Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Umweltkatastrophe in Osnabrück: Fluss ohne Leben
> Nach einem Brand wurde der Osnabrücker Stadtfluss Hase mit Löschwasser
> kontaminiert. Nun sind alle Tiere tot. Der Nabu spricht von einem GAU.
Bild: Rauch über Osnabrück: Der Auslöser der Umweltkatastrophe war ein Brand…
Osnabrück taz | Kein Fisch lebt hier mehr, auf etliche Kilometer, keine
Schnecke, keine Muschel, kein Krebs. Der Osnabrücker Fluss Hase ist völlig
tot – und am Anfang dieser Umweltkatastrophe stand ein Großbrand samt
Explosion. Nur 30 Minuten dauerte es, bis Detlef Gerdts, Fachbereichsleiter
Umwelt und Klimaschutz der Stadt Osnabrück, am Montag, den 20. Juli, im
Industriegebiet Fledder vor Ort war, beim größten Brand, den die Stadt in
den letzten Jahrzehnten erlebt hat.
Mit Tensiden und Säuren kontaminiertes Löschwasser gelangte dort in den
nahe gelegenen Stadtfluss, seit Jahren mit großem Aufwand renaturiert. In
der Hase setzte das Sterben ein. Kein Sauerstoff mehr, dafür viel Gift. Am
Ende war die gesamte Tierwelt tot. „Schrecklich“, sagt Gerdts, merklich
geschockt. „Ich habe da meterlange Aale gesehen, große Rotfedern. Da war
kein Leben mehr.“
Der Brand, der einen Millionenschaden verursachte, begann auf dem Hof eines
Mitsubishi-Autohauses. Dort hantierte jemand mit einem
Unkrautvernichtungs-Gasbrenner. „Dadurch ist eine Rolle Cabrio-Verdeckstoff
in Brand geraten“, sagt Alexander Retemeyer von der Staatsanwaltschaft
Osnabrück. „Unter einem halboffenen Tor hindurch hat sich das Ganze ins
Gebäudeinnere gefressen und hoch brennbaren Schaumstoff erfasst. Mehrere
Ethanolfässer sind explodiert.“ Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen
fahrlässiger Brandstiftung. Ermittlungen gegen die Stadt gebe es nicht,
sagt Retemeyer, auch nicht gegen die Feuerwehr.
Das eigentliche Problem war die Regenwasserkanalisation des
Reinigungsmittelherstellers Belkola, auf deren rund 900 Quadratmeter große
Halle der Brand übergriff. In dessen Betonklärbecken sammelte sich das
abfließende Löschwasser. Und das System, das für Löschwasser nicht
ausgelegt ist, hatte ein Leck. „Das ist teils ja ein unterirdisches
Rohrsystem“, sagt Gerhard Meyering, Sprecher der Stadt Osnabrück. „Da sieht
man einfach nicht, wenn was verloren geht. Hunderttausende Liter hat die
Feuerwehr abgepumpt. Aber einiges hat sich eben zwischendrin gesammelt. Und
davon ist etwas ausgetreten.“ Es sei furchtbar, was da passiert sei.
Das Unternehmen Belkola, gerade durch Covid-19 gut im
Desinfektionsmittelgeschäft, traf der Brand hart. Die Hase traf es noch
härter. Retemeyer, an dessen Büro in der Innenstadt die Hase vorbeifließt,
konnte in seinem Büro in der Innenstadt die gewaltige Rauchwolke sehen.
