# taz.de -- Corona-Ausbruch in Friedland: „Tor zur Freiheit“ ist zu | |
> Nach einem Corona-Ausbruch im sogenannten Grenzdurchgangslager Friedland | |
> wird dort niemand mehr neu aufgenommen. | |
Bild: Nach einem Corona-Ausbruch ist das Grenzdurchgangslager Friedland für Ne… | |
Göttingen taz | Friedland macht dicht. In dem – offiziell immer noch so | |
genannten – Grenzdurchgangslager bei Göttingen werden wegen der Häufung von | |
Coronafällen seit Ende der vergangenen Woche keine Neuankömmlinge mehr | |
aufgenommen. Das betreffe sowohl Asylsuchende wie auch Spätaussiedler, sagt | |
die Sprecherin der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen, Hannah Hintze. | |
In dem Lager wurden zuvor 62 Menschen positiv auf das Coronavirus getestet | |
– 52 Spätaussiedler, drei Asylbewerber und sieben Beschäftigte der | |
Einrichtung. Offenbar hatten Aussiedler-Familien aus Kasachstan, die am 17. | |
und 24. Juni mit dem Flieger in Frankfurt/Main landeten, das Virus in das | |
Lager getragen. Nach Bekanntwerden der Fälle waren alle rund 400 Personen | |
im Grenzdurchgangslager am vergangenen Dienstag auf Corona getestet worden. | |
Weitere Reihentests sind für diese Woche geplant. | |
Weil die infizierten Personen unter Quarantäne stehen und separiert werden, | |
waren die Kapazitäten im für 700 Personen ausgelegten Lager bereits in der | |
vergangenen Woche erschöpft. Deshalb verfügte die Landesaufnahmebehörde | |
zunächst einen Aufnahmestopp für Asylbewerber. Sie wurden in das sogenannte | |
Ankunftszentrum in Bad Fallingbostel weitergeleitet. | |
Am Donnerstag wurden auch die verbliebenen rund 100 Asylsuchenden in Busse | |
verfrachtet und in verschiedene andere Einrichtungen des Landes gebracht. | |
Nur die drei infizierten Flüchtlinge und ihre Familien könnten vorerst in | |
Friedland bleiben, sagt Hintze. Inzwischen nimmt das Lager auch keine | |
Spätaussiedler mehr auf. Erstmals war am Donnerstag eine Gruppe, die mit | |
einem Flugzeug in Frankfurt ankam, nach Braunschweig umgeleitet worden. | |
Auch in dieser Gruppe waren 14 Personen mit dem Coronavirus infiziert. | |
Ebenfalls am Donnerstag hatte der Göttinger Landrat Bernhard Reuter (SPD) | |
erklärt, dass in Friedland keine Aussiedler mehr aufgenommen werden | |
könnten. Er forderte den Bund und das Land Niedersachsen auf, sich des | |
Problems anzunehmen. | |
Gemeindebürgermeister Andreas Friedrich (SPD) sagte, wenn die Situation in | |
der Einrichtung nicht eingedämmt werden könne, drohe ein Übergreifen auf | |
die Bevölkerung. „Die Entwicklung sehen wir mit Sorge, wachsender Unruhe – | |
und auch etwas Wut.“ Die Einbindung der Menschen in dem Lager in die | |
Gemeinde spiegle die Toleranz und oftmals ehrenamtliche Hilfsbereitschaft | |
der Menschen in Friedland wider. „Diese Stärke darf in der Coronapandemie | |
nicht zu einem Schwachpunkt, zu einem Infektionsrisiko werden“, sagte | |
Friedrich. „Ehrenamtliches Engagement darf nicht auf dem Friedhof der | |
Zuständigkeiten begraben werden. Der Bund muss jetzt handeln.“ | |
Das hat er. Spätaussiedler sollen derzeit nicht mehr auf eigene Faust vom | |
Flughafen quer durch die Republik nach Friedland reisen, sondern gleich | |
nach der Ankunft getestet werden, heißt es im Bundesinnenministerium. | |
Positiv Getestete und ihre Angehörigen sollen ihre Quarantäne möglichst | |
direkt am Flughafen verbringen. | |
Im Lager Friedland, aus Propagandagründen gern auch „Tor zur Freiheit“ | |
genannt, kamen im vergangenen Jahr mehr als 7.000 Spätaussiedler an, etwas | |
mehr als 2018. Im Rekordjahr 1990 waren knapp 400.000 Aussiedler | |
registriert worden. Danach war die Zahl lange gesunken. 2012 erreichte sie | |
schließlich mit rund 1.800 einen Tiefstand. Seither ist sie kontinuierlich | |
gestiegen. Die meisten Spätaussiedler stammen aus Russland und Kasachstan. | |
Oft haben sie Verwandte, die bereits in Deutschland leben. | |
Bislang verbringen alle Spätaussiedler, die aus den Nachfolgestaaten der | |
ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland kommen, die ersten Tage ihres | |
Aufenthalts in Friedland. Eine Außenstelle des Bundesverwaltungsamtes | |
registriert die Neuankömmlinge und betreibt ihre Aufnahmeverfahren. | |
In diesem Verfahren können sich die Spätaussiedler für eine verbindliche | |
deutsche Namensform entscheiden. Sie erhalten auch einen Bescheid, der sie | |
zur Inanspruchnahme von Eingliederungshilfen berechtigt. Nach Abschluss des | |
Verfahrens gibt es eine Spätaussiedlerbescheinigung, mit der sie die | |
deutsche Staatsangehörigkeit erwerben. Von Friedland aus werden die | |
Aussiedler auf die verschiedenen Bundesländer verteilt. | |
7 Jul 2020 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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