| # taz.de -- Vom Scheitern beim Kochen: Nudeln mit Spliss, Reis ohne Biss | |
| > Verbrannt, verkocht, heruntergefallen – in der Küche lauert die | |
| > Katastrophe hinter jeder Ecke. Da verzweifelt auch unser Kolumnist. | |
| Bild: Wer kennt das nicht? | |
| Beim Kochen bin ich zwanghafter Multitasker. Bratkartoffeln braten auf der | |
| einen Platte, Gemüse frittieren auf der anderen, den Tisch aufräumen, Salat | |
| machen, den Müllsack wechseln, die Gewürze sortieren – und das alles um | |
| einen vollbeladenen Wäscheständer herumtänzelnd, der den Großteil der Küche | |
| einnimmt. Im Grunde bin ich Jesus. Aber gerade der hat bekanntlich seine | |
| weiße Weste auch mal hinters Klo geworfen. | |
| Es passiert den besten und auch mir: in der Küche zu scheitern. Gerade ist | |
| noch alles unter Kontrolle, und ich stelle den Herd hoch, damit das | |
| Gerümpel endlich fertig wird; im nächsten Moment ist es auch schon | |
| verbrannt, verkocht, heruntergefallen. In etwa so muss sich ein Autounfall | |
| anfühlen, also theoretisch. Wobei Auto fahren natürlich auch viel | |
| schädlicher ist als kochen. Zum Glück habe ich Laminatboden. | |
| Die menschliche Aufmerksamkeit ist instabil wie ein Gurkensoufflé. Daher | |
| ist Scheitern ein ständiger Begleiter auf unserem taumelnden Weg. Auf dem | |
| Teller sind die Resultate am sichtbarsten. Vertrocknete Teigreste mit | |
| geblubberter Kotzmaische, [1][Nudeln mit Spliss], Reis ohne Biss: Es ist | |
| schwer, da den Mut zu behalten. Zusalzigzuscharfzuumami – tja, Mutter kann | |
| da auch nicht helfen. Wir sind auf uns gestellt, wir müssen unsere Tränen | |
| trocknen und tapfer kauen. Oder mit letzter Kraft [2][die Packung | |
| Fertigfraß] warm machen, die wir seit einiger Zeit für solche Fälle | |
| vorrätig halten. Daran glauben, dass am Ende alles gut wird. | |
| Und: Das wird es. Auch wenn wir das in dem Moment selbst nicht wahrhaben | |
| wollen. So viele Dinge sind gar nicht so leicht, wie man denkt. Es ist in | |
| Ordnung, nicht alles hinzubekommen. Überdies: Viele Rezepteschreiber*innen | |
| sind dement und wissen gar nicht, was sie tun. „Mandeln massieren“? | |
| „Milchschaum durch die Knoblauchpresse“? „Auberginen auf einen Turm | |
| schichten und husten“? Eben. | |
| Ordentliche Leute fassen sich da an den Kopf, unordentliche suchen noch | |
| danach. Am Ende kochen alle ja nur mit Wasser, und zwar gar nicht so heiß, | |
| denn bei hundert Grad Celsius verdampft das schon. Damit kann man nicht mal | |
| ein Taufbecken veröden. Öl ist da hitzebeständiger – und bildet eine | |
| weitere Gefahr. Oder eher: Angst. Eine kleine Privatangst, über deren | |
| Verbreitung in der Allgemeinbevölkerung ich nichts weiß. Beinahe jedes | |
| Mal, wenn ich etwas brate, fürchte ich nämlich, die Pfanne könnte in | |
| Flammen aufgehen. | |
| Das wäre schlecht und würde allerlei Papierkram nach sich ziehen, aber | |
| Papier müsste man nach einem solchen Brand erst kaufen, und der | |
| Schreibwarenladen macht hier sehr früh zu. Außerdem müsste man ja wohl auch | |
| die Gewürze neu sortieren. | |
| Oh, ich glaube, die Nudeln sind durch. | |
| 23 Jul 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Adrian Schulz | |
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