# taz.de -- +++ Corona News vom 27.6. +++: Skepsis gegenüber Immunitätsausweis | |
> Entwicklungsminister Müller will Krisengewinner stärker besteuern. | |
> Grenzschließungen sollen koordiniert erfolgen. Und Japans Hirsche haben | |
> keinen Durchfall mehr. | |
Bild: Steht dem Immunitätsausweis skeptisch gegenüber: Niedersachsens Ärztek… | |
Den Ticker bearbeitet [1][Denis Gießler]. | |
## Maas: Etwaige Grenzschließungen europäisch koordinieren | |
Bundesaußenminister Heiko Maas schließt nicht aus, dass einzelne Grenzen in | |
Europa bei einem drastischen Anstieg der [2][Corona-Infektionen] wieder | |
geschlossen werden müssen. Er betont aber, dass dies [3][nicht wieder ohne | |
Abstimmung] passieren dürfe. „Es ist nicht auszuschließen, dass man Grenzen | |
wieder dicht machen muss, wenn das Infektionsgeschehen in einer bestimmten | |
Region der EU deutlich höher ist als in einer anderen“, sagte der | |
SPD-Politiker in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Das müsse | |
dann allerdings gesamteuropäisch koordiniert werden. | |
Zu Beginn der Corona-Pandemie hatten viele EU-Mitgliedstaaten – auch | |
Deutschland – Grenzen im Alleingang geschlossen. Inzwischen sind fast alle | |
Grenzen in der Europäischen Union und im grenzkontrollfreien Schengen-Raum | |
wieder offen. Einzige Ausnahmen sind Norwegen und Finnland, die ihre | |
Grenzen erst Mitte Juli wieder öffnen wollen. | |
„Europa hat in dieser Krise viel dazugelernt, über unsere Defizite, aber | |
auch über unsere Stärken“, betonte Maas. „Wir haben die Koordinierung | |
verbessert und einander solidarisch Hilfe geleistet, in einem Tempo und | |
einer Dimension, die es so noch nie zuvor gegeben hat.“ | |
Deutschland übernimmt am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft. Maas betonte, | |
dass die Erwartungen der 26 anderen Mitgliedstaaten sehr hoch seien und | |
sich durch die Pandemie noch einmal verstärkt hätten. „Wir müssen die | |
Europäische Union gestärkt aus der Krise herausführen“, betonte er. | |
Die drei wichtigste Zielen sind für Maas die Einigung auf das | |
milliardenschwere Corona-Wiederaufbauprogramm und die EU-Finanzen bis 2027, | |
den erfolgreichen Abschluss der Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien und | |
die gemeinsame Positionierung Europas in der Großmächtekonkurrenz zwischen | |
den USA, China und Russland. „Wir haben nur dann eine Chance, uns in diesem | |
Umfeld zu behaupten, wenn wir dies zusammen als Europäer tun. Sonst werden | |
wir zum Spielball von anderen“, sagte Maas. (dpa) | |
Ärztepräsidentin gegen Corona-Immunitätsausweis | |
Niedersachsens Ärztekammerpräsidentin Martina Wenker hat sich gegen [4][die | |
Einführung eines Corona-Immunitätsausweises] ausgesprochen. Notwendig sei | |
zunächst der wissenschaftliche Nachweis, dass die Bildung von Antikörpern | |
tatsächlich zu einer lebenslangen Immunität führe, sagte die | |
Lungenfachärztin. Dazu gebe es noch keine valide Langzeituntersuchung. | |
„Ein Antikörpernachweis ist nicht viel wert: Er sagt mir nicht, ob ich die | |
Krankheit nicht noch einmal bekommen kann und auch nicht, ob ich nicht noch | |
andere Menschen anstecken kann“, erläuterte sie. Neben den medizinischen | |
Gründen sprechen aus Wenkers Sicht ethische Gründe gegen die Einführung | |
eines solchen Ausweises. | |
