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# taz.de -- Proteste in den USA gegen Rassismus: Die Wut wächst
> In den USA nehmen die Proteste gegen rassistische Polizeigewalt immer
> weiter zu. Derweil verbarrikadiert sich der US-Präsident im Weißen Haus.
Bild: Black-Lives-Matter-Demonstranten am 3. Juni am Weißen Haus in Washington
New York taz | Es waren zwei Wochen, die die USA verändert haben. An diesem
Montag haben die massiven Proteste die Eliten der Politik erreicht. Im
Visier sind dabei zuvorderst zwei Säulen des Systems: die Polizei und der
Präsident. In Minneapolis, der Stadt, wo am 25. Mai ein weißer Polizist
einen unbewaffneten und gefesselten schwarzen Mann mit seinem Knie erstickt
hat, verlangt jetzt die Mehrheit des Stadtrats die Abschaffung der Polizei.
In Washington, wo sich Donald Trump hinter einer mehrere Meter hohen neuen
Befestigungsanlage rund um das Weiße Haus verbarrikadiert hat, kritisieren
Vier-Sterne-Generäle sowie gewählte republikanische PolitikerInnen seine
Eskalationspolitik.
Doch auch andere Institutionen stehen jetzt unter Druck. In zahlreichen
Großstädten ertönt der Ruf nach dem Rücktritt von BürgermeisterInnen, die
jahrelang Polizeibudgets erhöht haben, während sie ihre Sozial-, Bildungs-
und Gesundheitsausgaben kürzten.
Bei der New York Times musste am Wochenende der Chef der Meinungsabteilung
zurücktreten. James Bennett hatte einen umstrittenen Kommentar
veröffentlicht, in dem der rechte Senator Tom Cotton eine Parole des
US-Präsidenten wiederholt hatte. Der US-Präsident und Cotton wollten das
Militär gegen DemonstrantInnen einsetzen und den Krieg auf die Straßen
ihres eigenen Landes brinen.
„Wir werden die Polizei, so wie wir sie kennen, auflösen“, erklärte am
Sonntag die demokratische Präsidentin des Stadtrats von Minneapolis, Lisa
Bender. Acht weitere Ratsleute stimmen ihr zu. Der ebenfalls demokratische
Bürgermeister Jacob Frey ist gegen eine Auflösung. Er hat der Polizei –
entgegen seinen Wahlkampfversprechen – in den letzten Jahren mehr Geld
gegeben und hat noch in der letzten Woche erklärt, dass er auch jetzt nur
zur Budgetreduzierungen, nicht aber zur Abschaffung der Polizei bereit ist.
Wie die Auflösung der Polizei vonstatten gehen soll, ist ein Thema, das die
400.000-EinwohnerInnen-Stadt in den nächsten Monaten diskutieren wird.
Schon lange vor der Ermordung von George Floyd war sie berüchtigt für
rassistische Exzesse – sowohl in Worten als auch in gewalttätigen und nicht
selten tödlichen Taten.
Bürgerrechtsgruppen verlangten deswegen schon vor Jahren ihre Abschaffung.
Am Wochenende sagte Ratsherr Phillipe Cunningham bei einer neuen
Großdemonstration in Minneapolis: „Wir haben bewiesen, dass wir selbst für
die Sicherheit unserer Community sorgen können.“ Der schwarze Ratsherr
sagte auch, dass in den vergangenen Tagen „weiße Rassisten und Extremisten“
Gebäude in Minneapolis abgebrannt hätten.
Der weiße Polizist, dessen Gewalttat die neue Bewegung am 25. Mai auslöste,
hat an diesem Montag seinen ersten Gerichtstermin. Derek C. ist wegen
Mordes angeklagt. Die drei Kollegen, die ihm am Tatort den Rücken gedeckt
haben und inzwischen ebenfalls angeklagt und in Haft sind, beschuldigen
jetzt ihre Vorgesetzten. Die Polizisten hätten ihre Befehle erfüllt,
argumentieren ihre Verteidiger. Die Verteidigungsstrategie belegt die These
der politischen Linken, dass die Polizei nicht reformierbar ist.
Auch andernorts beschleunigt sich die Entwicklung hin zu radikalen
Veränderungen der Polizei. In New York sah sich Bürgermeister Bill de
Blasio am Wochenende dazu gedrängt, anzukündigen, dass er das Budget der
NYPD, der mit 36.000 Beschäftigten größten Polizeibehörde der Welt, um eine
Milliarde Dollar kürzen will. Allerdings befindet sich auch de Blasio
selbst im Visier der DemonstrantInnen. Denn nachdem ein Mann aus seiner
NYPD im Jahr 2014 in dem Stadtbezirk Staten Island den schwarzen
Zigarettenverkäufer Eric Garner mit einem Würgegriff umgebracht hat,
brauchte de Blasio fünf geschlagene Jahre, bevor er den Polizisten feuerte.
In der US-Hauptstadt Washington hat die schwarze Bürgermeisterin Muriel
Bowser die direkt zum Weißen Haus führende 16th Street in Black Lives
Matter umbenannt. Sie ließ den neuen Namen in gigantischen gelben Lettern
auf die Straße pinseln. Jedoch wurde Bowsers Aktion schon binnen weniger
Stunden von DemonstrantInnen überholt. Die pinselten in ebenso großen
Buchstaben „Streicht das Polizeibudget“ neben den Straßennamen.
Die Proteste gegen rassistische Polizeigewalt gehen landesweit nun in die
dritte Woche und wachsen. Am Wochenende haben die meisten US-amerikanischen
Großstädte ihre Ausgangssperren, die sie wegen Plünderungen verhängt
hatten, vorzeitig aufgehoben. Der Grund war vor allem massive politische
Kritik an den Entscheidungen der Bürgermeister. „Wir lassen uns unser Recht
auf Meinungsfreiheit nicht nehmen“, sagt Al Taylor, ein linker Demokrat aus
der gesetzgebenden Versammlung des Bundesstaates New York.
Am Montag wollten er und andere Mitglieder der Fraktion der schwarzen,
Latino- und asiatischen Abgeordneten einen neuen Anlauf unternehmen, um ein
New Yorker Gesetz zu Fall zu bringen, das es der Polizei erlaubt, ihre
Gewalttaten vor der Öffentlichkeit zu verstecken. Nach vielen gescheiterten
Versuchen ist die Fraktion dieses Mal siegesgewiss.
8 Jun 2020
## AUTOREN
Dorothea Hahn
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
George Floyd
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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Black Lives Matter
USA
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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