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# taz.de -- Polizeiskandal um Gebrauchträder: Dreister als die Polizei erlaubt
> In Leipzig sollen Beamte jahrelang mit gestohlenen Rädern gehandelt
> haben. Das „Fahrradgate“ hat mittlerweile Sachsens Landtag erreicht.
Bild: Freunde bei der Polizei gefunden: gestohlene Fahrräder
Dresden taz | Polizisten und Müll gehören zwar keineswegs auf eine
gemeinsame Halde, haben manchmal aber zumindest Berührungspunkte. Dann
nämlich, wenn Diebesgut, für das sich anscheinend niemand mehr
interessiert, in Asservatenkammern herumliegt, sich also dem Müllstatus
nähert. Allgemein müssen Beweisstücke sorgsam gesichert werden. Diebesgut
wie geklaute Fahrräder kann nur unter bestimmten Voraussetzungen zur
Versteigerung freigegeben werden.
In Leipzig machte es sich eine Polizeibeamtin deutlich einfacher. Zusammen
mit Komplizen verkaufte sie beschlagnahmte Fahrräder mutmaßlich selbst, vor
allem an andere Polizisten und Beamte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt
aktuell gegen 120 Beschuldigte, darunter sowohl Verkäufer als auch Käufer.
Nun hat der Fall auch den Sächsischen Landtag erreicht. In der
Drei-Parteien-Koalition aus CDU, SPD und Grünen sorgt er für Unmut.
Dass der illegale Handel mit sichergestellten Fahrrädern blühte, war Mitte
Juni [1][durch einen Bericht der Dresdner Morgenpost ] bekannt geworden. Da
liefen die Ermittlungen schon rund ein Jahr. Mehrere hundert Räder sollen
zu Schnäppchenpreisen zwischen 20 und 50 Euro an 111 Käufer verhökert
worden sein.
Unter ihnen sind nach Angaben des sächsischen Generalstaatsanwalts Hans
Strobl mindestens 50 Beamte und Angestellte der Polizeidirektion Leipzig,
zehn Bereitschaftspolizisten, zwei Beamte des Landeskriminalamtes und ein
Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft. Die Hauptverkäuferin soll eine
Polizeibeamtin der inzwischen aufgelösten Spezialeinheit zur
Fahrradkriminalität sein, die nun selber fahrradkriminell wurde.
Interessenten konnten bei ihr einfach einen Termin ausmachen und sich in
der Abstellhalle ein passendes Exemplar aussuchen.
## Innenminister schwieg lange
Von den Ermittlungen in der Angelegenheit wusste Sachsens Innenminister
Roland Wöller (CDU) nach eigenen Angaben schon seit Januar. Dass er
zunächst darüber schwieg, begründet er mit den laufenden Ermittlungen, die
auch Dienstgeheimnisse tangieren. Warum der Fall zuvor schon intern so
lange unerkannt blieb, soll nun eine Innenrevision klären, für die acht
Beamte des Landeskriminalamtes abgestellt werden.
Die Opposition erhält ihre Kritik an Wöllners späten Reaktion allerdings
auch aufrecht, nachdem sich der Innenausschusses des Landtags am Mittwoch
mit dem Fall beschäftigte. Der Innenminister müsse „zum Jagen getragen
werden“, kritisierte die Linken-Innenpolitikerin Kerstin Köditz. Solche
Ermittlungen würden sich in der Polizei sowieso „herumschweigen“. Dass sie
intern bekannt würden, ließe sich also ohnehin nicht verhindern.
Aufschlussreich wirkt in diesem Zusammenhang eine Mitteilung der
Polizeidirektion Leipzig vom 14. Februar diesen Jahres. Darin wird
klargestellt, dass Asservate nach einer Frist der öffentlichen
Bekanntmachung von sechs Wochen zur Versteigerung durch ein Auktionshaus
freigegeben werden können, wenn sich kein Eigentümer meldet und die
Staatsanwaltschaft zustimmt. Offenbar eine Reaktion auf den intern bereits
bekannten schwunghaften Handel mit verwaisten Fahrrädern.
Auf vorsichtige Distanz zur CDU gehen auch die Partner in der sächsischen
Regierungskoalition. SPD-Innenpolitiker Albrecht Pallas, selbst Polizist,
sprach von einer „ernstzunehmenden Situation“ und von „verlorengegangenem
Vertrauen“. „Dieser Schaden ist durch das Schweigen der Behörden noch
größer geworden“, ergänzt Pallas. Sein Grünen-Kollege Valentin Lippmann
spricht ebenfalls von unterschätzter Brisanz. Über die erforderliche
Transparenz hinaus bedürfe es einer Überprüfung „aller
korruptionsanfälligen Arbeitsbereiche“ in der Polizei.
27 Jun 2020
## LINKS
[1] https://www.tag24.de/leipzig/dealer-in-uniform-korruptions-skandal-erschuet…
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Polizei
Sachsen
Fahrrad
Ermittlungen
Polizei
Verkehr
Schwerpunkt taz Leipzig
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