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# taz.de -- Prozess um Vergewaltigung in Freiburg: Zehn Haftstrafen und ein Fre…
> Der Prozess zur Gruppenvergewaltigung in Freiburg ist nach fast zwei
> Jahren zu Ende gegangen. Der Haupttäter muss für über fünf Jahre ins
> Gefängnis.
Bild: Zehn zum Teil langjährige Haftstrafen, ein Freispruch – 11 Männer war…
Freiburg taz | Am Ende redet der Vorsitzende Richter Stefan Bürgelin den
jugendlichen Angeklagten ins Gewissen. Sie sollen das Urteil als Chance
nehmen, ein anderes Leben zu beginnen. „Sonst verbringen Sie einen Großteil
Ihrer Zeit in Deutschland im Gefängnis“.
Elf Angeklagte und zehn zum Teil langjährige Haftstrafen, dazu ein
Freispruch, so lautet die Bilanz nach 46 Verhandlungstagen in einem
Verfahren, das in der Presse als [1][Freiburger Gruppenvergewaltigung]
bekannt wurde. Es sorgte bundesweit für Aufmerksamkeit, weil die meisten
der Angeklagten, die zur Tatzeit zwischen 18 und 30 Jahre alt waren,
Geflüchtete sind. Einige von ihnen waren bereits vorbestraft, manche auch
schon wegen Gewaltdelikten.
Der Prozessauftakt im vergangenen Jahr war noch von Demonstrationen
begleitet gewesen, die Urteilsverkündung fand unter [2][Corona]-Bedingungen
in einem Gemeindesaal statt. Mit leichter Verzögerung verkündete Richter
Bürgelin nun das Urteil der Jugendstrafkammer. Der Hauptangeklagte Majid H.
muss wegen Vergewaltigung für fünf Jahre und sechs Monate in Haft.
Er hatte die alkoholisierte und unter Drogeneinfluss stehende Miriam W. in
das Wäldchen nahe einer Diskothek geführt, um ihr angeblich eine
Tätowierung zu zeigen. Danach hat er sie auf den Boden geschubst,
festgehalten und vergewaltigt. Er habe die 18-Jährige dann alleine liegen
gelassen und die anderen Männer geholt. Es folgte ein stundenlanges Leiden
für die junge Frau.
## Keine Strafe für den „Retter“
Sein Freund Ibrahim M., der der Frau eine Ecstacy-Tablette verkauft hatte,
muss für vier Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Auch er habe die Frau
sexuell missbraucht und andere aufgefordert, das Gleiche zu tun.
Die anderen jungen Männer, denen das Gericht eine Vergewaltigung nachweisen
kann, erhalten Haftstrafen von einem Jahr und sechs Monaten bis zu vier
Jahren. Zwei Angeklagte erhalten eine Strafe von vier und sechs Monaten
wegen unterlassener Hilfeleistung.
Nur Mohammad M. wird von allen Vorwürfen freigesprochen und muss sich nur
noch wegen eines Drogendelikts verantworten. Er war derjenige, der der Frau
half und ihr zusammen mit ihrer Freundin in der Nacht eine Möglichkeit zur
Übernachtung gab. Ihn hatte die 18-Jährige in ihrer Aussage als „Retter“
bezeichnet. Insgesamt folgte das Gericht mit seinem Urteil im Wesentlichen
den Forderungen der Staatsanwaltschaft.
Der Abend im Oktober 2018 hatte für die 18-Jährige diesen dramatischen
Verlauf genommen, nachdem sie Majid H. in der Diskothek kennen gelernt und
eine hochdosierte Ecstacy-Tablette eingenommen hatte. Der psychologische
Gutachter und Drogenexperte Torsten Passie bescheinigte der Frau, die
vorher keine Erfahrungen mit Drogen hatte, während der Vergewaltigung in
einem „psychoseähnlichen“ Zustand, gewesen zu sein, der eine Gegenwehr
unmöglich gemacht habe. Sie selbst hat in ihrer nichtöffentlichen Aussage,
die das Gericht in der Urteilsbegründung zitiert, nur noch von bloßen
„Erinnerungsinseln“ an die Tatnacht gesprochen.
## Keine glaubhaften Gegendarstellungen
Alle Behauptungen der Angeklagten, die Frau habe Sex mit den Männern
gewollt, nannte das Gericht – gestützt auf psychologische Gutachten – „e…
Standardeinlassung von Angeklagten bei Vergewaltigungsprozessen“ und nicht
glaubhaft. Eventuelle Rufe von ihr, die die Männer ermuntert haben könnten,
seien dem offensichtlichen Drogeneinfluss geschuldet, den auch die Täter
bemerken mussten. Die junge Frau hat bis heute mit schweren
gesundheitlichen Folgen zu kämpfen.
Für die Angeklagten falle die lange Prozessdauer mildernd ins Gewicht,
erklärte die Jugendkammer. Der Prozess dauerte fast zwei Jahre und wurde
durch den Corona-Lockdown zusätzlich verzögert. Außerdem stellte das
Gericht bei den Angeklagten Flucht- und Gewalterfahrungen in ihrer Jugend
in Rechnung, betonte aber auch, dass Vorstrafen bei Einzelnen zur
Strafverschärfung geführt haben. Übrigens auch bei dem einzigen Angeklagten
mit deutschem Pass, Timo B., der zu drei Jahren wegen Vergewaltigung
verurteilt wurde. Auch er ist bereits wegen Raubes vorbestraft und muss nun
für 3 Jahre in Haft.
Die Anwältin von Miriam W. die im Prozess als Nebenklägerin aufgetreten
war, äußerte sich zufrieden zu dem Urteil. Sie hoffe, dass ihre Mandantin
mit dem Geschehenen abschließen könne.
23 Jul 2020
## LINKS
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[2] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
## AUTOREN
Benno Stieber
## TAGS
Vergewaltigung
Freiburg
Sexualisierte Gewalt
Gerichtsurteil
Schwerpunkt #metoo
Upskirting
Schwerpunkt Coronavirus
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