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# taz.de -- 79-jähriger Dichter in Indien: Mit Corona in Haft
> Unter einem Anti-Terror-Gesetz werden in Indien immer wieder kritische
> Zeitgenossen verhaftet – so auch der Dichter Varavara Rao.
Bild: Ein Foto von Varavara Rao auf dem Kopf eines Protestierenden
Mumbai taz | Es ist nicht das erste Mal, dass ihn seine Angehörigen in Haft
wissen: Der indische Dichter und Menschenrechtsaktivist Varavara Rao hat
sich zeitlebens für linke Ideen und gegen Diskriminierung aufgrund von
Kastenzugehörigkeit eingesetzt. Er war mehrmals wegen Verschwörung
angeklagt – und hat Anschläge überlebt. Seine Nichte, [1][Varsha
Gandikota-Nellutla], fasst es so zusammen: In den letzten 45 Jahren gab es
25 Anklagen, wegen denen er acht Jahre im Gefängnis verbrachte und auf
Verfahren wartete, die ihn schließlich freisprechen würden. Seine
Angehörigen fürchten, dass es diesmal anders sein könnte, dass Rao es nicht
überlebt. Denn er ist 79 Jahre alt und hat sich mit dem [2][Coronavirus
infiziert].
Seit zwei Jahren sitzt Varavara Rao ohne Gerichtsprozess in einem Gefängnis
bei Mumbai ein, was nur auf Grundlage des Antiterrorgesetzes UAPA möglich
ist. Im Zuge dessen kam es 2018 zu einer landesweiten Verhaftungswelle
gegen kritische Intellektuelle. Ihnen wurde unterstellt, zu Gewalt
aufgerufen zu haben und einen Komplott zur Ermordung des indischen
Premierministers geplant zu haben. Rao bestritt eine Beteiligung an einem
solchen Vorhaben.
Rao ist für seinen politischen Aktivismus bekannt. Er gehört zu einer
Generation von Schriftstellern, die den Rückzug der Telugu-Literaten aus
der Politik kritisierten. Er selbst unterrichtete fast 40 Jahre lang die
Literatur der südindischen Sprache Telugu. Seine Gedichte wurden in viele
indische Sprachen übersetzt. Unter anderem veröffentlichte er 1983 einen
„Meilenstein“ der marxistischen Literaturkritik auf Telugu.
Zudem ist er Gründungsmitglied der revolutionären Schriftstellervereinigung
RWA und sprach sich gegen religiöse Orthodoxie aus. Rao war als Vermittler
an den Friedensverhandlungen mit den Naxaliten (Maoisten in Indien) und der
Regierung des Gliedstaats Andhra Pradesh von 1967 bis 1972 beteiligt. Diese
Verbindungen werden ihm jetzt erneut angekreidet.
## Ruf nach Freilassung wird lauter
Seine Familie versucht vergebens, aufgrund seines schlechten
Gesundheitszustands eine Freilassung auf Kaution zu erwirken. Was
wiederholt abgelehnt wurde. Zuletzt mit dem Vorwurf seitens der Nationalen
Ermittlungsbehörde NIA, man wolle einen „ungebührlichen Vorteil aus der
Covid-19-Pandemie ziehen“.
Nach dem Wechsel der Lokalregierung im Bundesstaat Maharashtra, wo 2018 das
Treffen stattfand, das angeblich zur Gewaltanstiftung in der Vornacht des
historischen Jahrestags Bhima-Koregaon führte, sollten die Fälle wieder
aufgerollt werden, was aber von der Zentralregierung verhindert wurde.
Am 16. Juli, also letzten Freitag, wurde Rao in ein öffentliches
Krankenhaus nach Mumbai verlegt, wo er positiv auf Corona getestet wurde.
Nachdem berichtet worden war, dass Rao medizinisch vernachlässigt worden
sei (er soll in seinem Urin gelegen und eine Kopfverletzung erlitten
haben), wurde er verlegt. Jetzt hat der Ruf nach seiner Freilassung in
Indien und im Ausland an Lautstärke zugenommen.
24 Jul 2020
## LINKS
[1] https://womendeliver.org/personnel/varsha-gandikota-nellutla/
[2] /In-Indien-erreicht-Corona-das-Hinterland/!5701410&s=mayroth/
## AUTOREN
Natalie Mayroth
## TAGS
Indien
Schwerpunkt Coronavirus
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Bollywood
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