# taz.de -- Farid Bang und der Düsseldorfer OB: Rap ist keine Pädagogik | |
> Bürgermeister Thomas Geisel will mit Farid Bang Coronaregeln an | |
> Jugendliche vermitteln. Das ist auf mehreren Ebenen schlecht durchdacht. | |
Bild: Menschenverachtend, misogyn, in keinster Weise ein Vorbild: Rapper Farid … | |
Der Versuch des Düsseldorfer Oberbürgermeisters Thomas Geisel könnte | |
hoffnungsvoll stimmen. Weil er den [1][Rapper Farid Bang] dazu bewegte, | |
junge Menschen zur Einhaltung der [2][Coronaregeln] zu ermahnen, muss sich | |
der Sozialdemokrat nun aber öffentlicher Kritik stellen. Nach den | |
Eskalationen in Stuttgart und Frankfurt am Main entschied sich Geisel | |
dafür, junge Menschen anzusprechen, statt wie Kollegen in Baden-Württemberg | |
und Hessen nur über sie zu sprechen – und nach der Härte des Rechtsstaats | |
(was ist das eigentlich?) zu rufen. | |
Deren Herangehensweise liegt eine gefährliche Annahme zugrunde: Jugendliche | |
randalieren, weil sie einen Migrationshintergrund haben, weil sie asozial | |
sind, weil sie unsere (wer sind wir?) Normen verachten. | |
Deshalb ist das, was Geisel gemacht hat, vielleicht ein erster Schritt in | |
die richtige Richtung: die jungen Menschen direkt anzusprechen. Als | |
Nächstes könnten er und andere aus seiner Zunft ernsthaft mit ihnen | |
sprechen, ihnen zuhören, sich aufrichtig fragen, was hinter der immer | |
wieder unvermittelt ausbrechenden Gewalt steckt. Was hat das mit | |
rassistischer Ausgrenzung, was mit sozialer Ungleichheit zu tun? Mit | |
Fehlern jener, die politische Entscheidungen treffen oder den | |
gesellschaftlichen Diskurs prägen? Irgendwo muss die Gewalt ja herkommen. | |
Weil eine gute Absicht aber nicht automatisch zur durchdachten Tat führt, | |
steht Oberbürgermeister Geisel nun ein bisschen blöd da: Der umstrittene | |
Rapper Farid Bang ist bekannt für frauenfeindliche und antisemitische Texte | |
und entspricht deshalb nicht unbedingt dem, was man gemeinhin als Vorbild | |
bezeichnen würde. Er ist jener Rapper, der mit einer menschenverachtenden | |
Zeile über KZ-Häftlinge für das Ende des Musikpreises Echo sorgte; einer, | |
der sich in sozialen Medien über [3][Gewalt gegen Frauen] lustig macht. | |
## Auf Popkultur spucken | |
Darum ist die Kritik, sie kommt unter anderem von Politiker:innen und | |
der jüdischen Gemeinde, berechtigt. Auch wenn Oberbürgermeister Geisel auf | |
diese antwortet, der Rapper sei eine „ausgesprochen kontroverse Figur“ | |
und er halte selbst „manches, was er gemacht hat, für widerwärtig“, und | |
darauf hinweist, dass der Musiker frühere Texte bereue. | |
Die Kritik ist selbst dann noch berechtigt, wenn FDP-Politiker:innen, | |
darunter Geisel-Herausfordererin Agnes Strack-Zimmermann, am lautesten | |
schreien, weil sie in der Causa womöglich eine Chance sehen, vor den | |
Düsseldorfer Kommunal- und Oberbürgermeisterwahlen am 13. September ein | |
paar Stimmen mehr zu mobilisieren. | |
In deren Milieu sollte es ohnehin nicht allzu schwer fallen, verachtend auf | |
das zu herabzublicken, was sich da auf den Plätzen deutscher Großstädte | |
regelmäßig zusammenrottet. Auf deren Popkultur spuckt man ja sowieso. Ja, | |
mit seiner spezifischen Rapper-Auswahl hat es Oberbürgermeister Geisel der | |
politischen Konkurrenz ausgesprochen leicht gemacht. | |
Eine andere Sache ist aber der Denkfehler, der am Anfang des Projekts | |
steht: Die Idee, dass Rap als pädagogisches und ordnungspolitisches | |
Instrument dienlich sein könnte. Und dies vor dem Hintergrund jener | |
Verachtung, die dieses Genre im ordnungsbesorgten, staatstragenden | |
bürgerlichen Milieu für gewöhnlich genießt. Anfang des Jahres manifestierte | |
sich diese in einer Spiegel-Titelgeschichte. | |
## Früher Subkultur, heute Mainstream | |
Deutschrap war einmal Subkultur. Heute ist er lukrativer Mainstream. Er hat | |
gesellschaftlich an Deutungshoheit gewonnen, er prägt den Geschmack und | |
Stil von jungen Menschen. Auch Kinder von FDP-Politiker:innen und | |
Spiegel-Autor:innen hören Deutschrap. Eine Konstante, die er sich aber | |
bewahren konnte, ist zugleich der Grund, weswegen sich viele junge | |
Menschen, auch auf ambivalente Weise, mit dem Genre identifizieren: Rap | |
erzählt echte oder fiktive Geschichten der an den Rand der Gesellschaft | |
Gedrängten. Seine Kunstfiguren spiegeln der Mehrheitsgesellschaft ihre | |
Diskurse und Vorurteile zurück, in dem sie die ihnen zugeschriebenen | |
unsittlichen Eigenschaften zuspitzen. | |
Rap ist also keine Pädagogik, kein Benimmkurs, keine Volkshochschule. Auch | |
wenn die Wahl eines anderen Rappers weniger provoziert hätte, der | |
Denkfehler wäre derselbe geblieben. Denn am wenigsten ist Rap dafür da, | |
gesamtgesellschaftliche Fehler, auch jene von Politiker:innen, | |
wettzumachen; er ist ihr bitterer Kommentar. So rappt Bushido in „Eure | |
Kinder“: „Ihr habt mich erschaffen und jetzt guckt, wie euer Weltbild | |
umfällt.“ | |
23 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Volkan Ağar | |
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