# taz.de -- Enthüllungsthriller „Kill the Messenger“: Die Story überprüf… | |
> Ein Journalist deckt einen Skandal auf – und wird von der CIA und großen | |
> Nachrichtenmedien demontiert. Die Geschichte ist nicht erfunden. | |
Bild: Jeremy Renner als Journalist Gary Webb. | |
Die Enthüllungen des Journalisten Gary Webb klingen so unglaublich, dass | |
man nach der Pressevorführung von Michael Cuestas „Kill the Messenger“ erst | |
mal das Presseheft heranziehen muss. Das Prädikat „basierend auf wahren | |
Begebenheiten“ verliert im aktuellen Erzählkino zunehmend an Autorität, | |
weil die Grenzen zwischen „basierend auf“ und „inspiriert von“ aus | |
pragmatisch-dramatischen Erwägungen immer stärker verwischen. Hin und | |
wieder stößt Hollywood aber noch auf eine wahre Geschichte, die sich kein | |
Drehbuchautor hätte besser ausdenken können. | |
Diesmal mischt sich in das Erstaunen auch professionelle Scham: Warum hat | |
man noch nie von Gary Webb gehört? Denn „Kill the Messenger“ handelt nicht | |
etwa von einer geopolitischen Randnotiz, die eine kurze diplomatische | |
Verstimmung nach sich zog. | |
Cuesta erzählt, basierend auf Nick Schous gleichnamiger Biografie, von der | |
Demontage eines Journalisten durch die CIA und die großen Nachrichtenmedien | |
(allen voran Washington Post und New York Times), nachdem dieser 1996 in | |
seiner Reportage-Serie „Dark Alliance“ für das kalifornische Lokalblatt San | |
Jose Mercury News eine Verbindung zwischen US-Geheimdienst, | |
nicaraguanischen Contras und der Crack-Schwemme nachgewiesen hatte. | |
Dass Webbs Enthüllungen aus den frühen Neunzigern in Vergessenheit geraten | |
konnten, lag nicht zuletzt am Einfluss der großen Tageszeitungen, die mehr | |
mit seiner Diskreditierung beschäftigt waren, als auf der Grundlage seiner | |
Anschuldigungen Recherchen anzustellen. | |
## Klare Bildsprache | |
1998 bezog die CIA zu Webbs Vorwürfen aber Stellung und gestand | |
Verstrickungen in den mittelamerikanischen Drogenhandel ein. Auf dem | |
Höhepunkt der Clinton-Lewinski-Affäre degradierten die Medien diese | |
Nachricht jedoch leider zur Randnotiz. Da war Webbs Reputation bereits | |
ruiniert. | |
„Kill the Messenger“ verfügt über genügend zeitlichen Abstand, um auf ei… | |
paranoiden Subtext zu verzichten. Webb nahm sich 2004 unter dubiosen | |
Umständen das Leben. Cuesta erzählt die Geschichte als gradlinigen | |
Reporterfilm, dessen Skandalon heute nur noch eine historische Fußnote | |
darstellt. Es gibt aber auch eindrucksvolle Archivaufnahmen zu sehen, in | |
denen sich Ex-CIA-Direktor John Deutch bei afroamerikanischen | |
Bürgerrechtlern für die Rolle seiner Behörde bei der Zerstörung der | |
schwarzen Communitys durch Drogen aus Lateinamerika entschuldigt. | |
Ausgerechnet solche Nachrichtenbilder trösten darüber hinweg, dass „Kill | |
the Messenger“ etwas formelhaft geraten ist. Kameramann Sean Bobbitt hat | |
eine naturalistische, klare Bildsprache für Webbs Wege zwischen | |
Redaktionsbüros, Gerichtssälen, Drogenumschlagplätzen im Dschungel und | |
seiner Familie gefunden. Die Kamera heftet sich immer nur so nah wie nötig | |
an Jeremy Renner, der sich gerade auf einen bodenständigen US-Heldentypus | |
festzulegen scheint (selbst wenn er das Superheldenkostüm überstreift). | |
Webb hört Punk und trinkt Bier: In diesem Bild steckt bereits eine eigene | |
Form von Überhöhung, die aber nicht zur Hagiografie taugt. | |
Wenn überhaupt, ist die Fokussierung auf Webbs Privatleben die große | |
Schwäche von „Kill the Messenger“, der vor allem als journalistisches | |
procedural überzeugt. „Du sprichst mit ein paar Drogendealern, ich habe | |
Langley am Telefon“, erklärt der Chefredakteur der Washington Post einem | |
Reporter, der Webbs Story prüfen soll. Der Skandal ist längst nicht mehr | |
die politische Korruption, sondern das Versagen der Medien bei der | |
Aufklärung. | |
9 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Andreas Busche | |
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