# taz.de -- Umgang mit Presse beim Lübcke-Prozess: Degradierte Öffentlichkeit | |
> Das Interesse am Lübcke-Prozess ist groß, doch wegen Corona wurden nur 19 | |
> JournalistInnen in den Verhandlungssaal gelassen. Das ist keine Lappalie. | |
Bild: Kleiner Verhandlungssaal statt einer Halle: Nur 19 JournalistInnen wurden… | |
Seit Wochen wurde darauf gewartet: [1][Die Verhandlung über den Mord an | |
Walter Lübcke], dem Kasseler Regierungspräsidenten. Die offenbar erste | |
[2][Ermordung eines Berufspolitikers] durch einen Rechtsextremisten im | |
Nachkriegsdeutschland. 200 JournalistInnen hatten sich akkreditiert. Doch | |
wegen Corona wurden nur 19 JournalistInnen (und 18 BesucherInnen) in den | |
Verhandlungssaal des Oberlandesgerichts (OLG) in Frankfurt am Main | |
gelassen. | |
Die Vorgabe: Wer zuerst kommt, bekommt den Platz. Schon ab dem Vorabend | |
kampierten JournalistInnen vor dem Gericht im Nieselregen, Stunden über | |
Stunden. Manche ließen sich ablösen, andere machten durch. Wer es in den | |
Saal schaffte, war hundemüde und wurde drinnen weiter gegängelt. Laptops | |
waren verboten, nur Block und Stift erlaubt. Verhandelt wurde bis in den | |
Nachmittag, für einige bis ran an den Redaktionsschluss. Am Ende blieben | |
übernächtigte, runtergehastete Texte. Und am Donnerstag, dem zweiten | |
Verhandlungstag, wiederholten sich die Szenen. | |
Die Karikatur eines grundlegenden Prinzips der Justiz in diesem Land: des | |
Öffentlichkeitsgrundsatzes. Gerichtsverhandlungen sollen nicht hinter | |
verschlossenen Türen, sondern unter den Augen und der Kontrolle der | |
Öffentlichkeit stattfinden. Es ist also keine Lappalie, die sich das OLG da | |
erlaubt hat. Es ist die Geringschätzung eines Rechtsstaatsprinzips. | |
Ausgerechnet in diesem Prozess. Hat das Gericht die Dimension des | |
Verfahrens nicht erfasst? Seine politische Tragweite, trotz eines getöteten | |
Politikers in Zeiten von entfesseltem Rechtsterrorismus? Es ist die Aufgabe | |
der Öffentlichkeit, gerade in diesem Fall genau hinzuschauen, um die | |
Radikalisierung des Täters nachzuvollziehen, die Arbeit der Ermittler und | |
Verfassungsschützer – und deren Leerstellen. Berichterstattung ist nötig, | |
um eine öffentliche Debatte zu ermöglichen. | |
Dass die [3][Corona-Pandemie] Beschränkungen nötig macht, ist unbestritten. | |
Dass das Gericht aber keine andere Wahl hatte, diese umzusetzen, ist | |
abwegig. Andere Prozesse wurden zuletzt in Messehallen oder Theatersäle | |
verlegt – aber gerade im Lübcke-Prozess ging das nicht? Die angeführten | |
Sicherheitsbedenken hätten, mit entsprechenden Konzepten, auch dort | |
ausgeräumt werden können. | |
Dass dies nicht geschah, verstärkt den Eindruck, dass das Gericht die | |
Öffentlichkeit herzlich wenig interessiert. Dass es unter sich bleiben | |
will. Und damit ist es nicht allein. [4][Auch in Hamburg wurden Prozesse | |
zuletzt] mit nicht mal einer Handvoll JournalistInnen durchgeführt. Das ist | |
eine selbstgefällige Degradierung der Öffentlichkeit – und ihrer | |
Kontrollfunktion. Eine nicht zu duldende Entwicklung. | |
19 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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