# taz.de -- Bundesliga trotz Corona mit Zuschauern: Theater im Stadion | |
> Die DFL stellt den Leitfaden für eine begrenzte Zulassung von Publikum | |
> trotz Pandemie vor. Fans befürchten eine dauerhafte Einschränkung ihrer | |
> Rechte. | |
Bild: Stehen verboten! Auch diese schöne Kurve wird vorerst leer bleiben | |
Thomas Kessen hat das Szenario schon durchgespielt. Der Anhänger des VfL | |
Osnabrück würde liebend gern bald wieder ein Heimspiel des Zweitligisten an | |
der Bremer Brücke besuchen. Gleichwohl glaubt der Beisitzer aus dem | |
Vorstand der Fanvereinigung Unsere Kurve nicht, dass er sich mit den | |
avisierten Rahmenbedingungen zur neuen Saison für einen längeren Zeitraum | |
anfreunden kann. Die stehen am Dienstag auf der virtuellen | |
Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zur Abstimmung. Für | |
Kessen schränkt [1][der Leitfaden] das gewachsene Fußballerlebnis zu sehr | |
ein. | |
Stehplatz- und Alkoholverbot bis mindestens zum 31. Oktober, | |
personalisierte Tickets und keine Gästefans – damit werden vorübergehend | |
jene englischen Verhältnisse kopiert, gegen die deutsche Fanorganisationen | |
bislang erfolgreich angekämpft haben. Das erschüttere die „Grundrechte“ | |
einer Kurve im Kern. Kessen ist bewusst, dass es in der Pandemielage | |
„zwischen dem Gesundheitsschutz und der Fankultur einen nicht auflösbaren | |
Widerspruch gibt“. | |
Trotzdem besteht bei dem 31 Jahre alten VfL-Anhänger die Befürchtung, dass | |
„es unter dem Corona-Deckmantel zu Regularien kommt, die sich später nicht | |
zurücknehmen lassen“. Und manche Planspiele sorgen nur für Kopfschütteln. | |
„Wenn jegliches Singen, Schreien und Rufen verboten ist, wird aus dem | |
Fußballspiel eher eine Theaterveranstaltung“, sagte Jost Peter, Kessens | |
Vorstandskollege bei Unsere Kurve, der Augsburger Allgemeinen. | |
Die vor 15 Jahren gegründete Interessengemeinschaft Unsere Kurve vertritt | |
21 Fanorganisationen mit einer sechsstelligen Zahl aktiver Fans, die | |
über die Arbeitsgemeinschaft Fankulturen mit DFL und DFB im Dialog stehen. | |
„Fans und Fan-Vertretungen müssen zwingend bei allen Prozessen um die | |
Wiederzulassung von Publikum eingebunden sein“, heißt es in einem | |
[2][Positionspapier] vom Montag. Das wichtigste Fanbündnis hatte unter | |
anderem das Recht auf Mitsprache, die Zulassung von Gästeanhängern sowie | |
einen strengen Datenschutz verlangt. | |
## Begrenztes Faninteresse | |
Kessen fordert, dass die aufgeführten Punkte explizit nur für die | |
Coronakrise gelten „und dies beispielsweise in den Ticketbedingungen auch | |
hinterlegt wird“. Wie letztlich jeder Fan vor Ort mit den neuen | |
Gegebenheiten umgeht, sei die persönliche Sache jedes Einzelnen. „Wir raten | |
bestimmt nicht vom Stadionbesuch ab. Das steht uns gar nicht zu.“ Jost | |
Peter glaubt, dass [3][viele der organisierten Anhänger] ohnehin weiter zu | |
Hause bleiben. Denn: „Ein Ausleben eines Fan-Daseins ist unter | |
Corona-Bedingungen gar nicht möglich.“ | |
Die „Ganz oder gar nicht“-Losung von Fredi Bobic, Sportvorstand von | |
Eintracht Frankfurt, hilft da auch nicht weiter. Denn [4][ausverkaufte | |
Arenen bleiben auf absehbare Zeit wohl Wunschvorstellung]. Es müssen also | |
Kompromisse zur Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln her, was | |
wiederum stark von den örtlichen Gegebenheiten abhängt. Ein vertracktes | |
Thema, bei dem sich die DFL um praktikable Lösungen bemüht, die dann noch | |
von den Behörden abgesegnet werden müssen. Daher scheint fraglich, ob es | |
mit dem Saisonstart ein einheitliches Vorgehen für alle 36 Klubs der beiden | |
Bundesligen gibt. | |
Michael Gabriel von der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) hält das | |
vorgelegte Konzept für „durchdacht und unterstützenswert“, sieht aber zwei | |
Herausforderungen: zum einen die Verteilung der Tickets („sie muss gerecht | |
und transparent erfolgen“) und den Verzicht auf Auswärtsfans, die auch für | |
die DFL „einen wichtigen Bestandteil der Fußballkultur ausmachen“. | |
## Mehr Eigenverantwortung | |
Sonst wäre in der Spielordnung kaum verankert, dass dem Gastverein ein | |
Ticketkontingent von mindestens 10 Prozent der Stadionkapazität zusteht. | |
Dieser Anteil muss nach Gabriels Ansicht nicht auf null runtergefahren | |
werden. „Ich hielte es für verantwortbar und überlegenswert, eine begrenzte | |
Zahl von Auswärtsfans unter bestimmten Voraussetzungen zuzulassen“, sagt | |
er. | |
Gabriel würde sich auch eine Diskussion darüber wünschen, ob alle | |
Stehplatzbereiche kategorisch geschlossen werden müssen. „Für einen Verein | |
wie Union Berlin, der in überwiegender Zahl Stehplätze anbietet, wäre die | |
Umrüstung mit großem Aufwand verbunden.“ Ihm sei bewusst, dass dann | |
womöglich mehr Ordnungspersonal eingesetzt werden müsse, doch warum sollte | |
den Anhängern nicht „ein hohes Maß an Eigenverantwortung überlassen | |
werden“? Er ist überzeugt: „Die Fans haben sich seit dem Re-Start in | |
überwiegender Mehrzahl sehr verantwortungsvoll verhalten und sind sich der | |
Besonderheit der Situation durchaus bewusst.“ | |
29 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.dfl.de/de/aktuelles/moegliche-rueckkehr-von-stadionbesuchern-df… | |
[2] https://www.unserekurve.de/blog/unsere-positionen-zur-wiederzulassung-von-f… | |
[3] /Geisterspiele-in-der-Bundesliga/!5677265 | |
[4] /Bundesliga-bald-mit-Zuschauenden/!5693920 | |
## AUTOREN | |
Frank Hellmann | |
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