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# taz.de -- Wahrnehmung sozialer Berufe: Schlechter Lohn, keine Karriere
> Viele Jugendliche finden Jobs in Pflege und Kinderbetreuung interessant.
> Abschreckend sind die Arbeitsbedingungen in der Branche.
Bild: Ein Altenpfleger kontrolliert die Einnahme der Medikamente
Berlin taz | Es fehlen Geld und Karriereaussichten: Zwar können sich
zwischen 20 und 25 Prozent der Jugendlichen in Deutschland prinzipiell
vorstellen, als Pfleger*in oder Erzieher*in zu arbeiten. Gleichzeitig
fürchten viele von ihnen aber, in der Branche [1][zu wenig Lohn] zu
bekommen oder kaum aufsteigen zu können. So lautet ein zentrales Ergebnis
einer am Dienstag vorgestellten Befragung im Auftrag des
Bundesfamilienministeriums.
Danach denken lediglich 6 Prozent der befragten Jugendlichen ernsthaft
darüber nach, Erzieher*in zu werden, bei den Pflegeberufen haben sogar nur
4 Prozent Pläne, wirklich in die Branche einzusteigen. Familienministerin
Franziska Giffey (SPD) forderte deshalb bei der Vorstellung der Studie am
Dienstag, es müsse „ein anderes Bild der Berufe“ entstehen.
Für die Studie hatten Forscher*innen des Sinus-Instituts im Frühjahr 2020
jeweils 1.000 Menschen im Alter von 14 bis 20 Jahren zu ihrer Sicht auf
Pflege- und Erziehungsberufe befragt. Ziel war es herauszufinden, warum
sich derzeitig nur wenige Jugendliche für eine Ausbildung in den sozialen
Berufen entscheiden. In Pflege und Erziehung fehlen viele qualifizierte
Arbeitskräfte.
Den Ergebnissen der Studie nach ist das Berufsfeld aus Sicht der Jugend
eigentlich interessant und abwechslungsreich, viele sehen die Möglichkeit
„Gutes zu tun“. Aber: In der Wahrnehmung vieler Jugendlicher stimme „das
Preis-Leistungs-Verhältnis“ bei den Berufen einfach nicht, fasste Silke
Borgstedt, Leiterin Forschung und Beratung des Sinus-Instituts, die
Ergebnisse der Befragung am Dienstag zusammen.
## Nach dem Abi in die Pflege?
„Die Wahrnehmung der Jugendlichen stimmt“, sagt Elke Alsago, die sich beim
Bundesvorstand der Gewerkschaft Verdi um Erziehungsberufe kümmert. Die
Arbeit der Erzieherinnen und ihre Ausbildung erhalte in der Politik nicht
genügend Beachtung, findet sie. Sie fordert: ein einheitliches
Ausbildungsgesetz, welches einen hohen Ausbildungsstandard und eine
Ausbildungsvergütung bundesweit garantiert.
Familienministerin Giffey will tatsächlich beim Gehalt in den ersten
Arbeitsjahren ansetzen, um die Branche attraktiver zu machen. So sei es
etwa wichtig, dass die Jugendlichen während der Ausbildung bereits bezahlt
würden, sagte sie.
In der Pflege sei es bereits Standard, dass Azubis Lohn gezahlt bekommen.
Von den Erzier*innen in Ausbildung würden derzeit allerdings nur wenige
überhaupt Geld bekommen, so die Ministerin. Hier will sie Veränderungen
„anschieben“. Direkt eingreifen könne sie als Bundesministerin aber nicht,
weil die Ausbildung an den Fachschulen Ländersache ist.
Angesprochen werden sollen mit den finanziellen Anreizen vor allem
Jugendliche mit höherem Bildungsabschluss. Denn aus der Befragung geht
hervor, dass besonders diese Jugendlichen von dem als niedrig
wahrgenommenen Gehalt und den schlechten Aufstiegschancen abgeschreckt
werden.
Für eine andere Hürde, die potentielle Arbeitskräfte abschreckt, konnte
Giffey allerdings keinen Lösungsansatz präsentieren: So nehmen junge Männer
die sozialen Berufe nach wie vor als [2][„typisch weiblich“] wahr – und
entscheiden sich deshalb wohl oft gegen die Arbeit in Krankenhaus,
Pflegeheim und Kindertagesstätte.
7 Jul 2020
## LINKS
[1] /Der-Wert-von-Systemrelevanz/!5669123
[2] /Geschlechterstereotype-im-Beruf/!5589096
## AUTOREN
Frederik Eikmanns
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