# taz.de -- Linken-Politikerin über rechte Gewalt: „Wie weit muss es kommen?… | |
> In Erfurt sollen zwölf mutmaßliche Neonazis drei Männer verprügelt haben. | |
> Die Verdächtigen sind wieder frei. Katharina König-Preuss kritisiert das. | |
Bild: Im Ortsteil Herrenberg haben zwölf mutmaßliche Neonazis auf drei Männe… | |
taz: Frau König-Preuss, in Erfurt haben zwölf mutmaßliche Neonazis so | |
heftig auf drei Männer aus Guinea eingeschlagen, dass zwei von ihnen ins | |
Krankenhaus mussten, einer schwer verletzt. Sie haben im Nachgang die | |
Staatsanwaltschaft heftig kritisiert – warum? | |
Katharina König-Preuss: Die Staatsanwaltschaft hat nicht mal einen | |
Haftantrag gestellt, die zwölf Personen sind wieder auf freiem Fuß. Wie | |
weit muss es kommen, damit Neonazis die Grenzen gesetzt werden, die | |
rechtlich möglich sind? [1][Einer der Angegriffenen war zwischenzeitlich in | |
kritischem Zustand]. Aufgrund der anscheinend organisierten Art des | |
Angriffs kann man meiner Meinung nach von einem bedingten Tötungsvorsatz | |
oder sogar von versuchtem Totschlag ausgehen. Somit lägen Haftgründe vor. | |
Die Staatsanwaltschaft hat es aber nicht mal versucht – das sendet eine | |
verheerende Botschaft. | |
Ermittelt wird gegen die Tatverdächtigen wegen schwerer Körperverletzung | |
und Landfriedensbruch. Ist das nicht erst mal das Wichtigste? | |
Ich sage ganz ehrlich: Die schnelle Ingewahrsamnahme von zwölf Personen, | |
das Einschalten des LKA, das Agieren der Polizei finde ich richtig gut. | |
Trotzdem ist die Frage: Welche Signale sendet man an die Öffentlichkeit? An | |
die Betroffenen und Anwohner? Und an die Täter? Es hat am Herrenberg | |
mehrfach Bedrohungen und versuchte Angriffe gegeben. Jetzt prügeln Neonazis | |
jemanden ins Krankenhaus, und ein paar Stunden später sind sie wieder | |
draußen und können weitermachen wie zuvor: ihre Ideologie verbreiten und | |
Kampfsport trainieren – um dann nachts das zu tun, was sie getan haben: | |
einen Menschen halb tot schlagen. | |
Laut Staatsanwaltschaft liegen die notwendigen Gründe für einen Haftantrag | |
nicht vor – also etwa Verdunklungs- oder Fluchtgefahr. | |
Aus meiner politischen Einschätzung heraus würde ich bei organisierten | |
Neonazis im Regelfall tendenziell eine Verdunkelungsgefahr annehmen. Da | |
können Beweismittel verschwinden oder Absprachen getroffen werden, wer in | |
der Vernehmung was sagt und was nicht. Und: Ich kenne Fälle, in denen bei | |
einem unterstellten Tötungsvorsatz Haftantrag gestellt wurde. Das hätte | |
signalisiert: Staatlicherseits werden alle möglichen Maßnahmen ergriffen, | |
um Neonazis zu stoppen. Ob das dann durchgeht, hätte ein Gericht prüfen | |
müssen. Darauf hätte die Staatsanwaltschaft es ankommen lassen sollen. | |
Auch Thüringens SPD-Innenminister Georg Maier hat sich „entsetzt“ gezeigt | |
darüber, dass die Verdächtigen wieder auf freiem Fuß sind. Was nützen | |
Ansagen seitens der Politik? | |
Ich glaube schon, dass solche Statements dazu führen können, dass die | |
Staatsanwaltschaft beim nächsten Mal zumindest zweimal darüber nachdenkt, | |
ob ein Haftantrag nicht doch der richtige Weg wäre. | |
Aber die Justiz soll ja aus gutem Grund unabhängig von der Politik | |
arbeiten. | |
Die Unabhängigkeit der Justiz besteht unabhängig davon, ob es Forderungen | |
aus der Politik gibt. Ich werde es auch weiterhin kritisieren, wenn ich das | |
Verhalten der Justiz nicht nachvollziehen kann. Ich bin Politikerin, keine | |
nachgeordnete Stelle der Justiz. Und ich sehe, dass nicht alles getan | |
wurde, was möglich wäre. Dabei geht es nicht nur um diesen Angriff jetzt: | |
Fünf Jahre hat man dieses Neonazi-Zentrum am Herrenberg laufen lassen. Es | |
gab dort Nazikonzerte, Treffen des Dritten Wegs und Kampfsporttrainings. | |
Diese Leute sagen offen, was sie vorhaben. Wenn man dem keine Grenzen | |
setzt, muss ein brutaler Angriff wie der jetzige leider niemanden | |
verwundern. | |
Die Verdächtigen sollen aus dem Umkreis des Dritten Wegs stammen. Sie haben | |
ein Verbot dieser rechtsextremen Kleinstpartei gefordert. Warum? | |
Weil der Dritte Weg wesensverwandt mit der Ideologie des | |
Nationalsozialismus ist, weil er mit seinem Konzept der [2][„White | |
Supremacy“] kontinuierlich Menschenwürde angreift, weil er bei Wahlen – | |
auch in Thüringen – mit dieser Ideologie antritt und innerhalb dessen | |
rassistische und antisemitische Hetze verbreitet. Und weil ich es für | |
notwendig halte, überall da wo möglich repressive Maßnahmen gegen | |
Neonazistrukturen durchzusetzen. Ja, damit verbietet man am Ende deren | |
Ideologie nicht. Aber man entzieht ihnen zum Beispiel die Möglichkeit, im | |
öffentlichen Raum innerhalb von Wahlkämpfen sogar kostenfrei Rassismus und | |
Antisemitismus zu verbreiten. Allein das ist es schon wert. | |
3 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.mdr.de/thueringen/mitte-west-thueringen/erfurt/fremdenfeindlich… | |
[2] /White-Supremacy/!t5323548 | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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