Muslimen und Hindus], der von der britischen | |
Kolonialmacht befeuert, aber später nie richtig geschlichtet wurde. | |
Vielleicht ist auch deshalb die Euphorie unter der Bevölkerung oben im | |
Norden groß, so wie das indische Fernsehen es überträgt. Zumindest auf der | |
einen Seite. Bei den Muslimen ist es still. Das ihnen zugeteilte | |
Ausgleichsgrundstück ist unberührt. Die Priorität liegt auf dem religiösen | |
Sentiment der Mehrheitsgesellschaft, den 80 Prozent Hindus. | |
Einen Tempel zu bauen reicht zwar nicht, um Indien in einen hinduistischen | |
Staat umzuwandeln, doch [3][die prohinduistische Agenda der Regierung] ist | |
kein Geheimnis. Die oppositionelle Kongresspartei wird sich ihr nur bedingt | |
in den Weg stellen. Es scheint, dass sich an dem Motto des ehemaligen | |
Kongress-Premiers P. V. Narasimha Rao nicht viel geändert hat: „Ich kann | |
gegen die BJP kämpfen, aber nicht gegen Lord Ram“, soll er gesagt haben – | |
nachdem die Moschee zerstört worden war. | |
6 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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