„Ich bin aber auch selber rausgefahren, um mir das anzusehen. Jetzt müssen
wir untersuchen, was da alles gelagert worden ist.“
Auch die Osnabrücker Politik fordert Aufklärung: „Wir wollen wissen, wie
das mit dem unkontrollierten Abfluss des Löschwassers passieren konnte und
wer die Verantwortung trägt“, sagt Sebastian Bracke, umweltpolitischer
Sprecher der örtlichen Grünen. „Ein schwarzer Tag für unseren wichtigsten
Fluss“, sagt Volker Bajus, Fraktionssvorsitzender der Grünen. „Wir hoffen
sehr, dass die Verschmutzung durch Verdünnung in Grenzen gehalten werden
kann.“
Damit gibt sich die Stadt viel Mühe, denn abpumpen und reinigen lässt sich
das Wasser eines ganzen Flusses natürlich nicht. „1.000 Liter fließen da
pro Sekunde an dir vorbei“, sagt Gerdts, der auch tief in der Nacht im
Einsatz ist. „Hilfreich wäre, wenn wir jetzt Dauerregen hätten. Der einzige
Weg ist ja die Verdünnung.“ Ein zusätzliches Problem: Der Wasserstand der
Hase ist derzeit niedrig, ihr eigener Verdünnungseffekt ist also gering.
1,5 Millionen Liter Frischwasser pumpen Wasserbehörde und Feuerwehr nun pro
Stunde in den Fluss. Das Wasser kommt aus dem Natberger See in Bissendorf,
aus dem Schönungsbecken des Klärwerks Eversburg, aus dem Stichkanal. Sollte
sich die Umweltkrise bis ins 15 Kilometer entfernte Bramsche ausbreiten,
würde auch dem Mittellandkanal Wasser entnommen. „Zweieinhalb Tage hat die
Schadstofffront bis zum Stadtrand gebraucht“, sagt Fachbereichsleiter
Gerdts. „Wir haben hier innerorts ja viele Wehre. Ab da nimmt der Fluss
wieder Fahrt auf.“
Auf der Höhe von Belkola sind die Wasserwerte im Fluss mittlerweile wieder
normal. Aber Entwarnung bedeutet das nicht. „Fische, die vom Oberlauf
kommen“, sagt Gerdts, „finden hier ja nichts zu fressen, denn die
Kleinstlebewesen sind alle tot. Und das wird auch noch lange so sein. Zwei
bis drei Jahre.“ Das Problem liegt von Stunde zu Stunde weiter
stromabwärts, denn der Wasserkörper schiebt sich ja unaufhaltsam weiter.
Ob die Tenside und die Säure von Belkola in der Ems ankommen, und durch sie
in der Nordsee, wird sich zeigen.
Belkola selbst treffe keine Schuld, sagt Gerdts. Das Becken sei ja nicht
für Löschwasser ausgelegt, nur für das Abscheiden von
Oberflächenverschmutzung, und das funktioniere, dafür spiele die Leckage
keine Rolle. Diese Erklärung ist den Grünen zu dürftig. „Wo mit giftigen
Stoffen hantiert und gearbeitet wird, muss auch entsprechend Vorsorge
betrieben werden“, sagt Bracke.
„Was da geschehen ist, ist unfassbar“, sagt Andreas Peters Kopfschüttelnd.
Er ist Vorsitzender des Nabu Osnabrück und Kopf des „Umweltforum
Osnabrücker Land“. „Das ist ein Super-GAU. Wir werden jetzt sehr genau
beobachten, wie damit weiter umgegangen wird.“ Und es gehe ja nicht nur um
tote Fische. „Das hört ja nicht bei dem auf, was man oberflächlich sieht.
Da hängt ja eine ganze Nahrungskette dran. Nehmen wir den Eisvogel. Auch
dem fehlt jetzt die Nahrung, aber das nimmt keiner wahr.“
24 Jul 2020
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Osnabrück
Umweltkatastrophe
Natur
Nabu
Fische
Brand
Osnabrück
Osnabrück
## ARTIKEL ZUM THEMA
Recycling-Firma verunreinigt Gewässer: „Schwere Schäden“
Der Osnabrücker Recycler Grannex leitet seit Jahren Kunststoffmahlgut in
umliegende Gewässer. Die Gewerbeaufsicht kriegt die Firma nicht in Griff.
Osnabrück buddelt einen Fluss aus: Weg vom Beton, hin zum Beton
Um autofreundlich zu sein, hat Osnabrück in den 60ern die Hase
einbetoniert, die mitten durch die Stadt fließt. Schritt für Schritt wird
der Fluss nun wieder zugänglich gemacht
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.