# taz.de -- Art Basel virtuell: Alleinstellungsmerkmale auf Zoom | |
> Die Art Basel hat eröffnet, dieses Jahr ausschließlich digital. Die Kunst | |
> braucht ihren Markt, und er wird weiterhin ein globaler sein. | |
Bild: Auch online zu sehen bei der Art Basel | |
Ausgerechnet zu ihrem 50. Jubiläum hat sich die Art Basel von einer | |
physischen Messe zu einer digitalen Plattform gewandelt. Pandemiegeschürt. | |
Der Junitermin war ein Muss in der Agenda der Kunstwelt. Mit vielfach | |
integrierter großer Sause. Und sonstigen schweiztypischen Annehmlichkeiten. | |
Die Berge, die Seen, die Banken nicht mehr so sehr, die steuerfreundlichen | |
Freilager allemal. | |
Doch nun hat der internationale kommerzielle Kunstbetrieb erst mal einiges | |
zu verdauen. Und die ohnehin geschwächte Schweizer Messegesellschaft MCH | |
Group muss zusehen, wie ohne ihr kostbares, freilich auch teures Zugpferd, | |
die Kräfte schwinden. | |
Messechef Marc Spiegler berichtet immerhin von den Vorbereitungen für die | |
Art Basel Miami im Dezember. Doch zuversichtlich klingt das nicht, wenn er | |
im Interview mit der Welt einräumt: „Auf kurze Sicht könnte die Nachfrage | |
der Galerien nach Kunstmessen zurückgehen.“ Er sieht „langfristige | |
Veränderungen in der Kunstwelt und insbesondere in der Messelandschaft“. | |
## 4.000 Kunstwerke in 282 Galerien | |
Nun also Online Viewing Rooms. Ist das der neue Spirit? Schon anlässlich | |
der ausgefallenen Art [1][Basel Hong Kong] im März hatte man den | |
Teilnehmern ein gemeinschaftliches Forum im Netz zur Verfügung gestellt. | |
Mit durchwachsenem Erfolg hinsichtlich der Verkäufe. Inzwischen ist alle | |
Welt endgültig zur Video-Audio-Streaming-Zooming-Skyping-Gesellschaft | |
mutiert. Tapfer scrollt man sich derzeit durch die 4.000 Kunstwerke in den | |
282 Galerien unter dem virtuellen Dach der Art Basel. | |
Der Auftritt ist für die zugelassenen Aussteller kostenlos. Die Slide Show | |
des jeweiligen Hauses informiert in groben Zügen samt Preisangabe. Man | |
zoomt ein bisschen hin und her. Darf zwischen Kategorien wählen; es gibt | |
Angebote unter 10.000 US-Dollar, man kann nach „Emerging Artists“ suchen. | |
Das sind Segmente, die in Basel ansonsten vernachlässigt wurden, werden | |
mussten. Schließlich war die Standmiete so hoch, dass man nicht umhin kann, | |
die wenigen Quadratmeter hochkarätig zu belegen. | |
Die Selbstdarstellung samt Offerte online zu organisieren, ist schon längst | |
die leichteste Übung des Galeristen. Sie dient auf der eigenen Website der | |
Information und weckt im Idealfall ernsthaftes Interesse. Ihm folgt, wenn | |
alles gut geht, das intensive Gespräch und: der Besuch in der Galerie. Der | |
Augenschein, die Wahrnehmung ist trotz technischer Raffinesse entscheidend. | |
Investoren reinsten Wassers sehen das ein bisschen anders. | |
Die Platzierung des Künstlers im Markt summiert sich mit der Einordnung des | |
Werks in eine mehr oder weniger bedeutende Phase seines Schaffens; ein | |
makelloser Erhaltungszustand spielt ebenfalls eine große Rolle. Liefert der | |
Galerist diesbezüglich zuverlässige Informationen, steht, abgesehen von | |
einem sportlichen Preisgeplänkel, einem Onlinekauf nicht mehr viel im Weg. | |
## Wackelige Handyfilmchen und Selfies | |
Mehr denn je kommt es nun bei den Basel Viewing Rooms im Einerlei der | |
Tausenden von Slides darauf an, mit Alleinstellungsmerkmalen und | |
Besonderheiten zu punkten. Viele leiten gleich und eifrig in die eigenen | |
Räume, führen etwa mit charmant wackligem Handyfilmchen samt | |
Galeriedirektor-Selfie durch den prestigiösen Mayfair-Palais (Ropac). | |
Sylvia Kouvali versammelt in ihrem als „Social Experiment“ bezeichneten | |
Auftritt ausschließlich Sound Art wie die Installationen von James | |
Richards. Die Käufer der Arbeiten (10.000 bis 100.000 US-Dollar) müssen | |
sich allerdings zu einer Schenkung an ein Museum verpflichten. | |
Bis 27. Juni, dann schließt die virtuelle Art Basel, läuft die vollmundig | |
als „analoger Counterpart“ beziehungsweise launig als „Messe in St. Agnes… | |
angekündigte Schau bei Johann König (Standort der Galerie ist die | |
säkularisierte Kirche St. Agnes in Berlin-Kreuzberg). In einem | |
Seitenflügel hat er die für Basel konzipierte Koje nachgestellt. Ansonsten | |
hängen dicht an dicht gut hundert Zeitgenossenwerke, die König bei Sammlern | |
und (wenigen) Kollegen akquiriert hat. Damit wendet er sich dezidiert dem | |
Sekundärmarkt zu. | |
Was weder neu noch verwerflich ist. Doch nur, weil er nicht ankauft, | |
sondern sich lediglich am Verkauf mit einer Kommission zwischen 15 und 20 | |
Prozent beteiligt, muss jetzt nicht gleich vom „Auktionshandel ohne | |
Auktion“ gesprochen werden. | |
## Die Kunst bleibt auf der Strecke | |
Dass der Kunsthandel (nicht nur die Galerien) altehrwürdige Strategien | |
ändern muss, um nicht zu versteinern, ist ein inzwischen blutleerer | |
Gemeinplatz. Eine Marktbereinigung der Messelandschaft ist überfällig. Der | |
Druck könnte jetzt ausreichen, dem Menetekel Paroli zu bieten. Doch ohne | |
Initiativen mit internationaler Wirkmacht verläppert man sich im | |
Regionalen. Auf der Strecke bleiben dann nicht nur die Messebetreiber, | |
sondern, was viel schlimmer ist, die Kunst. | |
Sie braucht einen Markt, auch wenn das vielen nicht gefällt, und sie | |
braucht deshalb einen weiterhin global bespielten Marktplatz, der Konzepten | |
folgt, die den Galerien und deren Künstlern fokussierte Aufmerksamkeit | |
bieten. In echt und nicht am Laptop. | |
27 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Art-Basel-Hongkong-2019/!5582167 | |
## AUTOREN | |
Annegret Erhard | |
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