# taz.de -- Free TV-Premiere „True Story“: Wer benutzt hier wen? | |
> Ein gescheiterter Journalist freundet sich bei Besuchen im Knast mit | |
> einem mutmaßlichen Mörder an. Als Zuschauer ist man ratlos und gefesselt | |
> zugleich. | |
Bild: Wollen beide schreiben: Journalist Finkel (Jonah Hill, l.) und Insasse Lo… | |
Dieser Thriller fängt zweimal an, gewissermaßen. Es gibt eine | |
Eröffnungssequenz, die hart ist, weil es um ein kleines totes Kind geht, | |
das – wie so oft zum Auftakt von Krimis – ästhetisch überhöht in Szene | |
gesetzt wird. Man könnte drauf verzichten … Einen Augenblick später gibt es | |
als Kontrast eine zweite Sequenz, die die ganze Spannbreite des Films | |
aufmacht: Ein Journalist ist bei seinem Job in einem Krisengebiet in Afrika | |
zu sehen, wie er mithilfe eines Dolmetschers Interviews mit geschundenen | |
Menschen führt. Es geht um Verletzungen, die sich der Journalist aber nicht | |
zeigen lässt – es ist klar, dass das Gegenüber lügt. [1][Aber Hauptsache, | |
die Story ist gut.] Und dann werden beide Handlungsstränge in dieser | |
Free-TV-Premiere mäandernd zusammengeführt. | |
„True Story – Spiel um Macht“: Der Film von 2015 basiert auf dem Buch von | |
Michael Finkel „True Story: Murder, Memoir, Mea Culpa“, das bereits 2005 | |
erschienen ist. Finkel ([2][Jonah Hill)] arbeitet als hochgelobter Reporter | |
für die New York Times und hübscht seine Reportagen also unrechtmäßig | |
(siehe oben) auf. Das fliegt auf und er raus. Keiner will seine Storys mehr | |
haben. | |
Da kommt Finkel der Fall von Christian Longo ([3][James Franco]) gerade | |
recht, er wittert eine gute Story, daraus lässt sich ein Buch machen: Longo | |
soll seine Frau und die drei Töchter umgebracht haben. Und er sucht | |
offensichtlich die Nähe zu Finkel. Denn als Longo in Mexiko verhaftet wird, | |
gibt er sich als Finkel aus … | |
Die beiden treffen sich fortan zu Gesprächen im Knast, Finkel erhält | |
Exklusivrechte an der Geschichte – dafür muss er Longo Schreibunterricht | |
geben. Und Longo übergibt dem Journalisten ein handgeschriebenes Werk von | |
80 Seiten, in dem er jeden Fehler seines Lebens beleuchtet. Das ist mit | |
Zeichnungen übersät und ähnelt frappierend den Seiten in Finkels Notizbuch. | |
Die beiden entdecken immer mehr Ähnlichkeiten. Die Männer finden sich | |
sympathisch, ja, sie freunden sich an. Wo soll das enden? | |
Alles kreist um ihre gegenseitige Beeinflussung. Da treffen fast gleich | |
starke Gegner aufeinander, es geht um Lüge und Wahrheit, Manipulation und | |
Vertrauen. Als Zuschauer ist man ratlos und gefesselt zugleich. Und denkt | |
sich: Ja, klar, gleich kommt alles anders, als man denkt. Und es stimmt. Es | |
gibt mehrfach Wendungen. Man ist hin- und hergerissen, mal auf Finkels | |
Seite (liebt Ruhm), dann wieder auf Longos (selbstverliebt). Am Ende ist | |
man doch überrascht – und möglicherweise den Filmemachern auf den Leim | |
gegangen. | |
1 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hergeth | |
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