Das Bundeskabinett hatte sich bereits Ende April mit dem Thema befasst. Für | |
den Fall, dass es demnächst gesicherte Erkenntnisse zur Immunität nach | |
einer Corona-Infektion geben sollte, soll eine Bescheinigungsmöglichkeit | |
dafür kommen – ähnlich wie im Impfpass. Bundesgesundheitsminister Jens | |
Spahn (CDU) hat aber zunächst den Deutschen Ethikrat um eine Stellungnahme | |
gebeten. Das Gremium berät zurzeit über das Thema. Neben der Opposition | |
hatte sich auch SPD-Chefin Saskia Esken skeptisch über Pläne für | |
Immunitätsnachweise geäußert. | |
Ärztekammerchefin Wenker kritisierte, dass ein Hamburger | |
Start-Up-Unternehmen bereits Immunitätsausweise angekündigt habe. „Das ist | |
ein Etikettenschwindel“, sagte sie. „Ich halte es für ausgesprochen | |
gefährlich, hier eine Scheinsicherheit zu suggerieren. Da hört das | |
Geschäftemachen auf.“ | |
Mit dem Anreiz eines solchen Ausweises stehe zudem zu befürchten, dass sich | |
Menschen bei Corona-Partys ähnlich wie bei Masern-Partys ansteckten, sagte | |
Wenker: „Dieses kann schlimmstenfalls zu einer unkontrollierten Überlastung | |
unseres Gesundheitssystems führen.“ Ältere und Risikogruppen, die eine | |
Infektion mit dem neuartigen Erreger vermeiden müssten, würden dann | |
möglicherweise als Mundschutzträger stigmatisiert. | |
„Mich erinnert das an den Beginn der Aids-Epidemie in den 80ern“, sagte die | |
Medizinerin. „Spätestens seit Aids ist klar, dass eine Kategorisierung von | |
Menschen, die infiziert werden oder andere infizieren könnten, nicht nur | |
falsch ist, sondern die Bekämpfung von Infektionskrankheiten erheblich | |
erschwert.“ (dpa) | |
Corona-Krisengewinner sollen stärker besteuert werden | |
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will die Krisengewinner der | |
Corona-Pandemie stärker besteuern und so an den Kosten der Krise | |
beteiligen. „Es gibt Krisengewinner unglaublichen Ausmaßes“, sagte der | |
Politiker am Samstag. Als Beispiel nannte Müller [5][den Online-Händler | |
Amazon]. Dessen Chef Jeff Bezos sei alleine seit Januar diesen Jahres um 35 | |
Milliarden Euro reicher geworden, sagte Müller. Problematisch sei, dass | |
Amazon fast keinen Euro Steuern zahle. | |
Müller erwartet, dass die deutsche Ratspräsidentschaft ab 1. Juli sich für | |
eine Besteuerung solcher Krisengewinner einsetzt. Es sei jedenfalls nicht | |
so, dass die Kosten für die Corona-Hilfspakete „dem einfachen Bürger aus | |
der Tasche gezogen werden müssen“. Müller sagte dem BR außerdem, er | |
unterstütze Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) darin, eine echte | |
Finanztransaktionssteuer in Europa umzusetzen. So könnten 100 Milliarden | |
Euro für den EU-Haushalt eingenommen werden. Aktuell fehle dazu aber „der | |
politische Wille“, sagte er. (epd) | |
Japans Shika-Hirsche endlich ohne Reiscracker | |
In Japans Touristen-Hochburg Nara hat die Corona-Krise auch ihr Positives: | |
Zumindest die dort geschützten Shika-Hirsche können sich „erleichtert“ | |
fühlen – im wahrsten Sinne des Wortes. [6][Dank der ausbleibenden | |
Touristenmassen] werden sie von den Besuchern nicht mehr so viel gefüttert, | |
wie die japanische Zeitung „Asahi Shimbun“ am Samstag berichtete. Bis zur | |
Pandemie ließen sich hunderte Tiere von Schülergruppen und Touristen gerne | |
mit „Shika senbei“, Reiscrackern, füttern. Doch die hätten die Tiere bei | |
übermäßiger Fütterung so durstig gemacht, dass manche zu viel Wasser | |
tranken und als Folge weichen Stuhlgang oder sogar Durchfall bekamen, hieß | |
es. | |
Da wegen der Pandemie die Zahl der Touristen zurückgegangen sei, könnten | |
sich die Hirsche jetzt wieder normal erleichtern, so die Zeitung. Die mehr | |
als 1.000 Shika-Hirsche im Nara-Park in Japans alter Kaiserstadt sind als | |
lebende Nationalschätze gesetzlich geschützt. (dpa) | |
Volkswirte: Arbeitslosigkeit steigt weiter wegen Corona | |
Volkswirte führender deutscher Finanzinstitute erwarten [7][eine weiter | |
steigende Arbeitslosigkeit in Deutschland] im Zuge der Corona-Krise. „Die | |
Zahl der Arbeitslosen dürfte in den nächsten Monaten weiter steigen, denn | |
es wird weitere Entlassungen geben und die Unternehmen stellen weniger | |
ein“, sagte Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der staatliche Förderbank | |
KfW. | |
„Es kommt in den kommenden Monaten darauf an, dafür zu sorgen, dass sich | |
die Arbeitslosigkeit nicht verfestigt und zu bleibenden Nachteilen führt“, | |
betonte sie. Dies gelte vor allem für junge Leute ohne Berufsabschluss. Die | |
Ausbildung werde in der Corona-Krise wegen wirtschaftlicher Probleme, aber | |
auch wegen praktischer Erfordernisse des Social Distancing zu einer | |
Herausforderung. | |
Auch Katharina Utermöhl, Volkswirtin bei der Allianz-Gruppe, geht von | |
steigender Arbeitslosigkeit aus. „Viele Firmen werden schlussendlich doch | |
nicht um Kapazitätsanpassungen, sprich Jobstreichungen oder gar eine | |
Insolvenz, herumkommen“, sagte sie. „Daher besteht für rund jeden fünften | |
Kurzarbeiter in Deutschland weiterhin ein erhöhtes Risiko in die | |
Arbeitslosigkeit zu rutschen.“ | |
Nach Berechnungen der Allianz wird die Zahl der Insolvenzen in Deutschland | |
bis Ende 2021 vor allem wegen der Corona-Krise um zwölf Prozent im | |
Vergleich zu Ende 2019 steigen. Utermöhl erwartet eine Welle von Ende des | |
Jahres an, wenn im 4. Quartal die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht | |
endet. „Sollte man um Insolvenzen herumkommen, werden dennoch Kapazitäten | |
verringert.“ Sie schlug deshalb Hilfen zur Einstellung neuen Personals vor | |
und nannte den in Österreich praktizierten Einstellungsbonus als Beispiel. | |
Marc Schattenberg von der Deutschen Bank sieht trotz der Aufhellung bei der | |
Konjunktur keinen Grund zur Entwarnung. Ein Minus von neun Prozent bei der | |
Wirtschaftsleistung sei für 2020 noch immer zu erwarten. Die | |
exportorientierten Branchen, etwa der Maschinenbau und die | |
Fahrzeugindustrie hätten es weiterhin schwer – während in Asien die | |
Wirtschaft schon wieder laufe, seien die Fragezeichen etwa in den USA nicht | |
kleiner geworden. | |
Schattenberg geht im Juni von knapp drei Millionen Arbeitslosen aus – ein | |
Plus von rund 180.000 im Vergleich zum Vormonat. Die Zahl der Kurzarbeiter | |
werde sich Ende Mai bei knapp acht Millionen bewegen. Damit liegt die | |
Deutsche Bank etwas über der Prognose der Allianz, die 2,869 Millionen | |
Arbeitslose in Deutschland erwartet. Damit würde der höchste Stand seit | |
2013 erreicht. (dpa) | |
27 Jun 2020 | |
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